Sexualstrafrecht

  • Wird ein Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, muss grundsätzlich die Bedeutungslosigkeit begründet werden.

    Das Landgericht Freiburg verhandelte im Strafprozess gegen den Angeklagten wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

    Er soll eines Nachts seine Tochter und deren 17-jährige Freundin abgeholt haben, um sie zu seiner geschiedenen Frau zu bringen. Als er die Wohnung erreichte, soll er seine Tochter aus dem Wagen gelassen und gesagt haben, dass er mit ihrer Freundin noch etwas besprechen müsste.

  • Wurde ein 14-Jähriger wegen sexuellen Handlungen an einer 13-jährigen Klassenkameradin verurteilt, begründet dies nicht in allen Fällen einer DNA-Entnahme.

    Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit einem Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern zwischen einem 14-jährigen Beschuldigten und einer 13-jährigen Klassenkameradin zu beschäftigen. Der Junge hatte seiner Klassenkameradin einen Knutschfleck am Hals gemacht und ihr mit seinen Händen an das bedeckte Geschlechtsteil gegriffen. Der Junge wurde vom Amtsgericht Arnstadt daraufhin verwarnt und ihm wurden 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit auferlegt.

  • Stützt sich eine Verurteilung auf die Aussage eines einzelnen Belastungszeugens, so muss die Urteilsbegründung der Revisionsinstanz eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit ermöglichen.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Saarbrücken wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ein Berufsverbot von fünf Jahren verhängt.

  • Die Ruhensregelung des § 78b StGB zählt nicht für Taten, die vor Inkrafttreten bereits verjährt waren.

    Das Landgericht Cottbus verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in elf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dabei nahm das Landgericht an, dass sieben Fälle zwischen Februar 1996 und dem Zeitraum Herbst 1998 bis September 1999 geschahen.

  • Ein junges Alter des Tatopfers rechtfertigt alleine noch keine Strafschärfung beim sexuellen Missbrauch von Kindern.

    Die Strafkammer des Landgerichts Koblenz hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht strafschärfend, dass das geschädigte Mädchen erst 12 Jahre alt war. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.

  • Erleidet das Missbrauchsopfer keine psychischen oder physischen Auswirkungen, kann dies strafmildernd berücksichtigt werden.

    Das Landgericht Halle verurteilte den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, dessen Vollstreckung es zur Bewährung aussetze. Dagegen richtete die Staatsanwaltschaft die Revision. Die Anklagebehörde kritisiert, dass das Landgericht strafmildernd berücksichtigt hätte, dass die Tat für das Opfer keine psychischen oder physischen Auswirkungen gehabt habe.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hält dies jedoch für einen legitimen Strafmilderungsgrund:

    „Die Strafkammer durfte strafmildernd berücksichtigen, dass die Taten für die Opfer keine psychischen oder physischen Auswirkungen hatten und haben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1986 – 2 StR 608/85).“

    Auch sieht der BGH keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht positiv bewertet hatte, dass der Angeklagte keinen direkten körperlichen Zwang oder Gewalt auf das Opfer ausübte. Denn im Urteil hieß es, dass aufgrund der Nichtanwendung von Zwang oder Gewalt die Strafkammer im unteren Bereich des Strafrahmens bleiben konnte. Damit wertete sie dies nicht als eine Strafmilderung, die bei einer gewaltfreien Begehung der § 176 und § 176a StGB nicht vorgesehen ist, sondern lediglich als Orientierung für die Strafzumessung.

    Damit hatte die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2011, Az.: 4 StR 428/11


  • Die Sicherungsverwahrung bietet keinen zusätzlichen Schutz über der lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Stade wegen Mordes in drei Fällen und mehreren Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

    Zusätzlich stellte das Landgericht die besondere Schwere der Schuld fest.

    Darüber hinaus ordnete das Gericht auch noch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.

  • Macht ein Verwandter in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO Gebrauch von seinem Aussageverweigerungsrecht, dürfen frühere Angaben von ihm nicht als Beweismittel berücksichtigt werden.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Erfurt wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Mann soll 2001 die damals 10-jährige Geschädigte in seiner Wohnung zuerst mit der Zunge geküsst und anschließend mit ihr den Vaginalverkehr vollzogen haben. Bei späteren Besuchen soll es zu weiteren sexuellen Handlungen gekommen sein.

    Der Angeklagte bestritt die Tat und sagte, dass sein Sohn mit der Geschädigten in einem Zimmer übernachtet hätte. Das Landgericht sah dies als widerlegt an, weil der Sohn aussagte, er habe am Abend die Wohnung verlassen. Gegen die Verurteilung richtet sich die Strafverteidigung mit der Revision.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt fest, dass laut Sitzungsniederschrift der Sohn des Angeklagten nicht zur Sache aussagte, sondern nach seiner Belehrung vom Aussageverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch machte. Auch gibt es keine Anhaltspunkte, dass die Angaben des Sohnes durch die Vernehmung einer Verhörsperson in das Hauptverfahren eingeführt worden sein könnten. Damit verstößt die Kammer gegen das Unmittelbarkeitsprinzip, wenn es Beweismittel berücksichtigt, die nicht in die Verhandlung eingeführt wurden.

    Darüber hinaus stellte das Landgericht fest, dass der Angeklagte unter einer ausgeprägten histironischen und narzisstischen Persönlichkeit sowie einer pädophilen Nebenströmung litt. Der Senat gibt dabei zu bedenken, dass solche Merkmale im Sinne des § 20 StGB nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern in einer Gesamtschau bewertet werden müssen. Auch bezügliches des Zungenkusses gibt der Senat zu bedenken, ob die Erheblichkeitsschwelle in diesem Fall schon überschritten wäre:

    „Sofern sich das Tatgericht erneut davon überzeugt, dass der Angeklagte im Fall II. 4 der Urteilsgründe versucht hat, die Geschädigte zu küssen, wird es auch zu prüfen haben, ob insoweit die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB überschritten ist. Als erheblich im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche Handlungen zu werten, die nach Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen“

    Insoweit hatte die Revision der Strafverteidigung somit Erfolg. Eine andere Strafkammer des Landgerichts muss sich mit der Sache neu befassen.

    BGH, Beschluss vom 12. September 2012, Az.: 2 StR 219/12


  • Ein Verbreiten benötigt nicht zwingend eine körperliche Weitergabe.

    Der Angeklagte wurde wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte an einem 13-jährigen Mädchen sexuelle Handlungen vorgenommen und davon Fotos gemacht, um die Bilder anschließend im Internet zu vermarkten.

    Die Staatsanwaltschaft sah darin einen schweren sexuellen Missbrauch im Sinne des § 176a Abs. 2 StGB (a.F.), der eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren vorsah, wenn der Täter in der Absicht handelte, pornografische Schriften anzufertigen und später zu verbreiten.

    Das Landgericht Würzburg stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dass ein „Verbreiten“ nicht vorliegt, wenn die Bilder lediglich im Internet zugänglich gemacht werden. Denn ein „Verbreiten“ würde zwingend eine körperliche Weitergabe erfordern.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) folgte jedoch in der Revision der Auffassung der Staatsanwaltschaft und sieht auch im Zugänglichmachen per Internet die „Verbreitung“ von Kinderpornografie als erfüllt an. Genauer definiert der BGH in diesem Urteil das „Verbreiten“ und das „Zugänglichmachen“ im Internet:

    „Ein Verbreiten im Internet liegt danach dann vor, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers sei es im (flüchtigen) Arbeitsspeicher oder auf einem (permanenten) Speichermedium angekommen ist. Dabei ist es unerheblich, ob dieser die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten genutzt oder ob der Anbieter die Daten übermittelt hat.“

    Zur Abgrenzung zum Zugänglichmachen führt der BGH aus:

    „Ein Zugänglichmachen liegt bereits dann vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird. Hierfür reicht die bloße Zugriffsmöglichkeit aus; nicht erforderlich ist, daß auch ein Zugriff des Internetnutzers erfolgt (vgl. BGH NJW 2001, 624, 626: Auschwitzlüge im Internet). Das unterscheidet das Zugänglichmachen vom Verbreiten, bei dem der Nutzer die heruntergeladene Datei vervielfältigen und weitergeben kann (Pelz wistra 1999, 53, 54).“

    Somit unterscheiden sich das Zugänglichmachen und das Verbreiten vor allem dadurch, dass beim letzteren die Datei bei einem Internetznutzer angekommen ist.

    BGH, Urteil vom 27. Juni 2001, Az.: 1 StR 66/01

  • Es muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, dass der Täter in Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

    Der Angeklagte leidet seit 1997 an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie mit inhaltlichen Denkstörungen, paranoider Symptomatik und teilweise eindeutig wahndeterminiertem Verhalten. Eine im Jahr 2004 angeordnete Unterbringung nach § 63 StGB wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte befand sich daraufhin in einer Therapieeinrichtung.

    Nach der Feststellung des Landgerichts Trier führte er gegen den Willen einer sich ebenfalls in der Therapieeinrichtung befindenden schwerbehinderten Frau den Oralverkehr mit ihr durch. Die Strafkammer hielt den Angeklagten zur Tatzeit für schuldunfähig. Aus diesem Grund sprach das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung frei, ordnete jedoch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung des Angeklagten mit der Revision.

    Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist ein besonders gravierender Eingriff in die Rechte des Betroffenen. Aus diesem Grund muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, dass der Täter in Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht dafür nicht aus.

    Ein Sachverständiger vor dem Landgericht führte aus, dass beim Angeklagten die Bereitschaft zur Gewalt eher gering bis moderat ausgeprägt sei. Er attestierte dem Angeklagten eine moderate bis deutliche Rückfallgefahr:

    „Ohne Therapie oder andere risikosenkende Maßnahmen sei eine Rückfallfreiheit zwar möglich, jedoch nicht wahrscheinlich. Im Weiteren wird ausgeführt, die Legalprognose sei „aktuell sehr ungünstig, im günstigsten Fall neutral“. In Freiheit sei mit „deutlicher“ Wahrscheinlichkeit wieder mit Delinquenz zu rechnen; bei nicht genügender Medikation sei „durchaus“ mit Gewaltdelikten, wie Körperverletzungen aber auch mit Sexualstraftaten und Tötungsdelikten zu rechnen.“

    Der Bundesgerichtshof (BGH) kritisiert, dass das Landgericht zwar von zukünftigen erheblichen rechtswidrigen Taten überzeugt war, jedoch nicht klar machte, was für Taten zu erwarten seien. Ebenfalls seien die Ausführungen des Sachverständigen nicht geeignet, um eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu belegen.

    Aus diesem Grund hebt der BGH das Urteil des Landgerichts auf. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Revision hatte insoweit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012, Az.: 2 StR 180/12

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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