Urteile im Strafrecht und im Wirtschaftsstrafrecht

  • Ein Erbe, der einer Rentenversicherung den Sterbefall des Leistungsempfängers nicht anzeigt, begeht keinen Betrug durch Unterlassen.

    Die Angeschuldigte soll es unterlassen haben, der Deutschen Rentenversicherung den Tod ihrer Mutter anzuzeigen. Dazu war sie jedoch nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB I in Verbindung mit § 118 Abs. 4 SGB VI verpflichtet. Innerhalb von 10 Jahren überwies die Rentenversicherung Bund und Rentenversicherung Berlin-Brandenburg so rund 152.000 Euro. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin wegen Betrugs durch Unterlassen wurde vom Landgericht Berlin nicht angenommen. Es fehle an der Garantenstellung der Angeschuldigten im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB.

    Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde ein. Damit scheitert sie nun aber auch vor dem Kammergericht Berlin. Der § 60 Absatz 1 SGB I verpflichtet nämlich nur denjenigen zur Auskunft, der Sozialleistung beantragt oder erhält. Damit hängt die Auskunftspflicht mit einem auf den Leistungsbezug gerichtetes Verwaltungsverfahren zusammen. Daher sei auch zu fordern, dass der Träger der Rentenversicherung einen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend machen müsste, bevor die Auskunftspflicht für den Erben besteht:

    „Die Auskunftspflicht des Leistungsempfängers knüpft damit an ein auf den Leistungsbezug gerichtetes Verwaltungsverfahren an. Sie beginnt mit Eröffnung des Verwaltungsverfahrens und dauert während aller Phasen des Sozialleistungsverhältnisses bis zum Ablauf des Leistungsbezuges an (Joussen, a.a.O.). Auch in den Fällen, in denen Rentenzahlungen nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, hat der Träger der Rentenversicherung gemäß § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI die Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Im vorliegenden Fall sind aber in dem Zeitraum der verfahrensgegenständlichen Überzahlungen von den Rentenversicherungsträgern noch keine Rückforderungsbescheide gegenüber der Angeschuldigten erlassen oder wenigstens Anfragen an die Angeschuldigte zur Vorbereitung der Rückforderung gerichtet worden.“

    Auch sonst sieht das Kammergericht keine Grundlage für eine Garantenpflicht. Vor allem, da es feststellte, dass nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI die Deutsche Post AG die Zahlungsvoraussetzung durch Auswertung von Sterbefallmitteilungen zu überwachen habe. Daher ist gar keine Notwendigkeit zu sehen, dass die Erben den Rentenversicherungsträgern den Sterbefall anzeigen müssen. Auch eine Garantenpflicht aus Treu und Glaube im Sinne des § 242 BGB mag das Gericht nicht erkennen.

    Da keine Garantenpflicht besteht, scheidet eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen aus. Somit hat das Landgericht zu Recht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.

    KG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2012, Az.: 3 Ws 381/12


  • Ein planerisches Vorgehen nach einer längeren Zeit der Demütigung schließt eine Affekthandlung nicht aus.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Limburg an der Lahn wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. In einem gemeinsamen Urlaub hat der griechischstämmige Angeklagte seine griechische Frau erdrosselt.

    Die Ehefrau hatte den Arbeitslosen bereits seit Jahren gedemütigt. So beschimpfte sie ihn öfters im Beisein Dritter als „Waschlappen“ und warf ihm vor, „kein richtiger Mann“ zu sein. Auch erwähnte sie mehrfach, dass sie sich scheiden lassen und nach Griechenland zurückkehren möchte.

    Als es in einem Urlaub erneut zum Streit kam, bei dem die Frau den Angeklagten ohrfeigte und ankündigte, mit einem neuen Partner und den gemeinsamen Kindern nach Griechenland zu ziehen, nahm der Angeklagte seinen Gürtel und erdrosselte seine Ehefrau. Nach drei Minuten ließ er von ihr ab, erbrach sich, wechselte seine blutverschmierte Hose und verließ die Ferienwohnung. Aufgrund seines auffälligen Verhaltens wurde er am Hauptbahnhof von der Bundespolizei festgenommen.

    Das Landgericht verneinte hier einen schuldrelevanten Affekt, der zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen könnte. Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision. Der Bundesgerichtshof (BGH) teilt die Bedenken der Strafverteidigung.

  • Die reine Überlassung des „Personalwesens“ impliziert noch nicht, dass sämtliche betrieblichen Pflichten bezüglich der Personalangelegenheiten übernommen wurden.

