Staatsanwaltschaft

  • Zunächst hatte das Amtsgericht den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt.

    Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, welche sich auf das Strafmaß beschränkte. Das Landgericht verurteile den Angeklagten daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Die Verteidigung des Angeklagten hatte in der Verhandlung einen Beweisantrag gestellt. Danach sollten die Verfahrensbeteiligten der ersten Instanz vernommen werden.

  • 1. Strafsenat des OLG Frankfurt/Main, Az.: 1 Ws 29/09

    In der Anklageschrift wird den Angeschuldigten zur Last gelegt im Zeitraum August 2006 bis zum Zeitpunkt der Anklageerhebung (der Angeschuldigte A durch 22 rechtlich selbständige Handlungen, die Angeschuldigte C durch 12 rechtlich selbständige Handlungen), teilweise gemeinschaftlich handelnd, sich wegen gemeinschaftlichen Betrugs strafbar gemacht zu haben.
    Den Angeschuldigten sollen eine kostenpflichtige Websites betrieben haben, deren Layout durch seine Gestaltung die Kostenpflichtigkeit und den Umstand, dass eine Nutzung den Abschluss eines drei- bis sechsmonatigen Abonnements zu Preisen bis zu € 59,95 Euro nach sich zieht, in den Hintergrund treten lasse. Dabei hätten die Angeschuldigten die Websites bewusst so gestaltet, dass die Kostenpflichtigkeit der Seite und der Vertragsschluss weder offensichtlich noch deutlich erkennbar seien, so dass die Nutzer der Websites zu nicht bewussten Vertragsabschlüssen verleitet worden seien.
    Das LG lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da es die Annahme, in dem Betreiben der Websites liege eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB, verneinte. Allein der Umstand, dass die Kostenpflichtigkeit möglicherweise nicht auf den ersten Blick erkennbar sei, trage Annahme einer Täuschung nicht.
    Gegen diesen Beschluss legte die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde ein.

    Nach Ansicht des OLG sei die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft zulässig und begründet. Das Hauptverfahren sei zu eröffnen gewesen, da eine Verurteilung der Angeschuldigten gemäß § 203 StPO hinreichend wahrscheinlich sei. Der hinreichende Tatverdacht gründe sich auf die in der Anklage genannten Beweismittel.

    Aus dem Wortlaut des Beschluss:

    „In dem Betreiben der Websites liegt nach Auffassung des Senats auch unter Beachtung der engen Wortlautbindung im Strafrecht eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB.
    Zutreffend hat das LG allerdings hervorgehoben, dass eine ausdrückliche Täuschung nicht in Betracht kommt.
    Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Vorliegend wird diese Voraussetzung durch das Betreiben der hier gegenständlichen Websites erfüllt.
    Die Angeschuldigten gehören zu dem Personenkreis, der Letztverbrauchern geschäftsmäßig Leistungen anbietet, so dass sie nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV in der zur Tatzeit gültigen Fassung verpflichtet waren, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile für die Leistungen zu zahlen sind. Dieser Verpflichtung kamen sie nicht nach.
    Im Zusammenhang mit der Erkennbarkeit der Preisangabe ist auch zu berücksichtigen, dass ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher als Nutzer der hier gegenständlichen Websites nicht erwarten muss, dass die angebotenen Leistungen kostenpflichtig sind.
    Aufgrund des nicht den gesetzlichen Anforderungen genügenden, unzureichenden Hinweises auf die Entgeltlichkeit der Leistung ist daher ein konkludentes Miterklären der Unentgeltlichkeit zu bejahen.
    Hätten die Angeschuldigten wirklich die Kenntnisnahme der Nutzer von der Kostenpflicht bezweckt, so hätte es nahe gelegen, wenn sie statt des Einfügens eines umständlichen Zwischenschrittes über den Sternchenhinweis direkt bei den bei Aufruf der Seite sichtbar werdenden Informationen über die Leistung auch gleich Angaben zu deren Entgeltlichkeit angebracht hätten.“

    Der Nichteröffnungbeschluss des LG wurde aufgehoben und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt eröffnet und zur Hauptverhandlung zugelassen.


