Strafzumessung

  • Eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben.

    Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG Bamberg) hatte eine fahrlässige Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis im Revisionsverfahren zu verhandeln. Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die daraufhin eingelegte Berufung, die der Angeklagte auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, hatte beim Landgericht keinen Erfolg.

  • Lässt das Gericht es offen, ob ein Schuss gerechtfertigt war, dann darf es diesen nicht bei der Strafzumessung berücksichtigen.

    Der 1935 geborene Angeklagte war seit längerem mit seiner Schwester im Streit. Am Tattag ging er zum Anwesen seiner Schwester und nahm dabei einen Revolver mit, für den er keine Erlaubnis besaß. Ob bereits zu diesem Zeitpunkt eine Tötungsabsichten bestanden, konnte das Landgericht Stade nicht aufklären. Als der Angeklagte das Anwesen betrat, begegnete ihm der Lebensgefährte seiner Schwester. Nach wechselseitigen Beleidigungen ergriff der Lebensgefährte einen 1,90m großen Holzbalken und bedrohte damit den Angeklagten.

  • Wird ein Urteil zugunsten des Angeklagten zurückverwiesen und trifft der neue Tatrichter Feststellungen, die die Tat in milderem Licht erscheinen lässt, so muss er es besonders begründen, wenn er bei der gleichen Strafhöhe bleibt.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Wuppertal wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht.

  • Ein junges Alter des Tatopfers rechtfertigt alleine noch keine Strafschärfung beim sexuellen Missbrauch von Kindern.

    Die Strafkammer des Landgerichts Koblenz hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht strafschärfend, dass das geschädigte Mädchen erst 12 Jahre alt war. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.

  • Erleidet das Missbrauchsopfer keine psychischen oder physischen Auswirkungen, kann dies strafmildernd berücksichtigt werden.

    Das Landgericht Halle verurteilte den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, dessen Vollstreckung es zur Bewährung aussetze. Dagegen richtete die Staatsanwaltschaft die Revision. Die Anklagebehörde kritisiert, dass das Landgericht strafmildernd berücksichtigt hätte, dass die Tat für das Opfer keine psychischen oder physischen Auswirkungen gehabt habe.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hält dies jedoch für einen legitimen Strafmilderungsgrund:

    „Die Strafkammer durfte strafmildernd berücksichtigen, dass die Taten für die Opfer keine psychischen oder physischen Auswirkungen hatten und haben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1986 – 2 StR 608/85).“

    Auch sieht der BGH keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht positiv bewertet hatte, dass der Angeklagte keinen direkten körperlichen Zwang oder Gewalt auf das Opfer ausübte. Denn im Urteil hieß es, dass aufgrund der Nichtanwendung von Zwang oder Gewalt die Strafkammer im unteren Bereich des Strafrahmens bleiben konnte. Damit wertete sie dies nicht als eine Strafmilderung, die bei einer gewaltfreien Begehung der § 176 und § 176a StGB nicht vorgesehen ist, sondern lediglich als Orientierung für die Strafzumessung.

    Damit hatte die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2011, Az.: 4 StR 428/11


  • Die Menge des eingeführten Rauschgiftes hat erhebliche Bedeutung bei der Strafzumessung.

