Ist „durchgeknallt“ doch eine Beleidigung?

Ab wann liegt eine ehrverletzende Äußerung vor? Diese Frage stellen sich die Gerichte immer wieder. Nicht nur im Strafrecht, bei dem es dann regelmäßig um den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) geht, sondern auch im Zivilrecht. Sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht muss dagegen immer die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG beachtet werden.

Der „durchgeknallte Staatsanwalt“

Bereits im Jahr 2009 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Verurteilung eines Journalisten wegen Beleidigung bezüglich der Bezeichnung eines Staatsanwalts als „durchgeknallter Staatsanwalt“ nicht rechtmäßig war (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009, Az.: 1 BvR 2272/04). In dem damaligen Fall überwog die Meinungsfreiheit.

Die „durchgeknallte Frau“

Anders bewertete das BVerfG nun jedoch den Fall, dass eine große deutsche Tageszeitung eine Politikerin als „durchgeknallte Frau“ bezeichnete, weil sie sich mit Latexhandschuhen ablichten ließ. Anders als beim Staatsanwalt, bezog sich das „durchgeknallt“ nicht mehr auf ein konkretes Verhalten, sondern direkt auf die Persönlichkeit der Person.

Meinungsfreiheit überschritten? Persönlichkeitsrecht verletzt? Ausschlaggebend ist die Bedeutung des Wortes:

Das BVerfG erklärte konkret, dass das Wort „durchgeknallt“ in einem anderen Zusammenhang verwendet wurde. Es ging im aktuellen Fall lediglich um Spekulationen über den innersten Intimbereich der Frau und sollte damit den Achtungsanspruch der Person angreifen. Es ging nicht mehr konkret um ein bestimmtes Verhalten.
Daher ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG erlaubt zwar eine zugespitzte und sogar polemische Kommentierung bezüglich des Verhaltens der Frau, die zusammenfassende Äußerung als „durchgeknallte Frau“ hatte jedoch keinen Anknüpfungspunkt mehr zum Verhalten.

Und obgleich die Politikern in der Öffentlichkeit stand und sich somit mehr gefallen lassen muss als beispielsweise Privatpersonen oder auch Promis, ging den Richtern diese Aussage des Kolumnisten der deutschen großen Tageszeitung zu weit.

Auswirkungen auf das Strafrecht

Daher war die Verfassungsbeschwerde erfolgreich. Obwohl es im konkreten Fall um einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch ging, kann dieser Beschluss auch strafrechtliche Auswirkungen haben. Ein Strafverteidiger wird diese Entscheidung zukünftig bei der Beurteilung der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht berücksichtigen müssen.

Siehe dazu: BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2013, 1 BvR 194/13

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