sexueller Missbrauch von Kindern

  • 2. Strafsenat des BGH, Az.: 2 StR 178/09

    Das Landgericht hat den Angeklagten. wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mir sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, welche in vollem Umfang Erfolg hatte.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs führt dazu aus, dass es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen habe die Abweichungen der einzelnen Aussagen der Nebenklägerin darzustellen und nachvollziehbar zu begründen, wieso diese dennoch glaubhaft seien.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
    Im vorliegenden Fall, in dem das Landgericht selbst die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin für geboten erachtet hat und in dem die Aussagen der Geschädigten offensichtlich voneinander abweichen, war es erforderlich, die verschiedenen Angaben der Nebenklägerin näher darzulegen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Abweichungen erheblich sind und insbesondere, ob sie das Kerngeschehen betreffen.
    Das Landgericht beschränkt sich jedoch darauf mitzuteilen, dass die Aussagen im Kerngeschehen weitgehend konstant waren und es nur bei Nebensächlichkeiten zu Inkonstanzen kam, ohne dies im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen. Soweit das Landgericht bei der Auseinandersetzung mit der schriftlichen Aufstellung des Angeklagten, über diese Inkonstanten, Abweichungen der Angaben zu den sexuellen Handlungen selbst anspricht, lässt dies besorgen, dass die Aussagen der Nebenklägerin auch im Kernbereich nicht konstant waren.“

    Da es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, die Abweichungen der einzelnen Aussagen darzustellen und nachvollziehbar zu begründen hatte die Revision des Angeklagten Erfolg. Der Senat hob das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.


  • 2. Strafsenat des BGH, Akz.: 2 StR 437/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht „wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern, sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt“ worden. Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) rügte der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Hiermit kann er einen Teilerfolg erzielen.

    Die  tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchten sexuellen Missbrauchs nach § 176 Abs. 1 StGB (Fall 3) hält nach Auffassung des Strafsenats des BGH der rechtlichen Nachprüfung wie folgt nicht stand:

    Nach Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte das Kind gefragt, „ob sie seinen Penis mal streicheln wolle“. Als diese die Frage verneinte, nahm der Angeklagte von einer weiteren Tatausführung Abstand. Somit könnte ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB vorliegen. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein unbeendeter Versuch vorgelegen hat, der dem Täter den Rücktritt ermöglicht, wenn er „ohne weiteres Zutun allein durch Nichtweiterverfolgung der Tat“ von dieser zurücktritt.

    Entscheidend ist daher gewesen, ob der Angeklagte nach seiner Meinung alles zur Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolgs getan hat.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zwar hatte der Angeklagte durch seine Frage an B. zunächst alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan. Dass er deshalb in diesem Augenblick den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für möglich hielt, lag mit Blick auf den Umstand, dass einfache Aufforderungen in der Vergangenheit den gewünschten Erfolg gehabt hatten (UA S. 8), zwar nahe. Doch wäre dann, wenn der Angeklagte unmittelbar nach dieser letzten Ausführungshandlung seinen Irrtum erkannt hätte und zugleich zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass weitere Handlungen zum erstrebten Erfolg von Nöten wären, eine so genannte Korrektur seines Rücktrittshorizontes anzunehmen (vgl. dazu Fischer, StGB, 57. Aufl., § 24 Rn. 15a mN zur Rspr.), die die Annahme eines beendeten Versuchs ausschließen würde. Soweit das Tatopfer sofort nach der Aufforderung das Ansinnen des Angeklagten ablehnte, ist nach den bisherigen Feststellungen letztlich nicht auszuschließen, dass der Angeklagte in diesem Augenblick seinen Rücktrittshorizont tatsächlich korrigierte und erkannte, dass es zur Vollendung noch weiteren Handelns seinerseits bedurfte.
    Wäre er dabei ungeachtet der zur Zurückhaltung auffordernden Haltung seiner Ehefrau davon ausgegangen, dass ihm nach der Weigerung des Tatopfers noch weitere, gleichartige Handlungsmöglichkeiten – wie etwa die Wiederholung seiner Aufforderung, gegebenenfalls auch in fordernder Form, oder das Anbieten einer „Belohnung“ – zur Verfügung stehen, wäre der Versuch auch nicht fehlgeschlagen. Es ist auch insoweit nicht auszuschließen, dass der Angeklagte gerade im Bewusstsein dieser Möglichkeiten von der weiteren Tatausführung Abstand genommen hat und freiwillig und damit strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. BGH StV 1995, 634).“

    Aus den genannten Erwägungen konnte die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten sexuellen Missbrauchs keinen Bestand haben und war aufzuheben. Dies führte zur Änderung des Schuldspruchs und folglich zur Aufhebung der Einzelstrafe sowie des Gesamtstrafenausspruchs.


