Sicherungsverwahrung

  • Die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Anschluss einer psychiatrischen Unterbringung ist ein neuer eigenständiger Grundrechtseingriff.

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) musste sich ein weiteres Mal mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung befassen. Diesmal ging es um die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Anschluss an einer psychiatrische Unterbringungen. Das Gericht stellt klar, dass auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach der psychiatrischen Unterbringung ein neuer eigenständiger Grundrechtseingriff ist und nicht nur ein Ersatz für die bisherige unbefristete Maßregelung.

  • Das Urteil muss erkennen lassen, dass sich das Gericht seinem eingeräumten Ermessen bewusst war.

    Bereits im Jahr 2010 war der Angeklagte vom Landgericht Aachen wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Das Landgericht sah von der Anordnung der Sicherungsverwahrung ab. Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hatte damals Erfolg.

  • Die Sicherungsverwahrung bietet keinen zusätzlichen Schutz über der lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Stade wegen Mordes in drei Fällen und mehreren Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

    Zusätzlich stellte das Landgericht die besondere Schwere der Schuld fest.

    Darüber hinaus ordnete das Gericht auch noch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.

  • Ein Gutachten zum Bestehen eines Hanges im Sinne von § 66 StGB ist kein Gutachten über den Geisteszustand.

    Der Angeklagte stand wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Landgericht Mönchengladbach. Dabei ging es auch um die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das Gericht berücksichtigte bei der Feststellung, ob der Angeklagte einen Hang zu erheblichen Straftaten habe. Auch die Vorstrafen des Angeklagten, die bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt waren, waren zu berücksichtigen. Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision.

  • Die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dem Urteil des BVerfG.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Erfurt wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Wohnungseinbruchs, Diebstahls, vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, Beleidigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall versucht, zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

    Das Mitglied der Bandidos hat einen Rivalen der Hells Angels mit einer Machete niedergestreckt und soll dabei den Tod des Mannes beabsichtigt haben. Das Landgericht erkannte in der Tat niedere Beweggründe. Die Sicherungsverwahrung wurde vom Gericht dagegen nicht angeordnet, da es an den formellen Voraussetzungen fehlen würde.

    Gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wehrt sich die Staatsanwaltschaft mit Hilfe der Revision.

  • Ist die schwere körperliche Misshandlung bereits vor der Vergewaltigungshandlung beendet, so ist die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB nicht erfüllt.

    Der Angeklagte wurde wegen besonders schwerer Vergewaltigung vom Landgericht Bielefeld zu acht Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Nach Überzeugung des Landgerichts stritt sich der Angeklagte mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Als die Frau ihm ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete, verprügelte er die Geschädigte, bedrohte sie mit einem Küchenmesser und verletzte sie an der Hand. Anschließend warf er das Messer weg und vollzog mit der Geschädigten, die nicht mehr in der Lage war sich zu wehren, den Geschlechtsverkehr.

    Das Landgericht verneinte in diesem Fall die Qualifikation des Einsatzes einer Waffe nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB, weil der Täter die Waffe nicht mehr bei der Vergewaltigung verwendet habe. Gleichzeitig bejahte das Landgericht jedoch die Qualifikation wegen einer schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB. Dagegen richtet die Strafverteidigung ihre Revision.

  • Vor wenigen Sekunden ist es über die Ticker gelaufen: Der in Olso wegen 77-fachen Mordes angeklagte Anders Breivik wurde für seine Taten auf der norwegischen Insel Utøya sowie in der Stadt Oslo für schuldig gesprochen und wird zu einer Gefängnisstrafe von 21 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Richter hatten den 33-jährigen Mann für zurechnungsfähig gehalten.

  • Dem Beschuldigten wurden mehrere Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgeworfen.

    Die Jugendkammer des Landgerichts Frankenthal setzte den Haftbefehl außer Vollzug, mit der Auflage, dass sich der Beschuldigte regelmäßig bei einer Polizeidienststelle zu melden und Kindergärten und Schulen zu meiden habe.

    Auch nachdem das Hauptverfahren vor dem Landgericht Frankenthal startete und dem Angeklagten eröffnet wurde, dass auch eine Anordnung zur Unterbringung in der Sicherungsverwahrung möglich wäre, wurde der Haftbefehl weiter außer Vollzug gesetzt.

    Im Verfahren wurde der Angeklagte dann zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Aufgrund der hohen Strafe bejahte das Landgericht die Fluchtgefahr und setzte den Haftbefehl nun nicht mehr außer Vollzug. Der Angeklagte wehrte sich gegen das Urteil im Wege der Revision und legte durch die Strafverteidigung Beschwerde bezüglich der Inhaftierung ein.