  • 3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 54/11

    Der Angeklagte ist unter anderem wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen angeklagt gewesen. Das Landgericht Mönchengladbach hat ihn freigesprochen. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) verworfen.

    Auszug aus den Gründen der Strafkammer:

    „Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen sowie des Bandendiebstahls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und entschieden, dass er für die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Sie beanstandet mit der Sachrüge Rechtsfehler in der Beweiswürdigung.

    Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist aus den zutreffenden Gründen in dessen Zuschrift vom 25. Februar 2011 offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.“

    In Fällen wie diesen, in denen sich selbst der Generalbundesanwalt (GBA) der Revision der Staatsanwaltschaft nicht anschließt, stehen die Verteidigungschancen gut, wie auch diese Entscheidung zeigt. Auch für die Staatsanwaltschaft gilt der Grundsatz, dass die Beweiswürdigung nur eingeschränkt auf revisionserhebliche Fehler durch das Revisionsgericht überprüft werden kann, obgleich in jüngeren Entscheidungen dieser Grundsatz wiederholt bei Revisionen gegen Freisprüchen aufgeweicht worden ist. Insofern eine Entscheidung gegen den momentan vorherrschenden „Trend“.


  • Das Landgericht Verden verhandelt den 24 Jahre zurückliegenden Mord an einem Mädchen. Der damals 19-Jährige Angeklagte habe seine Bekannte nach einem Disco-Besuch in Bremervörde im Kreis Rotenburg gefesselt, geknebelt und mit mehr als 60 Messerstichen heimtückisch umgebracht, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Zudem hätten besonders niedriger Beweggründe vorgelegen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Jugendstrafe von sieben Jahren.
    Der Angeklagte musste sich bereits zum zweiten Mal wegen dieses Falls verantworten. Zunächst hatte ihn das Landgericht Stade aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof jedoch aufgehoben.
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 20.05.2011 )


  • Nach vier Jahren gelang es der Polizei Osnabrück ein Verbrechen aufzuklären. Es wurde in einem Waldstück bei Osnabrück eine Leiche er 56-jährigen Frau gefunden. Tatverdächtig sei der Sohn der Toten, der nach Angaben der Staatsanwaltschaft Osnabrück bereits gestanden habe.

    Die Tat soll sich in der Nacht des 30.04.2007 ereignet haben. Die Ermittlungsbehörden fanden die Leiche in zwei Metern Tiefe. Als Tatmotiv gehen die Ermittler von einer familiären Auseinandersetzung aus.
    Nach dem Verschwinden der Frau sei von einem Suizid ausgegangen worden, da ein Jahr zuvor ihr Ehemann gestorben und sie daraufhin wohl depressiv geworden sei. Die Leiche war aber nie gefunden worden.
    Bei einer routinemäßigen Überprüfung des ungeklärten Falles seien die Ermittler mit Hilfe des Landeskriminalamtes auf Widersprüchlichkeiten gestoßen. Beispielsweise wäre ein Suizid für eine fromme Katholikin nicht in Frage gekommen. Daher sei der Sohn mit den Mord-Vorwürfen konfrontiert worden. Dieser habe die Tat daraufhin gestanden.
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 12.05.2011 )


  • Das Landgericht Lübeck verurteilte einen 49-jährigen Italiener wegen des Missbrauchs an einem Minderjährigen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte indes eine Strafe von drei Jahren und neun Monaten gefordert.

    Der Mann hatte gestanden sich mehrfach an einem 12-jährigen Jungen vergangen zu haben und ihn mit Geld und Geschenken gelockt zu haben. Danach gab er dem Jungen Alkohol und übte den Geschlechtsverkehr aus.
    Zu dem relativ milden Urteil kam es, da die Tat bereits in den Jahren 2002 und 2003 erfolgte und sich das Opfer nicht mehr richtig daran erinnern könne. Ferner begründete das Gericht sein Urteil damit, dass das Opfer zwar nicht mochte, was mit ihm gemacht wurde, er jedoch das Unangenehme für die Geschenke und das Geld in Kauf genommen habe.

