Auch bei einem Freispruch müssen die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Urteil erwähnt werden.
Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, dass er das einjährige Kind seiner Lebensgefährtin so stark misshandelt haben soll, dass es an den Verletzungen starb. Der Angeklagte machte vor der Polizei und dem Landgericht unterschiedliche Angaben zum Tatgeschehen. Mal sei er auf das Kind gefallen, dann habe er es doch geschüttelt, ein anderes Mal solle das Kind selbst auf der Couch zusammengebrochen sein und einmal sagte der Angeklagte aus, das Kind habe bereits im eigenen Bett den Zusammenbruch erlitten.
Das Landgericht sprach daraufhin den Angeklagten zumindest vom Totschlag frei.
Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen dieses Urteil ein.
Wiederholt eine Person die Falschbeschuldigung gegenüber einer anderen Polizeidienststelle, so liegt lediglich eine rechtliche Tat vor.
Der Angeklagte wurde auf offener Straße mit einem Hammer angegriffen. Gegenüber der Polizei teilte der Angeklagte wahrheitswidrig mit, dass er sah, wie der mutmaßliche Täter die Tatwaffe in einen Pritschenwagen legte. Dabei wollte er den Fahrer des Pritschenwagens erkannt haben. Als Motiv hält er einen Auftragsmord von einer weiteren Person für möglich, die möglicherweise als Beifahrer im Fahrzeug saß. Zwar erkannte er den Beifahrer nicht, jedoch hätte die Statur ihm geglichen. Bei einer zweiten Vernehmung, auf einem anderen Polizeipräsidium, wiederholte der Angeklagte den Vorwurf.
Wer beim Verkehr mit Betäubungsmitteln (Drogen) eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind (BtMG, § 30a (2)), kann im Falle sonstiger Gegenstände (normalerweise) nur dann dafür bestraft werden, wenn er den Gebrauchsgegenstand zum Verletzen einer Person auch wirklich subjektiv bestimmt hat.
Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.
Der Angeklagte soll nach der Feststellung des Gerichts in den Niederlande 50,9 g Heroin und 9,6 g Kokain erworben haben. Nach seiner Rückkehr wurde er von der Polizei angehalten und die Beamten stellten die zum Weiterverkauft bestimmten Drogen sicher. Ebenfalls führte der Angeklagte in seiner Jackentasche griffbereit ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7,5cm mit sich.
Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision der Strafverteidigung.
Vor acht Jahren kam ein Afrikaner in einer Dessauer Arrestzelle um sein Leben. Der Mann soll in der Zelle mit einem Feuerzeug eine Matratze entzündet haben und das, obwohl er an Armen und Beinen gefesselt war.
Im Dezember 2008 wurde der Angeklagte vom Landgericht Dessau vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch auf und so wurde vor dem Landgericht Magdeburg erneut verhandelt. Die Anklage lautete zum Beginn des Verfahrens noch auf Körperverletzung mit Todesfolge, dieser Verdacht erhärtete sich im Prozess jedoch nicht.
Konkret vorgeworfen wurde dem damaligen Dienstgruppenleiter, dass er den Feueralarm ausgeschaltet hatte, ohne in die Zelle vorher zu schauen. Die Nebenklage bezweifelte darüber hinaus, dass der eingesperrte Mann noch in der Lage war, selbst das Feuer zu legen. Für diese Theorie fand die Staatsanwaltschaft jedoch keine weiteren Anhaltspunkte. Ferner kam es dem Angeklagten zu Gute, dass er selbst beim pflichtgemäßen Handeln den Mann nicht mehr hätte retten können.
Die Anklage plädierte auf eine Geldstrafe in Höhe von 6.300 Euro. Die Strafverteidigung sah dagegen eine Verkettung unglücklicher Umstände und einen Unglücksfall. Sie forderte für ihren Mandanten einen Freispruch. Das Landgericht Magdeburg verurteilte den Polizisten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro.
Möchte die Polizei zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Personalien feststellen, muss sie die Person zuvor belehren.
Der Angeklagte wurde wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB vom Amtsgericht zu 50 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Die Strafverteidigung rügt das Urteil mittels Sprungrevision vor dem Oberlandesgericht Hamm.