  • BGH, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 5 StR 192/11

    Der Angeklagte, der bereits mehrfach wegen Sexualstraftaten verurteilt wurde, musste sich erneut vor dem Landgericht Cottbus wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung verantworten. Der Angeklagte soll auf einem Friedhof eine Trauernde angegriffen und mit heruntergelassener Hose gewürgt haben. Erst als der Lebensgefährte der Geschädigten einschritt und den Angeklagten wegschubste, ließ er von seinem Opfer ab. Das Landgericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und ordnete die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.
    Die Strafverteidigung wehrte sich mittels Revision gegen diesen Urteilsspruch.

    Der BGH gibt der Revision der Verteidigung dahingehend Recht, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht alle Umstände berücksichtigte, die für die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendig gewesen wären. Vor allem da die Vortaten mit größeren Abständen in den Jahren  1986, 1988, 1992, 1997 und 2002 erfolgten:

    „Gleichwohl kann der Senat im Ergebnis nicht eindeutig feststellen, dass auch die vom Bundesverfassungsgericht neu aufgestellten Verhältnismäßigkeitskriterien zweifelsfrei erfüllt sind, wenngleich dies keineswegs fernliegt. Die geforderte Schwere der drohenden Taten ist sicher gegeben. Auf die vom Bundesverfassungsgericht für Fälle rückwirkender Anwendung im Rahmen von § 66b oder § 67d StGB entwickelten nochmals deutlich strengeren Verhältnismäßigkeitskriterien (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – 5 StR 52/11, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) kommt es hier nicht an.
    Die Zweifel ergeben sich aus den vom Landgericht im Rahmen seiner Gefährlichkeitsprüfung hervorgehobenen Umständen nicht unbeträchtlicher Zwischenräume zwischen den Taten und einer nicht feststellbaren Eskalation von deren Häufigkeit und Schwere (vgl. UA S. 45).“

    Somit müssen bei der strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Sicherungsverwahrung auch nicht unbeträchtliche Zwischenräume zwischen den Taten und einer nicht feststellbaren Eskalation der Taten berücksichtigt werden.
    Damit hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Cottbus zurückverwiesen.


  • BGH, Beschluss vom 16.03.2011, Az.: 5 StR 581/10

    Das Landgericht Kiel hat den Angeklagten unter anderem wegen Verabredung eines Mordes (tateinheitlich eines Missbrauchs eines Kindes mit Todesfolge und einer Vergewaltigung mit Todesfolge) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
    Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten.
    Dazu hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich in einem Internetchat mit einem nicht identifizierten Mann, der unter dem Namen „kees“ fungierte, über Pläne zu Kindesmissbrauch mit extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen austauschte. Dabei erwogen die Männer, ein Kind zu entführen, zu vergewaltigen und anschließend zu ermorden. Die Männer erwogen fernen, ein Auto und ein Ferienhaus zu mieten. Als konkrete Tatzeit wurde der November 2009 in Aussicht genommen. Es kam zu keinem weiteren Chatgespräch.
    Das Landgericht sah hierin die Verabredung zu einem Verbrechen nach § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB.

    Dazu der BGH:

    „Eine Strafbarkeit setzt die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 176 mN, und vom 13. November 2008 – 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497). Der Gesetzeswortlaut lässt offen, in welchem Umfang ein Verabredender die Identität seines präsumtiven Mittäters kennen muss. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem Internetchatforum kennen, nicht aus. Allerdings hat sich die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, soweit ersichtlich, ausschließlich mit Fällen von den präsumtiven Mittätern bekannten Identitäten der jeweils anderen befasst (vgl. Roxin, JA 1979, 169; 171 f.; Schünemann in LK, 12. Aufl. § 30 Rn. 60 und 62; BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 – 3 StR 140/07, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 7, vom 13. November 2008 – 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 und vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174).“

    Danach setzt die Annahme der Verabredung zu einem Verbrechen nach Ansicht des BGH voraus, dass eine bindende Verabredung vorliegt, die jeder Beteiligte auch einfordern kann. Dies kann grundsätzlich auch zwischen Personen erfolgen, die lediglich unter Verwendung eines Tarnnamens kommunizieren. Allerdings ist eine verbleibende völlige Anonymität dann ausgeschlossen, wenn die verabredete Tat wie hier die gleichzeitige Anwesenheit beider Mittäter voraussetzt.
    Weiterhin kritisiert der BGH, dass das Landgericht nicht den Rücktritt vom Versuch der Beteiligung gemäß § 31 StGB geprüft hat, da der Angeklagte nicht einmal mehr mit „kees“ in Kontakt getreten ist. Es kam zu keinem Chatverkehr mehr. Weiterhin erfolgte keine vom Angeklagten zugesagte Buchung eines Ferienhauses.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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