    Eine gute Strafverteidigung im Sexualstrafrecht kann so auch eine Haftstrafe des Angeklagten vermeiden.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 12.05.2011 )


  • 1. Strafsenat des OLG Stuttgart, Az.: 1 Ws 32/09

    Das LG lehnte mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Untreue in den Fällen 2 sowie 4 bis 12 ab und eröffnete wegen der verbliebenen Tatvorwürfe unter Zulassung der Anklage das Hauptverfahren vor dem AG.
    Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Untreue bzw. Beihilfe durch die Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen und Leistungen sei aufgrund der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) entfallen.
    Dagegen hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde erhoben.

    Nach Ansicht des 1. Strafsenats hat die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Erfolg. Die Angeklagten seien auch nach der durch das MoMiG zum 01. November 2009 in Kraft getretenen Änderung des GmbHG der Untreue verdächtig.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass aufgrund der durch das MoMiG eingetretenen Änderung des GmbH-Gesetzes, insbesondere die Änderung des § 30 GmbHG und die ersatzlose Aufhebung von §§ 32a, 32b GmbHG, und damit der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes, gemäß § 2 III StGB eine Untreuestrafbarkeit wegen der Rückgewähr von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen auch rückwirkend entfallen ist.
    Jedoch führt die Aufhebung der §§ 32a, 32b GmbHG und die Änderung von § 30 GmbHG im Ergebnis nicht zu einer Straflosigkeit der Angeklagten. Die mögliche Strafbarkeit der Angeklagten wegen existenzvernichtenden Eingriffs besteht weiterhin fort.
    Eine gem. § 2 III StGB maßgebliche Änderung blankettausfüllender Normen führt nicht in jedem Fall und zwingend zur Straflosigkeit. Die Strafbarkeit entfällt nicht, wenn auch nach der neuen Regelung Unrechtskontinuität besteht. Dies liegt dann vor, wenn der Schutzzweck und die Angriffsrichtung des (Blankett-) Tatbestandes und damit auch das verwirklichte Unrecht im wesentlichen unberührt bleiben.“

    Der Strafsenat hob den Beschluss des LG auf und ließ die Anklage der Staatsanwaltschaft zu.


  • Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Beschuldigten wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen. In einem Vermerk erklärte die Staatsanwaltschaft, dass es vertretbar erscheine, das Verfahren im Falle einer geständigen Einlassung des Beschuldigten und vorbehaltlich der einzuholenden Zustimmung des zuständigen AG Kleve gemäß § 153a I Nr. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 1000 EUR einzustellen. Dies wurde dem Verteidiger des Beschuldigten übersandt, mit der Frage, ob der Mandant mit der Einstellung gemäß § 153a StPO einverstanden sei.

    Mit Schreiben seines Verteidigers gab der Beschuldigte eine Einlassung zum Tatgeschehen ab und erklärte sich hinsichtlich der Zahlung und zur Einstellung des Verfahrens einverstanden. Die Staatsanwaltschaft holte die Zustimmung des AG Kleve ein. Die zuständige Richterin beim AG Kleve erklärte die Zustimmung zur Einstellung gemäß § 153a StPO. Dies teilte die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger des Beschuldigten mit. Kurze Zeit später teilte der bearbeitende Staatsanwalt dem Verteidiger des Beschuldigten mit, dass eine Einstellung gemäß § 153a StPO nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht in Betracht käme. Vielmehr werde nun beabsichtigt, einen Strafbefehl zu beantragen. Dies legte die Staatsanwaltschaft Kleve in einem Vermerk nieder, der dem Verteidiger des Beschuldigten übersandt wurde. Am gleichen Tag überwies der Beschuldigte den geforderten Betrag von 1000 EUR gemäß der Auflage. Der Verteidiger des Beschuldigten nahm in einem Schriftsatz Stellung.

    Die Staatsanwaltschaft Kleve beantragte kurz darauf, einen Strafbefehl gegen den Beschuldigten zu erlassen und diesen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 80 EUR zu verurteilen.