Die Änderungen bezüglich der heimlichen Erhebung von Daten verstoßen gegen die Thüringer Verfassung
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof (ThürVerfGH) hat einstimmig die Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes im Jahr 2008 für überwiegend nicht vereinbar mit der Thüringer Verfassung erklärt. Bei den Änderungen ging es insbesondere um Befugnisse der Polizei zur heimlichen Erhebung von Daten. So beinhaltet dieses zum Beispiel die Telefonüberwachung, das Verwanzen von Wohnungen und den Einsatz verdeckter Ermittler.
Der Verfassungsgerichtshof kritisiert vor allem, dass der Grundsatz der Normenklarheit nicht hinreichend beachtet wurde. So bleibe unklar, inwieweit Berufsgeheimnisträger von den polizeilichen Maßnahmen ausgenommen seien. Auch sieht das Gesetz keine Vorschrift vor, die einen Abbruch der Überwachung vorschreibt, sobald der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist. Dies gebietet jedoch der Schutz der Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.
Ebenfalls wird kritisiert, dass das Gesetz die nachträgliche Benachrichtigung einer heimlichen Überwachung dann für entbehrlich hält, wenn der verdeckte Ermittler zukünftig erneut eingesetzt werden soll. Die Richter sehen in dem Benachrichtigungsrecht jedoch einen grundrechtlich gesicherten Anspruch. Ausnahmen davon müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.
Bis zum 30. September 2013 hat der Gesetzgeber nun Zeit eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die Normen weiterhin nach Maßgabe der Urteilsgründe angewandt werden.
ThürVerfGH, Urteil vom 21. November 2012, Az.: 19/09
Die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG schützt nicht Gegenstände, die lediglich der Bequemlichkeit dienen.
Mehrere Personen haben sich aus der gesamten Republik auf den Weg nach Berlin gemacht, um gegen die unmenschlichen Asylzustände in Deutschland zu protestieren. Unter dem Motto „Bleiberecht für alle, Abschaffung der Residenzpflicht“ halten sie eine Dauermahnwache vor dem Brandenburger Tor ab.
Der Polizeipräsident in Berlin verbot den Veranstaltern der Mahnwache die Nutzung von „dem Witterungsschutz dienenden“ Gegenständen. Darunter fallen Zelte, Schlafsäcke, Isomatten, aber auch Planen und Pappen. Da gegen diese Anordnung verstoßen wurde, nahmen Polizeibeamten den Demonstranten die Gegenstände ab.
In einem Eilverfahren beschloss die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin nun, dass dieses Vorgehen rechtmäßig war. Das Gericht führt aus, dass die grundgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit nur die Verwendung solcher Gegenstände schützt, die unmittelbar für die Versammlung wesensnotwendig seien.
Bei den beschlagnahmten Sachen handele es sich aber lediglich um Gegenstände, die der Bequemlichkeit der Teilnehmer dienen. Nur bei längeren Versammlungen könnte ein zeitweiliges Ausruhen der Versammlungsteilnehmer von Art. 8 GG geschützt sein. Da das Bezirksamt Berlin-Mitte jedoch vier Wärmebusse duldet, sei der Schutz vor der Kälte ausreichend gewährleistet.
Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
VG Berlin, Beschluss vom 2. November 2012, Az.: VG 1 L 299.12
Ein Banner bei einem Fußballspiel mit „A.C.A.B.“ kann grundsätzlich eine Beleidigung der anwesenden Polizisten sein.
Ein Fußballfan hielt im Fanblock des Zweitligisten Karlsruher SC ein großes Banner mit der Abkürzung „A.C.A.B.“ hoch. Die Abkürzung steht für „all cops are bastards“. Das Landgericht Karlsruhe hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe vermisste dagegen eine geschlossene Darstellung der Tatsachen zur objektiven und subjektiven Tatseite und hob den Freispruch auf. Zusätzlich wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass für die neue Hauptverhandlung vor allem die Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG beachtet werden müsste. Erlaubt das Banner mehrere Auslegungen, so sei diejenige Auslegung anzunehmen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Vor allem muss das Landgericht sich mit der Frage beschäftigen, ob das Banner lediglich ein nicht beleidigungsfähiges unüberschaubares Kollektiv, das die Polizei grundsätzlich ist, anspricht, oder ob eine beleidigungsfähige abgrenzbare Gruppe der Polizei, zum Beispiel die Beamten vor Ort, gemeint ist.