    Der mitangeklagte Ehemann der Angeklagten war Geschäftsführer einer Reinigungsfirma. Diese sollte Toilettenanlagen in Kaufhäusern überwachen und reinigen. Die angestellten Mitarbeiter mussten die gesamte Zeit über anwesend sein. Vergütet wurde ihnen jedoch lediglich ihre tatsächliche Putzzeit, das waren rund vier Stunden pro Woche. Die angeklagte Ehefrau selbst war ebenfalls Beschäftigt und war für das Personalwesen des Unternehmens verantwortlich.
    Das Landgericht Hamburg verurteilte beide Angeklagten wegen 50 Fällen des Vorenthalten und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB. Sie hätten gegenüber den Sozialversicherungsträgern falsche Angaben gemacht. So besteht ein Mindestlohn für das Gebäudereinigungsgewerbe. Nach Ansicht des Landgerichts gehöre dazu auch die professionelle Reinigung von Toiletten. Hier müsste dann aber auch die Überwachungszeit vergütet werden, so dass durch die Angeklagten zu geringe Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.
    Die Strafverteidigung der Angeklagten richtet sich mit der Revision gegen das Urteil. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt grundsätzlich die Ansicht des Landgerichts. Die Arbeitsleistung unterfällt der Mindestlohnvereinbarung. Auch muss die Überwachungszeit der Angestellten als Arbeitszeit gewertet werden. Bezüglich der Strafbarkeit der angeklagten Ehefrau hat der BGH jedoch Bedenken.

    Das Landgericht hat angenommen, dass die Pflichten als Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB die Angeklagte nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB trifft. Die Frau sollte für das Personalwesen selbstverantwortlich sein. Tatsächlich war die Angeklagte für Einstellungen, Arbeitsanweisungen und Vereinnahmung des „Tellergeldes“ zuständig. Der BGH möchte hierdurch aber noch nicht den Schluss zulassen, dass sie damit auch sämtliche betrieblichen Pflichten bezüglich der Personalangelegenheiten übernommen hatte:

    „Hiergegen spricht entscheidend, dass dem Angeklagten D. K. die „Büroarbeit“ vorbehalten blieb. Neben finanziellen Fragen kann die „Büroarbeit“ aber im Wesentlichen nur die dem Betrieb gegenüber Behörden obliegenden Aufgaben betroffen haben, wozu im hervorgehobenen Maße auch die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern zählt. Nach den Urteilsfeststellungen beschränkte sich die Rolle der Angeklagten M. K. vorrangig auf diejenige einer fachlichen Vorgesetzten gegenüber dem Reinigungspersonal. Dies genügt aber nicht den Anforderungen an eine Beauftragung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB.“

    Aus diesem Grund ändert der Senat die Verurteilung dahingehend ab, dass sie nur noch wegen Beihilfe in 50 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt wird. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 12. September 2012, Az.: 5 StR 363/12


  • Wird eine Ausweiskontrolle nur deswegen durchgeführt, weil jemand eine dunkle Hautfarbe besitzt, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

    Darf die Hautfarbe eines Menschen der Grund für eine Polizeikontrolle sein? Diese Frage musste das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz) beantworten. Auslöser war eine Bahnfahrt im Dezember 2010. Dort wurde ein dunkelhäutiger Student von zwei Bundespolizisten kontrolliert. Dabei soll der Student die Polizisten beleidigt haben. Im Strafverfahren gegen den Studenten gestand ein Beamter, dass er gezielt dunkelhäutige Passagiere kontrolliere.
    Das Verwaltungsgericht Koblenz hielt dieses Vorgehen für rechtmäßig. Da die Beamten nur Stichproben durchführen könnten, müssten sie sich am Aussehen der Passagiere orientieren. Das OVG Rheinland-Pfalz sieht dies dagegen anders und stellt daher die Rechtswidrigkeit dieser Kontrolle fest. Eine Kontrolle, die alleine auf der Hautfarbe basiere, sei daher ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG.

    Das Verfahren selbst wurde dann jedoch im Einvernehmen beendet. Nachdem die beiden Polizisten sich beim Kläger entschuldigt hatten, erklärten alle Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit für erledigt. Das erstinstanzliche Urteil wurde aufgehoben, die Kosten des Verfahrens muss die Beklagte tragen.

    OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Oktober 2012, Az.: 7 A 10532/12.OVG


  • Quelle: Pressemitteilung vom Nr. 182/2012 vom 30.10.2012

    Der unter anderem für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des BGH (Bundesgerichtshof) hat vorgestern entschieden, dass die Meldung im Online-Archiv eines Internetangebots einer Nachrichtenzeitung über das Ermittlungsverfahren wegen falscher eidesstattlicher Versichung gegen einen Manager von Gazprom Germania GmbH zulässig sei, weil das öffentliche Informationsinteresse gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in diesem Fall überwiegen würde.