    Das AG Kleve lehnte durch Beschluss den Erlass des beantragten Strafbefehls ab. Begründet wurde dies damit, dass mit der Erfüllung der im Einstellungsverfahren gemäß § 153a StPO erteilten Auflage ein Strafklageverbrauch und damit ein Verfahrenshindernis eingetreten sei. Mit dem verbindlichen Angebot einer Einstellung des Verfahrens, der Zustimmung des Beschuldigten und der Zustimmung des Amtsgerichts sei eine Bindungswirkung eingetreten. Mit Überweisung des Geldbetrages von 1000 EUR sei endgültig Strafklageverbrauch eingetreten.

    Dagegen legte die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde ein.

  • 2. Strafsenat des OLG Dresden, Az.: 2 Ws 347/10

    Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und het eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen á 50,00 EUR festgesetzt. Der Angeklagte legte Einspruch dagegen ein, so dass es zu einer Hauptverhandlung kam. In dieser sprach das AG den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei. Die Entscheidung entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dennoch legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein und begründete dies damit, dass der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht sei.

    Das LG verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft als unzulässig. Die Kammer nahm einen Fall der Annahmeberufung im Sinne des § 313 StPO an. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

    Der 2. Strafsenat erachtet die sofortige Beschwerde als zulässig, da zwar Entscheidungen des Berufungsgerichts über die Annahme einer Berufung gemäß § 322a Satz 2 StPO grundsätzlich nicht anfechtbar seien, davon jedoch im vorliegenden Fall eine Ausnahme gemacht werde, da zwischen den Verfahrensbeteiligten Streit darüber bestehe, ob die Voraussetzungen einer Annahmeberufung vorliegen würden. Die sofortige Beschwerde sei allerdings unbegründet, da ein Fall der Annahmeberufung vorliege.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die Frage, ob auch im Falle eines Freispruchs, der auf einem Antrag der Staatsanwaltschaft beruht, von einer Annahmeberufung ausgegangen werden kann, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Der bisher überwiegende Teil der Rechtsprechung hält in einem solchen Fall § 313 I 2 StPO für unanwendbar (OLG Koblenz, NStZ 1994, 601; OLG Celle, NStZ-RR 1996, 43; OLG Köln, NStZ 1996, 150; OLG Karlsruhe StV 1997, 69; OLG Zweibrücken MDR 1996, 732; OLG Oldenburg, Beschluss vom 08. Februar 1005, Az.: 1 Ws 5/95 – juris; KG Berlin, Beschluss vom 07. Mai 1997, Az.: 3 Ws 226/97 – juris; OLG Hamm VRS 95, 382; OLG Jena StraFo 2000, 292; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2001, 84; OLG Brandenburg OLG-NL 2005, 45). Diese Auffassung wird maßgeblich damit begründet, dass der Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft auf Freispruch kein Minus gegenüber dem in § 313 I 2 StPO genannten Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe von höchstens 30 Tagessätzen sei. Sofern nach durchgeführter Beweisaufnahme die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis komme, ein strafrechtlicher Schuldnachweis sei überhaupt nicht zu führen, könne aus ihrem Antrag auf Freispruch nicht auf ein Bagatelldelikt geschlossen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei es deshalb nicht hinnehmbar, der Anwendung des § 313 I 2 StPO eine fiktive Tat und eine fiktive Rechtsfolge zugrundezulegen. Im Interesse der Rechtsklarheit verbiete sich deshalb eine erweiternde Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 313 I 2 StPO.
    Davon weicht eine Mindermeinung jedenfalls dann ab, wenn aufgrund eines Strafbefehlsantrags bereits ein konkreter Strafantrag der Staatsanwaltschaft existiert, ohne dass hypothetische Erwägungen angestellt werden müssten (OLG Hamm NStZ 1996, 455; OLG Koblenz, NStZ-RR 2000, 306; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht SchlHA, 2000, 256; Meyer-Goßner, § 313 Rdnr. 4 a).

    Dieser Meinung schließt sich der Senat im vorliegenden Fall an.“

    Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde verworfen und die Kosten der Staatskasse auferlegt.


