Nachrichten zum Strafrecht und zum Wirtschaftsstrafrecht (News-Meldungen)

  • Die mit Darmbakterien verunreinigten Infusionslösungen, die für den Tod von drei Säuglingen in der Uniklinik Mainz verantwortlich waren, basierten nicht auf Personalfehlern. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Mainz sei nicht davon auszugehen, dass den Mitarbeitern der Uniklinik Mainz ein Schuldvorwurf gemacht werden könne. Auch der Leiter des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Universität Bonn bestätigte, dass die Abläufe in der Uniklinik Mainz bei der Zubereitung der Infusionslösungen ein hohes Qualitätsniveau hätten, das auch im europäischen Vergleich zur Spitze zähle.
    Es sei möglich, dass die Bakterien durch kleine Beschädigungen der Flasche eingedrungen seien. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Flasche erst nach Abfüllung beschädigt worden ist. So etwa vom Transport vom Hersteller zum Importeur oder zum Zentrallager.
    (Quelle: FAZ vom 28.08.2010 Nr. 199, S. 9)

  • Das Bundesarbeitsgericht hat erneut eine Grundsatzfrage zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erörtern müssen. Diesmal ging es um die Frage, ob in Stellenanzeigen nach „jungen“ Bewerbern gesucht werden darf.
    Ein 51jähriger Mann hatte sich bei einer Fernsehproduktionsfirma beworben, die in ihrer Stellenausschreibung explizit nach jungen Bewerbern suchten. Dieser wurde nicht zu einem Bewerbungsgespräch geladen, stattdessen wurde eine 33jährige Frau eingestellt. Durch diese Diskriminierung habe der Kläger Appetitlosigkeit und Schlafstörungen erlitten. Dies sei „vergleichbar mit einer Tötung oder Körperverletzung“ argumentierte er vor Gericht. Er klagte auf ein Jahresgehalt sowie 25.000€ Schmerzensgeld.
    Das Bundesarbeitsgericht sah darin ebenfalls eine Diskriminierung. Eine solche Stellenausschreibung dürfe nicht gegen das Benachteiligungsgebot verstoßen. Die Stellen müssen altersneutral inseriert werden. Auch die Rasse, ethnische Herkunft, etwaige Behinderungen, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung oder Weltanschauung dürften hier nicht bei der Stellenvergabe Berücksichtigung finden. Zwar dürfe ein Höchstalter für Einstellungen festgesetzt werden, dies jedoch nur dann, wenn auf Grund der spezifischen Arbeitsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand dies objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.
    Der Kläger erhielt als Entschädigung ein Monatsgehalt zugesprochen.
    (Quelle: Bundesarbeitsgericht 8 AZR 530/09)

  • Strafrecht / Aktuelle Nachrichten

    Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Bundesinnenminister Thomas de Maizière haben sich auf die Neuregelung der Sicherungsverwahrung und die Regelung der Altfälle geeinigt.
    So sollen für Straftäter, die weiterhin als psychisch gestört und gefährlich gelten, die Möglichkeit bestehen diese in eine neuartige Therapie und Verwahrung einzuweisen. Eins entsprechendes Gesetz soll am kommenden Donnerstag vorgestellt werden. Für die Einrichtungen, in die die Straftäter eingewiesen werden, sollen die Länder zuständig sein.
    Die Bundesjustizministerin will zudem noch prüfen, ob auch bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassene Straftäter unter diese Regelung fallen sollen.
    Das neue Gesetz soll dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gerecht werden.
    (Quelle: FAZ vom 27.08.2010 Nr. 198, S. 1)

  • Das Amtsgericht Darmstadt hat die „No Angels“-Sängerin Nadja Benaissa zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Als Auflage wurden ihr 300 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Nach Ansicht des Gerichts ist während des Prozesses nachgewiesen worden, dass Benaissa einen ehemaligen Sexualpartner durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert habe.

    Das Gericht wertete es als erheblich strafmildernd, dass Benaissa zu Beginn des Prozesses ein umfangreiches Geständnis abgelegt habe. Dadurch habe sie zu verstehen gegeben, dass sie um ihr Fehlverhalten wisse und die Verantwortung übernehmen wolle.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt vom 27.08.2010, S. 30 )

  • BVerfG Beschluss vom 23. Juni 2010, Az. 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm sich drei Verfassungsbeschwerden eines in drei miteinander verbundenen Verfahrens an und hat am 23. Juni 2010  über die „Anwendung und Auslegung des Tatbestandes der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG entschieden“. Die Pressemitteilung sowie die Urteilsbegründung wurden vor kurzem veröffentlicht und geben einen Einblick in die Begründung.

