Drängeln auf der Autobahn kann zu erheblichen Konsequenzen führen. Neben einem Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit kann gegebenenfalls auch eine Straftat, allen voran die strafbare Nötigung nach § 240 StGB, erfüllt sein.
Aber ab wann ist ein zu dichtes Auffahren wirklich ein nicht erlaubtes Drängeln? Eine feste Definition gibt es nicht, jedoch hat nun das Oberlandesgericht Hamm diese Frage beantwortet (Beschluss vom 9. Juli 2013, Az.: 1 RBs 78/13).
Ab wann liegt auf der Autobahn ein bußgeldpflichtiges Drängeln vor?
Die Richter sahen ein Drängeln auf der Autobahn dann als gegeben an, wenn der vorgeschriebene Abstand für mindestens 3 Sekunden oder für eine Fahrstrecke von mindestens 140 Metern nicht eingehalten wurde. Kürzere Unterschreitungen des Abstandes stellen dagegen keine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Auch wenn zuvor durch ein durch den Fahrer nicht zu vertretendes Ereignis – zum Beispiel Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges oder Einscheren eines dritten Fahrzeuges – der Sicherheitsabstand verkürzt wurde, gestehen die Richter dem Fahrzeugführer eine längere Zeit als die genannten 3 Sekunden ein.
Im konkreten Fall fuhr der Betroffene mit 131 km/h über eine Strecke von 123m mit einem Abstand von 26 Metern zum vorausfahrenden Fahrzeug. § 4 Abs. 1 StVO schreibt einen Sicherheitsabstand vor, der so groß sein muss, dass auch bei einem plötzlichen Bremsen der Hinterherfahrende rechtzeitig zum Stehen kommt. Der Abstand hängt also primär von der Geschwindigkeit und den Witterungsverhältnissen ab. Außerhalb geschlossener Ortschaften gilt als Faustformel: Abstand gleich halber Tacho. Bei den hier gefahrenen rund 130 km/h wäre nach Faustformel somit ein Abstand von 65 Metern angemessen gewesen.
Wann darf der Sicherheitsabstand auf Autobahnen unterschritten werden?
Die Richter stellen sich der Realität auf deutschen Autobahnen und halten nicht jede Unterschreitung des Sicherheitsabstandes für sanktionswürdig. Erfolgt die Unterschreitung nur kurzzeitig, so kann dem Fahrer kein Vorwurf gemacht werden. Konkret erwarten die Richter von einem Autofahrer, dass er innerhalb von 3 Sekunden oder aber auf einer Strecke von 140 Metern den Sicherheitsabstand wieder herstellt. Nur wenn der Fahrer die Verkürzung des Sicherheitsabstandes nicht zu vertreten hat, kann ihm ein längerer Zeitraum zugestanden werden.
Mit der Begrenzung durch Zeit und Strecke verhindern die Richter eine Privilegierung von Fahrern die deutlich zu schnell fahren. Wer die Richtgeschwindigkeit von 130km/h deutlich überschreitet, muss dafür sorgen, dass der Sicherheitsabstand bereits nach eine Fahrstrecke von 140 Metern wieder hergestellt ist.
Ab wann ist Drängeln eine Nötigung im Strafrecht?
Solange das zu dichte Auffahren lediglich eine Ordnungswidrigkeit ist, drohen Geldbußen, Punkte in Flensburg und möglicherweise ein Fahrverbot. Begeht man durch seine Fahrweise dagegen auch eine Straftat, drohen Fahrverbot, Führerscheinentzug, Geldstrafen und möglicherweise sogar Freiheitsstrafen.
Die Nötigung nach § 240 StGB kommt häufig in Betracht. Dazu muss ein Mensch rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt werden. Gewalt im Sinne des § 240 StGB muss keine körperliche Gewalt sein. Es reicht bereits aus, wenn sich psychische Gewalt beim Opfer körperlich auswirkt, zum Beispiel wenn ein Angstzustand ausgelöst wird.
Ob es sich bereits um eine Nötigung handelt, hängt stark von der Einzelfallbetrachtung ab. Kommt zum zu dichten Auffahren auf der Autobahn noch der umfangreiche Einsatz von Hupe und Lichthupe hinzu, wird in der Regel von Nötigungen ausgegangen. Hier droht als Strafe dann eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Spätestens ab diesem Vorwurf sollte ein Strafverteidiger aufgesucht werden.
Weitere Straftatbestände?
Durch das Drängeln auf der Autobahn können auch andere klassische Straßenverkehrsdelikte erfüllt sein. Allen voran die Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. b, wenn der Hinterherfahrende sich dazu entschließt, den Vorausfahrenden rechts zu überholen. Hinzutreten muss eine Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert. Dies ist beim Rechtsüberholen auf Autobahnen häufig gegeben. Der Fahrer macht sich so möglicherweise wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenverkehrs gleichzeitig strafbar. Dabei wird die Gefährdung des Straßenverkehrs sogar mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Insgesamt zeigt sich, dass eine Anzeige wegen Unterschreitung des Sicherheitsabstandes umfangreiche Konsequenzen haben kann. Seien es nun Geldbußen, Fahrverbote oder gar Geldstrafen und Freiheitsstrafen. Im Zweifel sollte das weitere Vorgehen mit einem Strafverteidiger besprochen werden, damit ein Führerscheinentzug möglicherweise verhindert werden kann. Vor allem, wenn der Beschuldigte beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, schmerzt ein möglicher Entzug meist mehr als dies z.B. eine eventuell in Kauf genommene, erhöhte Geldbuße tun würde. Hier gibt es für einen Strafverteidiger umfangreiche Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber den Behörden.
Siehe dazu: Beschluss vom 9. Juli 2013, Az.: 1 RBs 78/13