  • Im Kachelmann-Prozess wurde an diesem Verhandlungstag die erneute Vernehmung des mutmaßlichen Opfers thematisiert.
    Bei der Vernehmung mahnte die Staatsanwaltschaft die Frau mehrfach die Wahrheit zu sagen. Bereits bei den ersten Vernehmungen im April 2010, sei die Staatsanwaltschaft, nach Informationen von spiegel-online im Besitz von schriftlichen Dokumenten gewesen, die eine zumindest teilweise Falschaussage des mutmaßlichen Opfers belegen würden. Dennoch seien die Vernehmungen ohne Tonband und ohne Video erfolgt, diktiert worden sei abschnittsweise.
    Staatsanwalt Oltrogge erklärte, dass sich das mutmaßliche Opfer, das bereits wusste, dass ihr Computer von der Polizei untersucht werden würde, auffällig zögernd verhalten habe. Sie habe vage geantwortet, abgewartet und sei immer einsilbiger geworden, je mehr die Rede auf den Brief kam, den sie rein zufällig Stunden vor Kachelmanns Besuch im Briefkasten gefunden haben wollte. Durch dieses Schreiben sei sie ermutigt worden, Kachelmann nun plötzlich auf seine Untreue anzusprechen. Dabei soll das mutmaßliche Opfer immer wieder in Tränen ausgebrochen sein. „Erst blieb sie bei ihrer Darstellung wie bei der Kripo“, so Oltrogge. „Ich fragte nach, was in dem Briefkasten lag. Das verstand sie nicht. Ich präzisierte und machte ihr nachdrücklich klar, dass sie nichts Falsches erzählen solle.“ Zwar habe man keine objektive Gewissheit, aber es besteh eine gewisse kriminalistische Wahrscheinlichkeit, dass nicht stimme, was sie gesagt habe, so Oltrogge.
    Im Prozess gab es eine Unterbrechung, da sich die Staatsanwaltschaft besprechen wollte. In dieser Zeit habe der Rechtsanwalt des mutmaßlichen Opfers erklärt, dass sie noch etwas sagen wolle. Sodann habe sie zugeben, dass sie den fraglichen Brief bereits einen Monat zuvor erhalten habe.
    Dann erklärte Oltrogge, dass sie dann die Lügen des mutmaßlichen Opfers schwarz auf weiß gehabt hätten. „Wir fragten uns schon vor der Vernehmung, ob dies nun der Punkt sei, an dem der dringende Tatverdacht zusammenbricht. Oder erst dann, wenn sie die Lügen weiter aufrechterhält? Oder, wenn sie sich berichtigt, auf welche Weise sie dies tut? Ob sie nachvollziehbar erklären kann, warum sie gelogen hat? Wir hielten den Sachverhalt für naheliegend falsch, aber nicht für beweisbar falsch.“
    Oberstaatsanwalt Gattner erklärte, dass man sich viele Gedanken gemacht habe, wie es im Ermittlungsverfahren nun weitergehen sollte. Letztlich seien sie aber zu dem Schluss gekommen, dass keine Falschaussage vorgelegen hätte.
    Dann erklärte er, dass das Mutmaßliche Opfer aufgelöst bei der Staatsanwaltschaft erschienen sei, da sie Angst gehabt habe, dass Kachelmann aus der Untersuchungshaft entlassen werde. Daraufhin hätten die beiden Staatsanwälte erklärt, dass das nach ihrer Einschätzung nicht geschehen werde. Sodann sei jedoch das Ergebnis der Computerauswertung gekommen. Daraus habe sich ergeben, dass sie nicht die Wahrheit gesagt habe. Dies sei einschneidend gewesen.
    Allerdings hielten die Staatsanwälte an dem Tatverdacht der Vergewaltigung fest und Kachelmann blieb vorerst in Untersuchungshaft. Es sei keine Belastungstendenz bei dem mutmaßlichen Opfer zu erkennen gewesen. Sie sei in vier Vernehmungen bei ihren Vorwürfen geblieben. Zudem hätten erhebliche Zweifel an den Angaben Kachelmanns vor dem Haftrichter bestanden.
    Trotz dieses Verhandlungstags erklärte die Staatsanwaltschaft, dass der Vorwurf nicht objektiv, sondern einseitig zum Nachteil ermittelt zu haben, an diesem Verhandlungstag eindeutig widerlegt worden sei.
    ( Quelle: spiegel-online vom 31.03.2011 )


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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