    Das Amtsgericht Hamm verurteilte den Angeklagten wegen Einfuhr einer nicht geringen Menge Betäubungsmitteln zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. In der Berufung vor dem Landgericht Dortmund wurde die Strafe auf zwei Jahre reduziert und zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Revision ein.
    Der polnische Angeklagte geriet mit seinem Unternehmen in Polen in finanzielle Schwierigkeiten. In den Niederlanden wurde ihm ein Drogenkurierjob angeboten. Er sollte knapp 2 Kilogramm Haschisch von den Niederlanden über Deutschland nach Polen bringen. Dafür sollte er 500 Euro erhalten. Bereits hinter der niederländischen Grenze wurde er von deutschen Zollbeamten angehalten und das Haschisch gefunden. Das Landgericht nahm einen minder schweren Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG an.
    Begründet hat das Landgericht die Entscheidung damit, dass der Angeklagte nicht vorbestraft war und bereits zweieinhalb Monate Untersuchungshaft verbüßt hatte. Ebenfalls war er lediglich Kurier, wofür auch die geringe Vergütung verspricht. Ebenfalls sei Haschisch bezüglich der typischen Gefährlichkeit eher dem unteren Bereich zuzuordnen. Ebenfalls war das Rauschgift nicht für Deutschland vorgesehen und kam nicht in den Umlauf. Strafschärfend wirkte lediglich, dass die nicht geringe Menge (7,5g THC bei Cannabis) um das 16-fache überschritten wurde.

    Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) erkennt in der Strafzumessung des Landgerichts Rechtsfehler. Für die Annahme eines minder schweren Falles muss das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle im erheblichen Maße abweichen. Dabei kommt der Menge des Rauschgiftes eine erhebliche Bedeutung zu. Je höher die eingeführte Menge ist, desto gewichtiger müssen Abweichungen vom durchschnittlichen Tatbild vorliegen, damit ein minder schwerer Fall angenommen werden kann.

    „Die maßgeblichen Erwägungen enthalten Wertungsfehler, verhalten sich zu gewichtigen Umständen nicht und lassen insgesamt besorgen, dass die Menge des geschmuggelten Rauschgifts zwar ausdrücklich erörtert, aber tatsächlich nicht berücksichtigt worden ist. Letzteres liegt deshalb nahe, weil die Rauschgiftmenge durch das Landgericht lediglich erwähnt wird, das Urteil aber jegliche Auseinandersetzung missen lässt, weshalb gleichwohl ein minder schwerer Fall anzunehmen war“.

    Auch bei den weiteren Argumenten für den minder schweren Fall hat das OLG Hamm erhebliche Bedenken. Diese würden so auf fast jeden Kurier zutreffen, vor allem die Unbestraftheit, die Stellung als bloßes ausführendes Werkzeug, die wirtschaftliche Not und dass das sichergestellte Rauschgift den Markt nicht mehr erreicht. Daher kommt solchen Umständen nur eine geringe Bedeutung zu. Auch hätte das Landgericht die verbüßte Untersuchungshaft nicht zu Gunsten des Angeklagten werten dürfen, da diese nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB auf die vollstreckende Strafe anzurechnen sei und daher den Verurteilten nicht gesondert belasten würden. Auch könne nicht strafmildernd berücksichtigt werden, dass das Rauschgift nicht für den deutschen Markt bestimmt sei, denn der Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen solle nicht nur der inländischen Bevölkerung dienen.

    Daher hat die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg. Das OLG Hamm verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurück.

    OLG Hamm, Beschluss vom 20. März 2012, Az.: III-1 RVs 2/12


  • Eine ungeladene Schreckschusspistole ist keine Waffe iSd § 250 StGB.

    Das Landgericht Hanau verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Die Strafverteidigung wehrte sich mit der Revision gegen das Urteil.
    Das Landgericht ging davon aus, dass eine ungeladene Schreckschusspistole eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt dagegen klar, dass es sich lediglich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit b StGB handele.

    Darüber hinaus versagte das Landgericht eine Strafrahmensenkung gemäß § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB für die versuchte schwere räuberische Erpressung. Dabei wertete das Gericht zu Lasten des Angeklagten, dass er die Einnahmen aus der Tat für seine eigenen persönlichen Bedürfnisse verwenden wollte. Dies kann aber laut BGH nicht strafschärfend gewertet werden:

    „Die Verwendung von Tatbeute für eigene Bedürfnisse des Täters ist regelmäßiges Erscheinungsbild der räuberischen Erpressung und enthält kein zur Strafschärfung berechtigendes schulderschwerendes Element.“

    Im Umfang der Aufhebung muss sich eine andere Strafkammer des Landgerichts mit der Sache erneut beschäftigen. Die Revision hatte damit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 26. September 2012, Az.: 2 StR 262/12


  • Täuscht ein Angeklagter ein Alibi vor, darf dies nicht strafschärfend gewertet werden.