  • Eine Anwaltskanzlei, die im Auftrag der Erzdiözese München und Freising die Geschehnisse der Jahre 1945 bis 2009 hinsichtlich etwaigen Kindesmissbrauchs untersuchte, hat festgestellt, dass der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester und andere Mitarbeiter im großen Ausmaß vertuscht worden sein soll. Es seien Akten in erheblichem Umfang vernichtet worden. Zudem seien Aktenbestände in Privatwohnungen verbracht und dort einem manipulativen Angriff ausgesetzt worden.Es sei daher von einer beachtlichen Dunkelziffer auszugehen, die über die 159 Fälle von Übergriffen etwaiger Priester hinausgehe.

    Die Anwaltskanzlei bestätigte auch, dass diese Praktiken auch zu Zeiten des heutigen Papstes Benedikt XVI, der als Kardinal Joseph Ratzinger die Erzdiözese leitete, bestanden hätten.
    Die Anwaltskanzlei warf dem Ordinariat daher vor, dass aus einem „rücksichtslosen Schatz des eigenen Standes“ und einem „fehlinterpretierten klerikalen Selbstverständnis“ die körperlichen und seelischen Verletzungen der Opfer nicht beachtet worden seien. Hierunter sei auch der Fall des Priesters zu fassen, der in der Erzdiözese nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wieder als Seelsorger eingesetzt wurde.
    (Quelle: FAZ vom 04.12.2010 Nr. 283, S. 5)


  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 660/09

    Zeugenaussagen im Sexualstrafrecht: Der Angeklagte ist „wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Hier kann er einen Teilerfolg erzielen.

    Bei der Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter A. stützte sich die Jugendschutzkammer insbesondere auf die als glaubhaft erachtete Aussage von dieser. Weiter habe das Landgericht festgestellt, dass die Tochter A. bereits 1997 ihrer Halbschwester J.R. erzählt habe, ihr Vater habe an ihr „herumgemacht“ und auch versucht, in ihr einzudringen. Hierbei habe sie geweint und gerufen, der Angeklagte möge damit aufhören. Des Weiteren stellte das Landgericht diesbezüglich fest, dass die Halbschwester J.R in einer Nacht bei dem Nachhause kommen A. hörte, wie sie „Hör auf, es tut weh, lass das!“ und in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Vati“ rief.

    Allerdings verweigerte J.R. in der Hauptverhandlung ihre Aussage. Folglich konnte das Landgericht diese nicht verwerten. Daher wurde der Richter der Jugendschutzkammer als Zeuge in der Hauptverhandlung geladen, der die damalige Zeugenaussage der J.R. zusammengefasst hatte. Da er sich daran nicht mehr erinnern konnte, wurden ihm seine damaligen Aufzeichnungen vorgelegt.

    Hierin sieht der 4. Strafsenat des BGH einen Verstoß gegen § 252 i.V.m. § 261 StPO. Danach ist die Zeugenvernehmung eines Richters über eine vorangegangene Zeugenaussage eines Zeugen zwar möglich, jedoch nicht die Verwertung des Inhalts der Vernehmungsniederschrift selbst.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, einen Richter als Zeugen über die von der das Zeugnis in der Hauptverhandlung verweigernden Person gemachten Aussagen zu vernehmen, sofern er an einer richterlichen Vernehmung dieser Beweisperson beteiligt war (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 252 Rdn. 14 m. Nachw.). Auch dürfen dem Richter, der die Vernehmung durchgeführt hat, die Vernehmungsprotokolle – notfalls durch Vorlesen – als Vernehmungsbehelf vorgehalten werden (vgl. BGH NJW 2000, 1580). Grundlage der Feststellung des Sachverhalts kann jedoch nur das in der Hauptverhandlung erstattete Zeugnis des Richters über den Inhalt der früheren Aussage des jetzt die Aussage verweigernden Zeugen sein, nicht aber der Inhalt der Vernehmungsniederschrift selbst. Deshalb genügt nicht, wenn der Richter lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen; verwertbar ist nur das, was – ggf. auf den Vorhalt hin – in die Erinnerung des Richters zurückkehrt (BGH, Beschl. vom 4. April 2001 – 5 StR 604/00, StV 2001, 386; Meyer-Goßner aaO Rdn. 15).“

    Da sich im vorliegenden Fall der Richter nicht mehr hinreichend an die Inhalte der Aussage der J.R. erinnern konnte, ist es nach Auffassung des Strafsenats nahe liegend, dass das Landgericht nicht auf den Aussagen des Richters, sondern auf das Protokoll der richterlichen Vernehmung der J.R. vor der Jugendschutzkammer zurückgegriffen hat. Dies ist jedoch angesichts der oben stehenden Ausführungen unzulässig.

    Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Aussage der A ausdrücklich anhand der früheren Zeugenaussage der J.R. begründet und nicht auf andere Weise über die Wahrnehmung der J.R. über dieses mutmaßliche nächtliche Ereignis, was sie gehört haben soll, Beweis erhoben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einem anderen Ergebnis in der Beweiswürdigung gekommen wäre, wenn die frühere Zeugenaussage der J.R. nicht verwertet worden wäre. Somit ist der Schuldausspruch aufzuheben und über die Sache neu zu entscheiden.

    Abschließend macht der Senat noch darauf aufmerksam, dass „die im Bundeszentralregister getilgte frühere Verurteilung des Angeklagten gemäß § 51 Abs. 1 BZRG auch nicht bei der Beweiswürdigung zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden darf.“

  • Gegen eine Klinik für übergewichtige Kinder in Westerland auf Sylt wurde nun der Vorwurf wegen sexuellen Missbrauchs laut. Die Beteiligten sind Jungen im Alter von neun und dreizehn Jahren. Die Jungen waren im Juli dieses Jahres für jeweils sechs Wochen nach Sylt gekommen, um in dem von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) betriebenen Haus abzunehmen. Dabei sind die Kinder in Wohngruppe von bis zu 16 Kindern untergebracht. In einer dieser Wohngruppen, soll es zu Übergriffen gekommen sein. Zwei der Jungen vertrauten sich einem Betreuer an. Daraufhin wurden die mutmaßlichen Täter nach Hause geschickt.

    Die Mutter eines Opfers erstattete nun Strafanzeige. Sie gab an, dass ihr Sohn zu Oralverkehr und Zungenküssen gezwungen worden sei. Man geht davon aus, dass bis zu zwölf Jungen betroffen sind und das es sich um vier Täter handelt. Ein DAK-Sprecher spricht von „erweiterten Doktorspielen“ und verneint jegliche sexuelle Gewalt. Die Vorfälle seien nicht zu bagatellisieren, aber dies sei häufiger vorgekommen bei Kindern dieses Alters. Die Bezeichnung von „erweiterten Doktorspielen“ wurde jedoch umgehend von der DAK zurückgenommen und als nicht angebracht bezeichnet. Die DAK bedauere die Vorkommnisse aufs Allertiefste.

    Ein Opfervertreter wirft der DAK vor die ganze Angelegenheit vertuschen zu wollen. Die Flensburger Staatsanwaltschaft hat den Eingang der Strafanzeige bestätigt. Problematisch in diesem Fällen ist jedoch, dass die Täter zur Tatzeit strafunmündig waren. Weitere Informationen zum Sexualstrafrecht und den einzelnen Delikten wie der sexuelle Missbrauch an Kindern finden Sie ausserdem auf der Seite zum Sexualstrafrecht.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt vom 15.09.2010, S. 14, vom 16.09.2010, S. 18 )

  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 282/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, insgesamt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Mit der gegen das Urteil eingelegten Revision kann der Angeklagte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Teilerfolg erzielen.

    Wie der Strafsenat in seinem Beschluss ausführt, habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass bei der Begehung der ersten vier Straftaten noch die Vorschrift des § 176 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 galt und demnach gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden war, da Abs. 1 der Vorschrift einen minder schweren Fall vorsah. Aufgrund der vom Landgericht vorgenommenen Strafzumessung und Begründung ist es nicht auszuschließen gewesen, dass das Landgericht die alte Vorschrift zum Zeitpunkt der Tatbegehung angewendet hatte.

    So heißt es im Wortlaut des Beschlusses:

    „Dessen Vorliegen kann der Senat in den Fällen 1 bis 4 im Hinblick auf die von der Strafkammer angeführten Strafzumessungskriterien (UA 36) und die Höhe der verhängten Einzelstrafen (jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe) nicht hinreichend sicher ausschließen. Hinsichtlich Fall 5 ist dem Urteil (UA 5, 22) zwar zu entnehmen, dass diese Tat nach dem 1. April 2004 begangen wurde. Der Senat hebt jedoch wegen des engen Zusammenhangs zwischen den Taten auch insofern den Strafausspruch auf, zumal die Revision zutreffend darauf verweist, dass die Erwägung, dass „beide Zeuginnen auch Jahre später erkennbar noch unter den Folgen der Taten leiden“ (UA 36), sehr allgemein gehalten und in den Feststellungen sowie der Beweiswürdigung weder konkretisiert noch näher belegt ist.“

    Aus diesem Grund ist der Strafausspruch aufzuheben und von der Strafkammer am Landgericht erneut vorzunehmen.


  • In dem Fall des größten Kindermissbrauchs in Europa ist ein Urteil gesprochen worden.
    In Portugal sollen die sieben Angeklagten, unter ihnen mehrere Prominente aus Politik und Medien, über Jahrzehnte 32 Jungen aus dem staatlichen Kinderheim Casa Pia missbraucht haben. Zur jetzigen Zeit befinden sich alle Angeklagten in Freiheit, da die Mindestdauer für die Untersuchungshaft bereits überschritten wurde.
    Die ersten Taten kamen erst 2002 zur Anzeige. Daraufhin meldeten sich noch weitere Opfer. Erschreckend erscheint vor diesem Hintergrund, dass das staatliche Kinderheim seit ca. 200 Jahren besteht und angeblich vor 80 Jahren die ersten Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt geworden sein sollen.
    Bei diesem Verfahren handelt es sich um eines der längsten der portugiesischen Justiz. Nach 462 Prozesstagen, nahm der Prozess, der im November 2004 begonnen hatte, heute ein Ende.
    Die Staatsanwaltschaft forderte für die Angeklagten mindestens fünf Jahre Haft ohne Bewährung.
    Kritiker werfen der portugiesischen Justiz andauernde Verschleppung der Ermittlungen vor, welche mit der Prominenz oder dem Einfluss mancher Angeklagten begründet wird. Durch diesen Prozess seien die Schwächen des portugiesischen Rechtssystems offen gelegt worden.
    Die Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und 18 Jahren verurteilt.
    (Quelle: spiegel-online vom 03.09.2010 und 07.09.2010)

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 69/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Mönchengladbach wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in insgesamt sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Außerdem wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Angeklagte richtet sich mit seiner Revision gegen seine Verurteilung und kann einen Teilerfolg vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erzielen.

    Der damals 57 oder 58 Jahre alte Angeklagte baute zu zwei Mädchen aus der Nachbarschaft im Alter von zehn bis zwölf Jahren eine Freundschaft auf und kümmerte sich im Einverständnis mit dessen Eltern um diese, indem er mit den Kindern Ausflüge unternahm oder sie von der Schule abholte. Während der Sommerferien 2008 befanden sich die Kinder ständig von morgens bis abends bei ihm. In diesem Zeitraum von Anfang Juni bis Ende August 2008 missbrauchte er die beiden Kinder.

    Während der Strafausspruch nach Ansicht des Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden sei, könne die Anordnung der Sicherungsverwahrung jedoch nicht bestehen bleiben, „da das Landgericht weder einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch eine auf ihm beruhende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten tragfähig begründet hat“.

    Hierzu führt der Senat aus:

    „Das Merkmal „Hang“ im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt – nach sachverständiger Beratung – unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände dem Richter in eigener Verantwortung (BGH, Urt. vom 17. Dezember 2009 – 3 StR 399/09 – Rdn. 4).“

    Einer solchen Feststellung fehlt es jedoch im angefochtenen Urteil. Das Landgericht stellt lediglich fest, dass  „bei dem Angeklagten die aus psychologisch-psychiatrischer Sicht für einen Hangtäter sprechenden Risikofaktoren für die Begehung weiterer sexueller Missbrauchstaten von Kindern nach Anzahl und Gewicht (überwiegen). Dieses ließe erwarten, dass der Angeklagte auch weitere im mittleren bis schweren Bereich anzusiedelnde sexuelle Missbrauchstaten begehen wird.“

    Daran lässt sich erkennen, dass das Landgericht die Entscheidung über das Merkmal des Hanges einem Sachverständigen überließ sowie eine notwendige Gesamtwürdigung von Taten und Täterpersönlichkeit fehlt. Das ist jedoch bei einer solchen Prognose einzubeziehen:

    „Diese [Gesamtwürdigung] ist mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen, wenn – wie hier – bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB in Ermangelung von symptomatischen Vortaten und neuerlicher Delinquenz trotz erfolgter Strafverbüßung die Tatsachengrundlage besonders schmal ist (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 1). In die Würdigung wäre hier u. a. einzustellen gewesen, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte bislang ein unauffälliges Leben führte und aus mehreren, zum Teil langjährigen Beziehungen mit Frauen insgesamt vier erwachsene Kinder hatte. Zudem handelte es sich um einen äußerst kurzen Tatzeitraum.“

    Auch die Gleichstellung von einer positiven Gefährlichkeitsprognose mit der Feststellung eines Hangs wäre rechtsfehlerhaft, da beides keine identischen Merkmale sind und dieses auch im Gesetz unterschieden wird. Vielmehr ist der Hand nur ein wesentliches Kriterium für eine Prognose.

    Des Weiteren sei nach Ansicht des Strafsenats auch die Beurteilung der Gefährlichkeit rechtlich zu beanstanden. Zwar sei das vom Landgericht verwendete Prognoseinstrument „Static 99“ ein Instrument, das zur Vorhersage von Rückfällen bei Sexualdelinquenz verwendet werden kann, jedoch sei das Ergebnis des Sachverständigen nicht ersichtlich erklärt. Insbesondere ist es fraglich, wie ein so hoher Risikowert zu Stande kommen kann, wenn es sich um einen nahezu 60 jährigen Angeklagten mit langjährigen Beziehungen zu Frauen handelt, der zu den Opfern und in der Nachbarschaft über Jahre eine gute Beziehung hatte sowie bei seiner Tat ohne Gewalt vorging. Auch unterlässt das Landgericht darzulegen, welche Straftaten in welchem Zeitraum sowie mit welcher Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten nach deren Prognoseentscheidung auszugehen sind. Hier beschränkt sich das LG Mönchengladbach auf die Festestellung des „hohe Risikos“ beim Angeklagten.

    Insgesamt können solche statistischen Prognoseinstrumente für die Prognose nur Anhaltspunkte liefern, eine fundierte Einzelbetrachtung daher nicht ersetzen. Es bedarf auch einer Einzelfallanalyse durch einen Sachverständigen.

    Angesichts der Rechtsfehler ist das Urteil aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen. Für die neue Entscheidung über den Maßregelausspruch ist die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen zu empfehlen.


  • Strafrecht / Aktuelle Nachrichten / sexueller Missbrauch

    Die Staatsanwaltschaft Darmstadt teilte mit, dass die Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs gegen den früheren Schulleiter der Odenwaldschule sowie gegen fünf ehemalige Lehrer eingestellt worden seien. „Wir haben keine Sachverhalte gefunden, die bis in die Jetzt-Zeit oder in die nicht-rechtsverjährende Zeit geführt haben.“, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt. Insgesamt wurden damit ungefähr ein Dutzend Verfahren im Zusammenhang mit der Odenwaldschule eingestellt. Lediglich ein Fall ist wahrscheinlich nicht verjährt.
    (FAZ vom 17.06.2010 Nr. 137, S. 4)

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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