Gerichtsurteil

  • BGH, Beschluss vom 07.12.2010, Az.: 3 StR 434/10

    Das Landgericht Duisburg hat den Angeklagten K. wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 51 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Angeklagten S. und Ku. hat es des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in 35 Fällen schuldig gesprochen und gegen sie Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren bzw. zwei Jahren und neun Monaten verhängt.

    Gegen diese Entscheidung wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.

    Im vorliegenden Fall ging es darum, dass die Angeklagten Betrugstaten zu Lasten von Mobilfunkbetreibern begangen haben sollen. Dabei hatte jeder der Angeklagten einen anderen „Tatbeitrag“ zu erfüllen. Der Angeklagte K. unterstützte die Taten mit einem Darlehn in Höhe von 5000-6000 Euro. Die Angeklagten S. und Ku. erstellten insbesondere Ausweise und Debitkarten nicht existenter Personen.

    Der BGH beanstandete die Entscheidung:

    „Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden; maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrags oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 – 3 StR 52/01, wistra 2001, 336; BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840).“

     

    „Bei einer Serie von Straftaten mehrerer Angeklagter ist sorgfältig auf eine geordnete und übersichtliche Darstellung der einzelnen Taten zu achten, um Fehler zu vermeiden. Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.“

    So ist dies nach der Entscheidung des BGH auch im vorliegenden Fall gewesen. Das Landgericht habe den individuellen Tatbeitrag der Angeklagten zu der jeweiligen Tat nicht konkret genug benannt. Vielmehr seien die Beiträge nur pauschal umschrieben. Daher hat der BGH das Urteil auf die Revision aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.


  • Der Angeklagte wurde vom Landgericht Hagen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Urteilsformel beträgt die Strafe drei Jahre, laut Urteilsgründen ist eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten tat- und schuldangemessen.

    Auf diese Divergenz stützt sich die Revisionsbegründung.

  • Der Angeklagte hatte gegen ein amtsgerichtliches Urteil Berufung eingelegt. Am Tag der Berufungsverhandlung erschien er zunächst nicht zur angesetzten Zeit um 9.10 Uhr. Er ließ  telefonisch mitteilen, dass er mit einer Verspätung von einer Stunde und 15 Minuten ankommen wird.

  • Trotz eines 1993 zweifelsfrei begangenen Mordes an zwei Männern, muss das Landgericht Dresden nun erneut über die Schuld des  Tat entscheiden.
    Der Täter wurde 1994 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und saß daher nun bereits 17 Jahre in Haft. Damals sah das Gericht – bestätigt durch einen Sachverständigen – es als unstreitig an, dass der Mann voll schuldfähig war. Während der Haftzeit allerdings kamen daran Zweifel auf.
    Daraufhin wurde der Mann im letzten Jahr aus der JVA entlassen und in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.

    In diesem Jahr musste das Landgericht Chemnitz über die Tat erneut urteilen und sprach den Mann wegen Schuldunfähgkeit gemäß § 20 StGB frei, da ihm eine Schizophrenie attestiert wurde. Allerdings wurde die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Da der Täter  17 Jahre in Haft verbracht hat, stünde ihm grundsätzlich eine Haftentschädigung zu, diese wurde ihm aber verweigert.
    Der BGH hat den Freispruch des Mannes bestätigt, allerdings die Unterbringung durch das Landgericht kritisiert, da keine ausreichende Prüfung erfolgt sein soll.
    Daher hat sich das Landgericht Dresden nun sowohl mit der Frage der Unterbringung als auch der Haftentschädigung zu befassen, auch wenn seit der Tat 17 Jahre vergangen sind.

    (Quelle: taz online vom 03.07.2011)


  • OLG Köln, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: III – 1 – RVs 68/11

    Das OLG Köln hob in der Revision ein landgerichtliches Urteil im Strafausspruch auf. Grund hierfür war ein Fehler bei der Strafzumessung.

    Das Landgericht Köln urteilte:

    „Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne ist zugunsten des Angeklagten sein umfassendes, auch bereits in erster Instanz abgelegtes Geständnis zu berücksichtigen, durch das er eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart hat. Eine echte Reue und Einsicht in das Unrecht der Taten vermag die Kammer trotz der erfolgten Schadenswiedergutmachung erst ansatzweise bei dem Angeklagten festzustellen und ihm nur im geringen Umfang zugutezuhalten. Dass er die Dimension seiner Taten noch nicht richtig erkannt hat, wurde auch dadurch deutlich, dass er durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung geltend machen ließ, das Unrecht der Taten könne nunmehr mit einer Einstellung nach § 153 a StPO hinreichend geahndet werden.“

    Auf die erfolgreiche Revision des Anklagten hat das  OLG Köln  zutreffend ausgeführt, dass die Anregung zu einer Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO nicht die innere Haltung des Angeklagten wiedergeben. Erst Recht könne daraus nicht geschlossen werden, dass bei dem Täter Einsicht und Reue fehlen würden. Zudem kam die Anregung im vorliegenden Fall vom Strafverteidiger des Angeklagten und nicht von diesem selbst.