Grundsätzlich gesteht das OLG Karlsruhe der Abkürzung A.C.A.B. jedoch beleidigenden Charakter zu. Denn die Bezeichnung als „Bastard“ legt einen beleidigenden Charakter im Sinne des § 185 StGB nahe. Auch müsse berücksichtigt werden, dass die Bezeichnung als „Bastard“ nicht als Kritik am Polizeieinsatz gesehen werden könne, da kein Bezug zur polizeilichen Tätigkeit bestünde. Daher liegt der Fall anders, als wenn Polizisten bei einer Verkehrskontrolle als „Wegelagerer“ bezeichnet werden.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2012, Az.: 1 (8) Ss 64/12- AK 40/12
Wird eine Ausweiskontrolle nur deswegen durchgeführt, weil jemand eine dunkle Hautfarbe besitzt, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
Darf die Hautfarbe eines Menschen der Grund für eine Polizeikontrolle sein? Diese Frage musste das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz) beantworten. Auslöser war eine Bahnfahrt im Dezember 2010. Dort wurde ein dunkelhäutiger Student von zwei Bundespolizisten kontrolliert. Dabei soll der Student die Polizisten beleidigt haben. Im Strafverfahren gegen den Studenten gestand ein Beamter, dass er gezielt dunkelhäutige Passagiere kontrolliere.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hielt dieses Vorgehen für rechtmäßig. Da die Beamten nur Stichproben durchführen könnten, müssten sie sich am Aussehen der Passagiere orientieren. Das OVG Rheinland-Pfalz sieht dies dagegen anders und stellt daher die Rechtswidrigkeit dieser Kontrolle fest. Eine Kontrolle, die alleine auf der Hautfarbe basiere, sei daher ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG.
Das Verfahren selbst wurde dann jedoch im Einvernehmen beendet. Nachdem die beiden Polizisten sich beim Kläger entschuldigt hatten, erklärten alle Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit für erledigt. Das erstinstanzliche Urteil wurde aufgehoben, die Kosten des Verfahrens muss die Beklagte tragen.
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Oktober 2012, Az.: 7 A 10532/12.OVG
Das freiwillige Einräumen von Falschbeschuldigungen erhöht nicht die Glaubwürdigkeit.
Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, seine Tochter unter dem T-Shirt an die Brust und in die Schlafanzughose im Schambereich gegriffen zu haben. Ebenfalls soll er das Mädchen aufgefordert haben, sich komplett auszuziehen. Dies hatte die Tochter bei der Polizei ausgesagt. In der Hauptverhandlung verweigerten die geschädigte Tochter, ihre Mutter, Großmutter und Schwester die Aussage.
Bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung zuvor gestand die Tochter, dass die bei der Polizei erhobenen Vorwürfe zum Teil erlogen wären. Dies tat sie, um sich an ihren Vater zu rächen. Trotzdem glaubte das Landgericht Chemnitz der Zeugin in den restlichen Fällen und verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Dagegen legte die Strafverteidigung die Revision ein.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt fest, dass bei einer „Aussage gegen Aussage“-Situation das urteilende Gericht alle Umstände, die für die Entscheidung erheblich sind, einbeziehen muss. Das Landgericht wertete die Angabe des Mädchens so, dass es teilweise gelogen hatte, so dass dadurch erst recht die Glaubwürdigkeit bezüglich der restlichen Vorwürfe steigen würde. Dies sieht der BGH anders:
„Diese Erwägungen greifen zu kurz. Die – vom Landgericht unterstellte – Lüge gerade hinsichtlich der gewichtigsten bei der Polizei erhobenen Vorwürfe stellte die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin insgesamt in schwerwiegender Weise in Frage. Das Landgericht hat schon nicht geprüft, ob das Motiv der Rache auch für eine mögliche Falschbelastung des Angeklagten im Verurteilungsfall in Betracht kam. Wesentlich erschwerend tritt hinzu, dass das Tatgericht sich keinen unmittelbaren Eindruck von der Zeugin verschaffen und eine fundierte Glaubhaftigkeitsprüfung auf der Grundlage aussagepsychologischer Methoden nicht durchführen konnte, da hierfür im Hinblick auf die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts durch die Zeugin zu wenig Aussagematerial zur Verfügung stand.“
Daher hätten weitere Gründe für die Glaubwürdigkeit der Zeugin vorliegen müssen. Diese hat das Landgericht in seiner Urteilsbegründung jedoch nicht erwähnt. Der BGH geht nicht davon aus, dass ein neues Tatgericht zu einer Verurteilung des Angeklagten gelangen könnte. Aus diesem Grund hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg und der Angeklagte wird vom Senat freigesprochen.
BGH, Beschluss vom 12. September 2012, Az.: 5 StR 401/12
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner