sexueller Missbrauch von Kindern

  • BGH, Beschluss vom 26.10.2011, Az.: 2 StR 328/11

    Das Landgericht Darmstadt hat den Angeklagten wegen Verbreitens kinderpornografische Schriften in 22 Fällen und wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit der Revision.

    „Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 ist die Vorschrift des § 66 StGB verfassungswidrig und gilt nur vorläufig bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber weiter. Während der Dauer seiner Weitergeltung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts darf die Regelung der Sicherungsverwahrung nur nach Maßgabe einer „strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ angewandt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nur gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Insoweit gilt in der Übergangszeit ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Verhältnismäßigkeitsmaßstab (Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 StR 184/11; BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 StR 192/11; Beschluss vom 4. August 2011 – 3 StR 235/11).
    Jedenfalls nach diesem Maßstab hat das Landgericht weder einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch eine daran anknüpfende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten tragfähig begründet. Das Landgericht hat nicht näher dargelegt, auf welche konkreten „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern“ (UA S. 52, 55) sich der Hang des Angeklagten bezieht und welche solcher Straftaten von ihm mit welcher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Damit genügen die Entscheidungsgründe nicht den Darstellungsanforderungen, die von der Rechtsprechung an die Beurteilung des Hangs und an die Gefährlichkeitsprognose gestellt werden, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfbarkeit der vom Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 27. September 1994 – 4 StR 528/94, NStZ 1995, 178; Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 645/10, NStZ-RR 2011, 204; Beschluss vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11).
    Soweit die Strafkammer vor dem Hintergrund der Anlasstaten auf die fest verwurzelte pädophile Neigung des Angeklagten und auf eine verharmlosende Haltung zur Kinderpornografie abgestellt hat, deren Konsum ihn eigenen Angaben zufolge von sexuellen Übergriffen auf Kinder abgehalten habe, mag dies einen Hang zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach der Art und mit dem Gewicht der Anlasstaten gemäß § 184b Abs. 1 und 2 StGB  belegen. Derartige Delikte des Umgangs mit Kinderpornografie, dessen Strafbarkeit nach dem gesetzlichen Regelungszweck des § 184b StGB darauf abzielt, der mittelbaren Förderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern entgegenzuwirken (vgl. Fischer, StGB 58. Aufl., § 184b Rn. 2), sind allerdings nicht als ausreichend schwere (Sexual-)Straftaten anzusehen, auf die sich nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts der kriminelle Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF beziehen muss.
    Für einen Hang des Angeklagten auch zu erheblichen Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern ließen sich zwar die vom Landgericht gewürdigten Vortaten anführen, zu denen auch Fälle des sexueller Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 StGB zählten, die grundsätzlich „schwere Sexualstraftaten“ im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts darstellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11 und vom 11. August 2011 – 3 StR 221/11). Die letzten dieser Taten lagen jedoch über zwölf Jahre zurück. Das darin vom Landgericht erkannte, aber ohne Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose erachtete „Abschwächen der Deliktsintensität“ (UA S. 55, 59) hätte bereits bei der für das Vorliegen eines Hangs vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller konkreten Umstände berücksichtigt werden müssen, die für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten maßgebend sind.“

    Aus diesen Gründen hat der BGH das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor, allerdings seien die materiellen Voraussetzungen nicht ausreichend dargelegt. Das Landgericht habe eine ausführliche Abwägung vornehmen müssen. Insbesondere seien die Anforderungen an die Beurteilung des „Hangs“ und an die sogenannte Gefährlichkeitsprognose nicht erfüllt, wodurch der BGH die Überlegungen des Tatgerichts nicht ausreichend überprüfen kann.


  • Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16.11.2010, Az.: 1 Ws 446/10 (32)

    Der Angeschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Gera vom 12.05.2010, der durch den erweiterten Haftbefehl des Amtsgerichts Gera vom 27.05.2010 ersetzt wurde, seit dem 12.05.2010 in dieser Sache in Untersuchungshaft, zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Gera.
    In dem Haftbefehl vom 12.05.2010 wurde dem Angeschuldigten zur Last gelegt, entgegen einer Weisung zu einem damals 12-jährigen Kind Kontakt aufgenommen und ihn dabei auch angefasst zu haben. Er war zuvor wegen sexueller Missbrauch von Kindern in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
    In dem Haftbefehl vom 27.05.2010 wurden dem Angeklagten vier weitere Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs zur Last gelegt. Als Haftgründe nahm das Amtsgericht – wie zuvor – eine Flucht- und Verdunklungsgefahr an.
    Die Staatsanwaltschaft erhob sodann Anklage zum Landgericht Gera. Gegenstand der Anklage sind neben den bereits im Haftbefehl vom 27.05.2009 genannten Taten 72 Taten des Erwerbs kinderpornographische Schriften und 179 Taten der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Dabei wird ihm vorgeworfen kinderpornografisches Bildmaterial über das Internet ausgetauscht zu haben. Das Landgericht hat sodann wegen sämtlicher angeklagter Taten Untersuchungshaft angeordnet. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht die weitere Untersuchungshaft gemäß § 121 I StPO für erforderlich erklärt und die Vorlage der Akten zur besonderen Haftprüfung an das Thüringer Oberlandesgericht veranlasst.
    Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass eine Entscheidung des Senats über die Haftfortdauer derzeit noch nicht veranlasst sei.

    Aus dem Beschluss des OLG:

    „Was unter „derselben Tat“ im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO zu verstehen ist, hat das Gesetz nicht definiert. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht jedoch Einigkeit dahin, dass sie nicht mit dem Tatbegriff des § 264 StPO gleichgesetzt werden kann. Eine solche Auslegung würde dem Schutzzweck des § 121 StPO nicht gerecht werden, weil dies die Möglichkeit einer Reservehaltung von Tatvorwürfen ermöglichen würde (siehe etwa Senatsbeschluss vom 25.02.2010, 1 Ws 51/10, m.w.N.). Dann könnten nämlich fortlaufend neue Tatvorwürfe nachgeschoben und ein bestehender Haftbefehl jeweils ergänzt werden mit der Folge, dass die Frist nach § 121 Abs. 1 StPO immer wieder von Neuem beginnen würde. Ein solcher Missbrauch ist nach dem Schutzzweck der Vorschrift zu verhindern (Senatsbeschluss wie oben). Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur fallen unter den Begriff „derselben Tat“ im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO alle Taten eines Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Die Frist beginnt mithin nicht erneut zu laufen, sobald die Untersuchungshaft aufgrund eines neuen oder erweiterten Haftbefehls vollzogen wird, wenn dieser lediglich Tatvorwürfe enthält, die bereits im Sinne eines dringenden Tatverdachts bei Erlass des früheren Haftbefehls bekannt waren. Wird dagegen erst nach Erlass des früheren Haftbefehls eine neue Tat – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Frist von 6 Monaten in Gang gesetzt. Fristbeginn ist in diesem Fall der Zeitpunkt, ab dem wegen des neuen Tatvorwurfs erstmals die Voraussetzungen zu dem Erlass oder die Erweiterung eines Haftbefehls vorgelegen haben (siehe Senatsbeschluss wie oben). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien handelt es sich bei den Taten der Verbreitung und des Erwerbs kinderpornografischer Schriften (Nr. 6 – 256 des Haftbefehls vom 26.10.2010) nicht um ‚dieselbe Tat‘ wie die in dem Haftbefehl vom 27.05.2010 beschriebene Tat. Zwar hat sich der dringende Tatverdacht in Bezug auf die Verbreitung und den Erwerb kinderpornografischer Schriften tatsächlich erst nach Vorliegen des Auswertungsberichts der Kriminalpolizeiinspektion Gera vom 05.07.2010, der aufgrund der Auswertung der Daten auf dem Laptop des Beschuldigten durch die Kriminalpolizeiinspektion Gotha erstellt wurde, ergeben. Bei der gebotenen Beschleunigung der Auswertung hätten diese die Erweiterung des Haftbefehls um die Vorwürfe der Verbreitung und des Erwerbs kinderpornografischer Schriften aber bereits wesentlich früher, nämlich spätestens im Zeitpunkt des Erlasses des erweiterten Haftbefehls vom 27.05.2010 des Amtsgerichts Gera vorgenommen werden können.“

    „Insgesamt ist das Verfahren bisher mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden, sodass die Fortdauer der Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus gerechtfertigt ist.“

    Das OLG hatte folglich zu klären, ob es sich bei dem sexuellen Missbrauch und beim Erwerb bzw. der Verbreitung kinderpornographischer Schriften um dieselbe Tat im Sinne von § 121 I StPO handelt. Dabei hat das OLG den Gesetzeszweck zugrunde gelegt. Nach Auffassung des Gerichts kommt es darauf an, wann die Taten eines Beschuldigten hätten bekannt werden können und in einen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können. Ob es sich dabei um ein Verfahren handelt, sei irrelevant. Da die weiteren Taten hier nicht früher hätten bekannt werden können und da  das OLG das Vorliegen von Haftgründen bejaht hat, wurde die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.


  • Das Landgericht Wuppertal hat den Angeklagten wegen sexuelle Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und ihn im Übrigen vom weiteren Vorwurf der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in 67 Fällen freigesprochen. Es hat festgestellt, dass zwei Monate als vollstreckt gelten. Außerdem hat es den Angeklagten im Adhäsionsverfahren zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Nebenklägerin verurteilt.

    Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Dazu stellte der BGH fest, dass es in einigen Fällen der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern an der Anklageerhebung und daher auch am Eröffnungsbeschluss fehlt.

  • BGH, Beschluss vom 19.10.2011, Az.: 1 StR 369/11

    Das Landgericht Ravensburg hatte den Angeklagten wegen zwei Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, jeweils in Tateinheit mit sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie des Besitzes kinderpornografische Schriften zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

  • Das Landgericht Oldenburg hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt.

    Gegen die Verurteilung legte der Angeklagte Revision ein.

  • BGH, Beschluss vom 20.07.2011, Az.: 2 StR 293/11

    Das Landgericht Meiningen hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in sechs Fällen unter Einbeziehung zweier weiterer Strafen aus einer aufgelösten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Mann hatte nach den Feststellungen des Gerichts mit dem 13-jährigen Tatopfer ungeschützten Geschlechtsverkehr. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Der BGH bestätigte den Schuldspruch, äußerte aber Bedenken gegen die Strafzumessung.

    „Dagegen begegnet die Strafzumessung rechtlichen Bedenken, soweit die Strafkammer für die einzelnen Taten Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten verhängt hat. Diese Differenzierung im konkreten Strafmaß hat die Strafkammer, die lediglich allgemeine, für alle Taten gleichermaßen geltende Strafzumessungserwägungen angestellt hat, nicht begründet; sie ergibt sich – sieht man von der Tat ab, die zur Schwangerschaft geführt hat und bei der ein erhöhter Unrechts- und Schuldgehalt anzunehmen ist – auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Senat kann daher nicht überprüfen, wie das Landgericht zu den verhängten Strafen gekommen ist, und hebt alle Einzelstrafen auf.“

    Der BGH sah es folglich als problematisch an, dass das Landgericht die Strafhöhe der sechs Taten des Angeklagten so differenziert bewertet hat. Die Berechnung der jeweiligen Strafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten sind für den BGH nicht nachvollziehbar, da (abgesehen von einer Tat) alle Taten einen ähnlichen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen. Daher hat der BGH die Einzelstrafen aufgehoben, was zum Wegfall der Gesamtstrafe führt. Die Sache wurde aufgrund der insweit erfolgreichen Revision im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.


  • BGH, Beschluss vom 10.11.2010, Az.: 2 StR 403/10

    Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen unter Einbeziehung von anderen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts vollzog der Angeklagte in drei Fällen mit seiner damals zehnjährigen Tochter, der Nebenklägerin, vaginalen ungeschützten Geschlechtsverkehr. Die Fälle ereigneten sich alle im Jahr 1999, wobei der Geschlechtsverkehr zunächst im elterlichen Bett, später im Keller und dann im Auto vollzogen worden sei. Bezüglich weiterer angeklagten Fälle sprach das Landgericht den Angeklagten frei.

    Die Verurteilungen stützt das Gericht auf die Angaben der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 21 Jahre alten Nebenklägerin. Diese hatte 2008 aus der Haft heraus einen Brief an ihren Vater geschrieben, in dem sie ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigte. Der Brief wurde bei der Briefkontrolle angehalten. Der Angeklagte bestritt die Taten.

    Der 2. Strafsenat des BGH gab der insoweit erfolgreichen Revision statt, da revisionsrechtlich erhebliche Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung durch das Landgericht gemacht worden sind und somit ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt:

    „Insoweit begegnet es schon Bedenken, dass das Landgericht ersichtlich nicht bedacht hat, dass die Detailarmut der Angaben der Nebenklägerin Auswirkungen auf die Aussagekraft des Konstanzkriteriums für die Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 – 4 StR 370/99). Die Kammer begründet die Konstanz der Angaben der Nebenklägerin letztlich damit, dass sie in Übereinstimmung mit ihrer polizeilichen Aussage auch im Rahmen der Hauptverhandlung keine näheren Details zu berichten wusste (UA S. 15).
    Jedenfalls wäre eine umfassende Würdigung von Anlass und Motiv des Briefes für die Würdigung der Aussagegenese und -entwicklung von Bedeutung gewesen. Insoweit hat die Kammer schon bei der Beurteilung der Frage, ob die Nebenklägerin den Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnte, erkennbar nicht alle erheblichen Umstände in ihre Überlegungen miteinbezogen. Nach den Feststellungen wollte die Nebenklägerin mit ihrem Brief den Vater „wütend machen“ bzw. beeindrucken und verängstigen, weil sie ihre seit 2001 vom Angeklagten getrennt lebende Mutter vor „eventuellen Angriffen“ des Angeklagten schützen wollte. Wenn die Kammer daraus schließt, dass nur ein wahrer Vorwurf geeignet sei, den Angeklagten zu verängstigen, überzeugt dies ohne nähere Begründung nicht, denn grundsätzlich kann auch der wahrheitswidrige Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs eine Person verängstigen und in Wut versetzen. Zudem hat die Kammer bei ihrer Würdigung rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, dass die Nebenklägerin den Angeklagten in demselben Brief auch wahrheitswidrig des sexuellen Missbrauchs anderer Kinder bezichtigt hatte und dies mit dem gleichen Ziel, ihn „wütend zu machen“ (UA S. 12).“

    Damit stellt der BGH klar, dass das Gericht sich gerade im Sexualstrafrecht zumindest mit allen für die Beweiswürdigung relevanten Tatsachen auseinander setzen muss. Insbesondere in solch einem Fall – wenn Aussage gegen Aussage – steht, muss das Revisionsgericht alle Urteilsgründe überprüfen können.


  • Sexueller Missbrauch: Vor dem Landgericht Bochum muss sich ein 42-jähriger Lehrer verantworten. Ihm wird vorgeworfen über vier Monate eine sexuelle Beziehung zu einer 14-jährigen Schülerin geführt zu und sie missbraucht zu haben. Dabei soll er seine Stellung als Vertrauens- und Respektsperson ausgenutzt haben, nachdem sie ihm ihre Probleme anvertraut hatte. Der Mann hörte dem Mädchen zu und tröstete sie. Die „Beziehung“ der beiden begann daraufhin mit einvernehmlichen Zungenküssen, entwickelte sich aber bald in eine andere Richtung.

    Der Angeklagte soll das Mädchen im Folgenden unter Druck gesetzt und sie so zu sexuellen Handlungen bewogen haben. Das Mädchen sei verliebt gewesen und habe sich auf seine Wünsche eingelassen, um ihn nicht zu verlieren.
    Im Prozess wurde klar, dass der Lehrer bereits zuvor Beziehungen mit Schülerinnen führte, allerdings seien diese bereits 18 Jahre alt gewesen.
    Die Anklage fordert eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen sowie ein Berufsverbot.
    Die Verteidigung des Angeklagten forderte eine Freiheitsstrafe von elf Monaten und zwei Wochen auf Bewährung. Damit will der Anwalt erreichen, dass der Lehrer seinem Beruf weiterhin nachgehen kann. Allerdings hat der Angeklagte nach einer Suspendierung den Dienst quittiert.
    Die Nebenklage des mittlerweile 15-jährigen Mädchen forderte keine konkrete Strafe, war aber sogar gegenüber einer Bewährungsstrafe offen.
    Ein Urteil wird Anfang September erwartet.

    ( Quelle: Der Westen online vom 31.08.2011 )


  • OLG Köln, Beschluss vom 01.02.2011, Az.: III-1 RVs 18/11

    Nach Strafanzeige des Jugendamtes wegen sexuellem Missbrauch von Kindern wurde auf Beschluss vom Amtsgericht Aachen die Wohnung des Angeklagten durchsucht. Die Durchsuchung sollte der Auffindung von Beweismitteln führen. Es konnte bei der Durchsuchung ein Computer sichergestellt werden. Bei der Überprüfung wurden acht kinderpornografische Darstellungen gefunden.

    Das Amtsgericht hat den pädophilen Angeklagten sodann wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b StGB IV Satz 1 zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Zugleich hat es die „im Zusammenhang mit diesem Verfahren sichergestellten Gegenstände“ eingezogen.
    Die vom Angeklagten eingelegte Berufung zum Landgericht führte nicht zu einer Abänderung des Urteils, die Berufung wurde verworfen.

    Die dagegen eingelegte Revision zum Oberlandesgericht war dann jedoch erfolgreich. Das Urteil wurde mit seinen Feststellungen aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

    Das OLG zu der insoweit erfolgreichen Revision:

    „Die Strafkammer hat zu den Tatbestandsmerkmalen des § 184b Abs. 4 S. 1 StGB keine zureichenden Feststellungen getroffen, sondern im Wesentlichen nur die Rechtsbegriffe dieser Norm wiedergegeben, ohne sie durch entsprechende tatsächliche Feststellungen auszufüllen (vgl. zu diesem Erfordernis: § 267 Abs. 1 StPO; SenE v. 22.07.2005 – 82 Ss 6/05 – mit Nachweisen = VRS 109, 277 = NStZ-RR 2005, 378 = StraFo 2006, 28 = wistra 2005, 440; Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 267 Rn. 5). Nur bei ganz einfachen Rechtsbegriffen, die allgemein geläufig sind, kann eine solche Auflösung in konkrete Tatsachen entbehrlich sein (SenE a.a.O.). Bei den Tatbestandsmerkmalen des § 184 b Abs. 1 S. 1 StGB handelt es sich indes nicht um solche – allgemein bekannten und verständlichen – Rechtsbegriffe (vgl. BGH, Beschluss v. 25.07.2007 – 2 StR 279/07 -; Meyer-Goßner a.a.O. § 267 Rn. 3).“

    Nach zutreffender Auffassung des OLG kann ein Verweis auf Akten und die Wiedergabe des Wortlauts der einschlägigen Normen nicht ausreichen. Vielmehr muss ein Urteil für das Revisionsgericht überprüfbar sein. Dies setzt voraus, dass dem Urteil die tatsächlichen Feststellungen zu entnehmen sind. Im vorliegenden Fall hätte das Berufungsgericht insbesondere die sexuellen Handlungen näher beschreiben müssen, um dem OLG die Prüfung eines pornographischen Geschehens zu ermöglichen.


  • Dem Beschwerdeführer wurde unter anderem vorgeworfen, sich des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in elf Fällen, davon in drei Fällen zum Nachteil des dann 16-jährigen und in drei Fällen zum Nachteil des sodann 14-jährigen Mohamed H., schuldig gemacht zu haben.

    Die damals 16- und 14-jährigen Geschädigten wollten sich als Nebenkläger im Nebenklageverfahren gemäß § 396 StPO dem Verfahren anschließen. Allerdings wussten ihre Eltern davon nichts und dürften auch laut Aussagen der Jungen aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes nicht davon erfahren. Ansonsten hätten sie familiäre Probleme und Repressalien zu befürchten.

    Das Landgericht hat die Nebenklage durch Kammerbeschluss bestätigt. Den Verletzten wurde ein Beistand bestellt.

    Dagegen legte der Angeklagte Beschwerde ein. Zur Begründung führte er an, dass die minderjährigen Verletzten nicht prozessfähig seien und daher der Nebenklageanschluss nicht wirksam erklärt werden konnte. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab.

    Der Fall kam zum Kammergericht Berlin.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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