    Das OLG führte dazu aus:
    „Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und eine vollständige Schadenswiedergutmachung anstrebt, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Taten – wie auch das Ergebnis der Strafzumessung des Landgerichts erweist – noch dem Bereich der mittleren Kriminalität zugeordnet werden können und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist, lässt die Anregung einer Einstellung nach § 153 a StPO keine innere Einstellung erkennen, die auf fehlende Reue und Einsicht hindeutet. Sie ist erkennbar von dem – wenn auch unrealistischen – Wunsch nach günstiger Verfahrensgestaltung geprägt und überschreitet die Grenze angemessener Verteidigung nicht.”

    Eigentlich eine selbstverständliche Entscheidung, die auch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang steht, dass einem Strafbefehl nicht ohne weitere eine Geständnisfunktion innewohnt und deshalb nicht nur unter Verweis auf einen Einspruch gegen den Strafbefehl mit der Begründung, es entfalle eine Geständnisfiktion, die Strafe erhöht werden kann.


  • Das Landgericht München I verurteile den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten.

    Nach Beschluss des BGH vom 14.12.2010  ist die vom Angeklagten eingelegte Revision nach § 349 II StPO unbegründet (Az.: 1 StR 275/10).

    Der BGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Strafbarkeit gemäß § 370 I Nr. 1 AO auch gegeben ist, wenn die Finanzbehörden Kenntnis des zu Grunde liegenden Sachverhalts und zudem Zugang zu den Beweismitteln hatten.
    Das Landgericht hielt diesen Umstand für irrelevant, da es bei der Strafbarkeit nach § 370 I Nr. 1 AO nicht darauf ankäme, dass die Behörden getäuscht werden. Die Täuschung ist folglich – anders als es beim Betrug der Fall ist – keine Tatbestandsvoraussetzung. Es geht lediglich um die falschen Angaben, wobei es also egal ist, ob die Behörden die Unrichtigkeit kennen oder nicht.

    Diese Rechtsprechung bestätigte der BGH.


  • Der BGH hat mit Urteil vom 17.02.2011 bestätigt, dass auch bei einer Absprache die Festlegung auf eine Punktstrafe unzulässig ist und die Voraussetzungen des § 257c StPO nicht erfüllt.

    Zuvor verurteile das Landgericht Düsseldorf den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Dabei erfolgte im Prozess eine Absprache, welche grundsätzlich nach § 257c StPO zulässig ist.

  • 3. Strafsenat des OLG Düsseldorf, Az.: III-3 RVs 117/10

    Im vorliegenden Fall erachtete der 3. Strafsenat die Ausführungen des LG zur Strafzumessung als rechtsfehlerhaft an, da sie einen Erörtungsmangel enthielten.
    Dies sei hinsichtlich § 46 I 2 StGB der Fall. Hier sei zu berücksichtigen, welche Wirkung die Strafe für das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft entfalten könne. Zu diesen Wirkungen sei auch der drohende Widerruf einer Bewährungsaussetzung. Hierauf sei das LG nicht eingegangen.

    Aus dem Wortlaut des Beschluss:

    „Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Wertung ist im Zweifelsfall zu respektieren (vgl. BGH NStZ 1982, 114; BGH NStZ 1984, 360) Das Revisionsgericht darf jedoch denn eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteil in sich rechtsfehlerhaft oder lückenhaft sind, was dann der Fall ist, wenn der Tatrichter tragende Strafzumessungsgründe nicht bar. nicht vollständig bedacht und erörtert hat (vgl. BGH NJW 1976, 2355).“


  • Das Landgericht Darmstadt hat einen Mann zu achteinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Es soll sich um mehr als 20 Taten gehandelt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung gefordert.

    Bei dem Verfahren handelt es sich um eines der größten in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt neun Angeklagte gab es. Hiervon sind sieben bereits verurteilt. Es wurden 100.000 Pornodateien sichergestellt.
    Die Bande hatte nach Ansicht des Gerichts im Internet massenweise Kinderpornos getauscht. Der Angeklagte hatte zwar auch zugegeben, kinderpornografische Schriften besessen zu haben, dieser Vorwurf wurde jedoch im Hinblick auf den schwerwiegenderen Vorwurf des Kindesmissbrauchs eingestellt.
    (Quelle: spiegel-online vom 19.01.2011)


  • 3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 30/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden.

    Mit der hiergegen eingewendeten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat der Angeklagte Erfolg.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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