    Die Beschwerdeführer sind wegen Untreue nach § 266 StGB verurteilt worden. Diese bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Schuldspruch.

    Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um einen Bereichsvorstand der Siemens AG, einem damaligen Vorstand einer Betriebskrankenkasse sowie um Vorstandsmitglieder der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG. Im ersten Verfahren wurden Gelder aus „schwarzen Kassen“ zur Bestechung in mehreren Fällen verwendet. Im zweiten Verfahren schädigte das Vorstandsmitglied das Vermögen der Betriebskrankenkasse dadurch, dass er Angestellten über Jahre neben dem Gehalt und bezahlten Überstunden weitere Prämien bewilligte und sich so über seinen Entscheidungsspielraum hinwegsetze. Im dritten Verfahren Wurde dem Vorstandsmitglied zu Last gelegt, „unter Verletzung ihrer der Bank gegenüber bestehenden  Informations- und Prüfungspflichten einen unzureichend gesicherten  Kredit für die Anschaffung und Modernisierung von Plattenbauwohnungen über knapp 20 Mio. DM bewilligt und ausgezahlt zu haben.

    Die Verfassungsbeschwerden in den ersten beiden Fällen wurden zurückgewiesen, die Verfassungsbeschwerde im dritten Verfahren hatte jedoch Erfolg. Der Beschluss des BGH sowie das Urteil des Landgerichts Berlin wurden dadurch aufgehoben und die Sache an das LG Berlin zurückverwiesen.

    In der Begründung verweisen die Richter des Bundesverfassungsgerichts auf die verfassungsrechtlichen Bedenken der Weite der Strafnorm der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG.

    Auszug aus der Urteilsbegründung:

    “Für den Gesetzgeber enthält Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot dementsprechend die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 75, 329 <340 f.>). Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. BVerfGE 101, 1 <34>; 108, 282 <312>) und dass er Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (Grundsatz der Normenklarheit, vgl. BVerfGE 93, 213 <238>), gelten danach für den besonders grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass die Normadressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 48, 48 <56 f.>; 92, 1 <12>).“

    Der Rechtsprechung sei demnach gehalten, „verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung  nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot)“. Jedoch ist nach Auffassung des Senats der Untreuetatbestand hiermit noch zu vereinbaren:

    Auszug aus der Pressemitteilung des Beschlusses vom 11. August 2010:

    „Der Untreuetatbestand ist mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG noch zu vereinbaren. Zwar hat das Regelungskonzept des Gesetzgebers – im Interesse eines wirksamen und umfassenden Vermögensschutzes – zu einer sehr weit gefassten und verhältnismäßig unscharfen Strafvorschrift geführt. § 266 Abs. 1 StGB lässt jedoch das zu schützende Rechtsgut ebenso klar erkennen wie die besonderen Gefahren, vor denen der Gesetzgeber dieses mit Hilfe des Tatbestandes bewahren will. Der Untreuetatbestand lässt eine konkretisierende Auslegung zu, die die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion grundsätzlich als tragfähig erwiesen hat.“

    Hiervon ausgehend ist in der Auslegung im dritten Verfahren gegen die Vorstände der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG der Tatbestand der Untreue nach §266 Abs. 1 StGB nicht erfüllt.

    Das Landgericht Berlin sah im konkreten Fall einen Gefährdungsschaden, der bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung und Auszahlung des Kredits eingetreten sei, da „der durch Auszahlung des Kreditbetrags eingetretenen Vermögensminderung ein gleichwertiger Vermögenszuwachs in Form des Rückzahlungsanspruchs nicht gegenübergestanden habe, soweit die Rückzahlung mangels ausreichend werthaltiger Sicherheiten nicht gewährleistet gewesen sei.“

    Die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens führt zu einer Überdehnung des Untreuetatbestandes durch eine Gleichsetzung von „gegenwärtigem Schaden und zukünftiger Verlustgefahr“. Der Gefahr, die Strafbarkeit des Untreueversuchs dadurch zu unterlaufen, kann allerdings dadurch entgegen gewirkt werden, indem der Gefährdungsschaden von den Gerichten in „wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise nach anerkannten Bewertungsverfahren und –maßstäben festgestellt“ wird. Sei es durch Hinzuziehung eines Sachverständigen.

    Doch gerade dieses ist in dem konkreten Fall nicht erfolgt.