    Das Landgericht Bremen hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraubs und Diebstahls verurteilt. Dabei wertete das Gericht strafschärfend, dass der Angeklagte eine Beschäftigung zur Tatzeit als Alibi vortäuschte. Ferner beurteilte das Gericht negativ, dass der Angeklagte die Tat grundlos begangen hätte. Hiergegen richtet die Strafverteidigung erfolgreich die Revision.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt fest, dass in beiden Fällen keine Strafschärfung zulässig gewesen wäre. Die Grenze prozessual zulässigen Verteidigungsverhalten sei dadurch noch nicht überschritten:

    „Damit hat der Angeklagte aber die Grenzen prozessual zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 53 f. mwN) selbst dann nicht überschritten, wenn er dadurch den Tatverdacht zwangsläufig auf sonstige in Betracht kommende Personen als Alternativtäter lenken wollte.“

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012, Az.: 5 StR 453/12


  • Profitiert ein Hauptbelastungszeuge durch die Aussage in seinem eigenen Verfahren, muss das Gericht genau hinschauen

    Wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen wurde der Angeklagte vom Landgericht Bautzen verurteilt. Der Mann gestand, dass er geringe Menge Marihuana zum Eigenbedarf erworben hatte. Die Verurteilung stützt sich jedoch auf Drogenkäufe im Umfang von 2,5 Kg Marihuana. Dabei ist der Lieferant der Drogen der Hauptbelastungszeuge, der bereits selbst verurteilt wurde und Strafmilderung nach § 31 BtMG erhielt. Zusätzlich erhielt der Belastungszeuge Zeugenschutz.

    Die Strafverteidigung greift mit der Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung an. Besonders auffällig ist, dass der Zeuge mehrfach seine Aussage korrigierte und mal den Angeklagten belastete und mal nicht. Insgesamt kritisiert der BGH, dass das Landgericht nicht hinreichend die Glaubwürdigkeit des Zeugen geprüft hätte, vor allem in Hinblick darauf, dass er durch die Aussage im eigenen Verfahren profitierte:

    „Bereits die unkonstanten Angaben des Zeugen D. aus den früheren Vernehmungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2010 – 2 StR 497/10 und vom 17. Januar 2002 – 3 StR 417/01, StV 2011, 524 und 2002, 470, 471), die das Landgericht über Vorhalte eingeführt hat, hätten ebenso wie die dem Zeugen D. gewährte Strafmilderung Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung seiner Aussage geben müssen.“

    Das Landgericht hat lediglich oberflächlich Bezug auf frühere Aussagen des Zeugen gemacht. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den Änderungen im Aussageverhalten des Zeugens geschah nicht. Daher hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 26. September 2012, Az.: 5 StR 402/12


  • Vor der Strafmilderung wegen Gehilfenstellung sind allgemeine Milderungsgründe zu berücksichtigen.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Frankfurt (Oder) unter anderem wegen Beihilfe zum schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dabei nahm das Landgericht bei der Strafzumessung den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB an. Dagegen richtete sich die Revision der Strafverteidigung.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) kritisiert, dass das Gericht zwar die Gehilfenstellung strafmildern berücksichtigte, jedoch nicht vorher prüfte, ob die allgemeinen Milderungsgründe bereits zu einer Milderung führen würden:

    „Dabei hat es zwar die Gehilfenstellung des Angeklagten mitberücksichtigt, es hat indes nicht, wie geboten (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 50 Rn. 4), vorrangig geprüft, ob bereits die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen, wonach der Sonderstrafrahmen nochmals nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mindern gewesen wäre.“ 

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Damit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 25. September 2012, Az.: 5 StR 415/12


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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