    Auszug aus der Pressemitteilung:

    Meldung im „Online-Archiv“ über Ermittlungsverfahren wegen falscher eidesstattlicher Versicherung
    gegen Gazprom-Manager zulässig

    Der Kläger ist „Direktor Finanzen und Controlling“ der Gazprom Germania GmbH. Von Ende 1985 bis Ende 1989 war er aufgrund einer eigenhändig verfassten Verpflichtungserklärung als „Offizier im besonderen Einsatz“ für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR tätig, wofür er monatliche Geldzahlungen erhielt. Im September 2007 gab er in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht eine eidesstattliche Versicherung ab, in der er erklärte, „niemals Angestellter oder sonst wie hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit“ gewesen zu sein. Nach Mitteilung des Sachverhalts durch das Landgericht leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung ein. Am 2. Oktober 2008 wurde das Verfahren nach Zahlung eines Geldbetrags gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.

    Die Beklagte betreibt das Internetportal www.welt.de. Dort hält sie auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten einen auf den 6. Mai 2008 datierten Artikel zum freien Abruf durch die Öffentlichkeit bereit, in dem unter namentlicher Bezeichnung des Klägers über dessen Stasivergangenheit und das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren berichtet wird. Die Meldung enthält einen „Nachtrag“, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Verfahren am 2. Oktober 2008 gegen Geldauflage gemäß § 153a StPO eingestellt wurde.

    Der Kläger sieht in dem Bereithalten der seinen Namen enthaltenden Altmeldung zum Abruf im Internet eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Mit der Klage verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, über das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren unter Namensnennung oder in identifizierender Weise zu berichten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

    Auf die Revision der Beklagten hat der u.a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Zwar liegt in dem Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf im Internet ein Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig, da das Schutzinteresse des Klägers hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten hat.

    Die namentliche Bezeichnung des Klägers in dem streitgegenständlichen Beitrag war zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Veröffentlichung im Mai 2008 rechtmäßig. In dem Beitrag wird wahrheitsgemäß und sachlich ausgewogen über die Einleitung und die Hintergründe des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger berichtet. Die besonderen Umstände der dem Kläger vorgeworfenen Straftat begründeten ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Bei der Gewichtung des Informationsinteresses sind die die Besonderheiten des Streitfalles, insbesondere die nunmehrige Funktion des Klägers, Anlass und Zweck der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass sich die Meldung kritisch mit der Frage auseinandersetzt, wie der Kläger mit seiner Stasi-Vergangenheit umgeht, und sie damit einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet.

    Das Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf ist auch weder durch die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO noch infolge des Abmahnschreibens des Klägers vom 7. Februar 2011 rechtswidrig geworden. Durch die Einstellung des Strafverfahrens hat die Meldung ihre Aktualität nicht verloren. Die Persönlichkeitsbeeinträchtigung, die durch die weitere Abrufbarkeit der Meldung über die Einleitung und die nachfolgende Einstellung des Strafverfahrens wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides Statt verursacht wird, ist nicht schwerwiegend. Demgegenüber besteht ein gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit an der Möglichkeit, sich durch eine aktive Suche nach der Meldung über die darin dargestellten Vorgänge und Zusammenhänge zu informieren.

    Urteil vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12

    Landgericht Hamburg – Urteil vom 12. August 2011 – 324 O 203/11

    Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg – Urteil vom 29. November 2011 – 7 U 80/11

    Karlsruhe, den 30. Oktober 2012


  • Beruft sich ein Zeuge auf Erinnerungslücken, muss das Landgericht erforschen, ob der Zeuge Fragen bezüglich dieses Themas gezielt vermeiden möchte.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Hagen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach Überzeugung des Landgerichts habe der Angeklagte mit der Lebensgefährtin seines Bruders in ihrem Bett eine DVD geschaut. Als die junge Frau einschlief, vermutlich auch aufgrund einer überdosierten Einnahme von Antidepressiva, soll der Angeklagte sie entkleidet und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen haben. Als die Frau aufwachte, ließ er sofort von ihr ab. Die Frau vertraute sich ihrem Lebensgefährten erst an, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger sei.

    Dagegen wehrte sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Ein besonderer Umstand, der eine Aussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB erlauben würde, kann auch die positive Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB sein.

    Das Landgericht Lüneburg verurteilte den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, da das Landgericht weder in der Person des Angeklagten noch in der Tat besondere Umstände erkannte, die für eine Aussetzung zur Bewährung sprechen würden. Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision.