    So heißt es in der Pressemitteilung des BVerfG:

    “Die Entscheidungen des Landgerichts und des Bundesgerichtshofs verletzen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie einen Vermögensschaden angenommen haben, obwohl keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende, wirtschaftlich nachvollziehbare Feststellungen zu dem Nachteil getroffen wurden, der durch die pflichtwidrige Kreditvergabe der Beschwerdeführer verursacht worden sein könnte. Dass nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs die als Vorstandsmitglieder verantwortlichen Beschwerdeführer ein allzu weites Risiko eingegangen sind, indem sie die Kreditgewährung für das Gesamtkonzept pflichtwidrig unter Vernachlässigung anerkannter deutlicher Risiken und Negierung vielfältiger Warnungen fortsetzten, ersetzt nicht die Feststellung eines konkreten Schadens.“

    Folglich hat die Verfassungsbeschwerde der Vorstände Erfolg, in den beiden vorherigen Fällen jedoch nicht. Das Verfahren ist an das LG Berlin zurückverwiesen.

  • Die vom Pharmakonzern Bayer produzierten Verhütungsmittel „Yasmin“ und „Yas“ sollen ein möglicherweise erhöhtes Thrombose-Risiko bei den einnehmenden Frauen hervorrufen. Bayer ist daher in den USA mit einer Klagewelle konfrontiert. Inzwischen handele es sich um 2700 Klagen gegen den Konzern. Im April waren es noch 1750 Klagen.
    Dies führte zu einem Umsatzrückgang des Konzerns. Dennoch gibt sich der Konzernchef für das Jahr 2010 weiter optimistisch.
    (Hamburger Abendblatt online vom 29.07.2010)

  • Das Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen befand die Leistungen für Asylbewerber als nicht zureichend für eine menschenwürdige Existenz und damit als verfassungswidrig.

    Seit 1993 wurden die Leistungen für Asylbewerber nicht mehr angehoben. Nach Ansicht des Gerichts reiche der gezahlte Satz, im Gegensatz zu Harz IV, nicht aus, um das Existenzminimum zu sichern.  Das Landessozialgericht hatte über die Klage eines alleinstehenden Irakers zu entscheiden, der in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber untergebracht ist. Er erhielt monatlich 224,97 €, dieser Satz bezieht nicht die Leistungen für Unterkunft, Heizung und Hausrat mit ein. Damit bekam der Asylbewerber deutlich weniger als ein Hartz-IV-Empfänger.

    Das Landessozialgericht setzte nun das Klageverfahren aus und legte die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bedarfssätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dem Bundesverfassungsgericht vor.
    (Hamburger Abendblatt online vom 28.07.2010)

  • Das Hamburger Landgericht hat den derzeit noch im Amt befindlichen Finanzvorstand und den ehemaligen Vorstandschef des Mobilfunkkonzerns Freenet wegen Insiderhandels verurteilt. Der derzeit noch amtierende Finanzvorstand wurde zu 324 000€, der ehemalige Vorstandschef zu 327 000€ verurteilt.
    In dem Verfahren ging es um Aktienoptionen, die die beiden Manager im Juli 2004 ausgeübt hatten. Als Freenet im August 2004 die Zahlen für das zweite Quartal vorlegte, verloren die Akten stark an Wert, weil der Konzern in dieser Zeit viele Kunden verloren hatte. Das Hamburger Landgericht ist davon überzeugt, dass die beiden Manager zu dieser Zeit die Zahlen kannten.
    (FAZ vom 28.07.2010 Nr. 172, S. 14)

  • Die Aareal Bank konnte als erste deutsche Bank einen Teil ihrer staatlichen Kapitalhilfen zurückzahlen. Dabei fließen 150 Millionen Euro zurück an den Bankenrettungsfond Soffin. Auf die weitere Rückzahlung der dann noch ausstehenden 375 Millionen Euro wollte sich die Aaareal Bank noch nicht festlegen.
    Zunächst war geplant, dass die Rückführung der staatlichen Hilfe erst Anfang 2011 erfolgen sollte, jedoch konnte dies aufgrund der guten geschäftlichen Entwicklung nun ein halbes Jahr früher beginnen.
    Neben der Aareal Bank haben die Commerzbank, die Hypo Real Estate und die West LB Gelder von Soffin erhalten. Die Aareal Bank ist jedoch die einzige, die bereits mit der Rückzahlung begonnen hat.
    (FAZ vom 29.06.2010 Nr. 147, S. 12)

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung eines nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten auf der Grundlage seines Patientenwillens nicht strafbar ist. Es handele sich hierbei nicht um einen strafbaren Totschlag, sondern um straflose sog. passive Sterbehilfe.
    Damit stärkt der BGH den Patientenwillen. Indem er auf Behandlungswünsche und den mutmaßlichen Patientenwillen abstellt, werden auch solche Patienten erfasst, die keine Patientenverfügung, also eine schriftliche Festlegung möglicher Behandlungen im Krankheitsfalle, getätigt haben.
    (Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09)

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Hamburg, Frankfurt am Main u. Neumünster)

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