    Die Revision hat Erfolg.

  • Da § 1 GWB auch die vertikale Absprache untersagt, müssen auch Nicht-Kartellmitglieder aus § 298 Abs. 1 StGB als Täter bestraft werden können.

    Der Angeklagte wurde vor dem Landgericht Mühlhausen zu einer Geldstrafe wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache bei Ausschreibung in 14 Fällen verurteilt. Der Angeklagte war Geschäftsführer eine Wohnungsgesellschaft. Seine Frau betrieb ein Unternehmen, das den An- und Verkauf und die Montage von Bauelemente sowie Baureparaturen durchführte.
    Dabei erhielt das Unternehmen der Ehefrau fast alle Aufträge der Wohnungsgesellschaft. Als das Baureparatur-Unternehmen jedoch in finanzielle Schwierigkeiten geriet, beschlossen der Angeklagte und seine Ehefrau, dass bei Ausschreibungen der Wohnungsgesellschaft neben dem Angebot des Unternehmens der Ehefrau nur noch fingierte Angebote abgegeben werden sollen. So erhielt das Unternehmen der Frau die begehrten Aufträge.

    Gegen die Verurteilung legte der Angeklagte die Revision ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt grundsätzlich fest, dass eine Absprache dann rechtswidrig sei, wenn sie gegen § 1 GWB verstöße. Während früher ausschließlich die horizontale Absprache untersagt war, also zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, untersagt die Strafnorm nach der Novellierung nunmehr auch die vertikale Absprache. Somit bestätigt der BGH, dass die vertikale Absprache zwischen der Wohnungsgesellschaft und dem Baureparatur-Unternehmen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllt.
    Ferner musste sich der BGH mit der Frage beschäftigen, ob der Angeklagte überhaupt Täter sein konnte. Denn bisher hatte der BGH offen gelassen, ob nur Kartellmitglieder Täter des § 298 StGB sein können. In der Literatur wird die Frage unterschiedlich beantwortet. Der BGH schließt sich der Literaturmeinung an, die auch eine Täterschaft von Personen außerhalb des Kartells annimmt:

    „Der Senat vertritt jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation der Beteiligung eines Veranstalters an einer auf einer Absprache beruhenden Angebotsabgabe die Auffassung, dass zumindest seit der Neuregelung von § 1 GWB auch dieser den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB täterschaftlich verwirklichen kann. Dessen Wortlaut steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Es handelt sich nicht um ein Sonderdelikt (Dannecker aaO Rn. 18; Fischer aaO Rn. 17; Heine aaO Rn. 17; Hohmann aaO Rn. 99; Lackner/Kühl aaO Rn. 6; Tiedemann aaO Rn. 13; aA Böse aaO Rn. 4);“

    Somit muss der Täter nicht selbst ein Angebot abgegeben haben. Da § 1 GWB auch die vertikale Absprache untersagt, muss auch der Veranstalter der Ausschreibung sich als Täter nach § 298 Abs. 1 StGB strafbar machen können. Aus diesem Grund verwirft der BGH die Revision des Angeklagten.

    BGH, Beschluss vom 25. Juli 2012, Az.: 2 StR 154/12


  • Ist die schwere körperliche Misshandlung bereits vor der Vergewaltigungshandlung beendet, so ist die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB nicht erfüllt.

    Der Angeklagte wurde wegen besonders schwerer Vergewaltigung vom Landgericht Bielefeld zu acht Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Nach Überzeugung des Landgerichts stritt sich der Angeklagte mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Als die Frau ihm ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete, verprügelte er die Geschädigte, bedrohte sie mit einem Küchenmesser und verletzte sie an der Hand. Anschließend warf er das Messer weg und vollzog mit der Geschädigten, die nicht mehr in der Lage war sich zu wehren, den Geschlechtsverkehr.

    Das Landgericht verneinte in diesem Fall die Qualifikation des Einsatzes einer Waffe nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB, weil der Täter die Waffe nicht mehr bei der Vergewaltigung verwendet habe. Gleichzeitig bejahte das Landgericht jedoch die Qualifikation wegen einer schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB. Dagegen richtet die Strafverteidigung ihre Revision.

  • Ausländer haben nicht automatisch eine schlechte Sozialprognose bezüglich der Aussetzung zur Bewährung gemäß § 52 StPO.

    Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dabei wurde die Freiheitsstrafe vom Landgericht Köln nicht zur Bewährung ausgesetzt, da das Gericht für den Angeklagten eine schlechte Sozialprognose stellte. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Hamburg, Frankfurt am Main u. Neumünster)

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