Sexualstrafrecht

  • Beruft sich ein Zeuge auf Erinnerungslücken, muss das Landgericht erforschen, ob der Zeuge Fragen bezüglich dieses Themas gezielt vermeiden möchte.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Hagen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach Überzeugung des Landgerichts habe der Angeklagte mit der Lebensgefährtin seines Bruders in ihrem Bett eine DVD geschaut. Als die junge Frau einschlief, vermutlich auch aufgrund einer überdosierten Einnahme von Antidepressiva, soll der Angeklagte sie entkleidet und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen haben. Als die Frau aufwachte, ließ er sofort von ihr ab. Die Frau vertraute sich ihrem Lebensgefährten erst an, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger sei.

    Dagegen wehrte sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Ist die schwere körperliche Misshandlung bereits vor der Vergewaltigungshandlung beendet, so ist die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB nicht erfüllt.

    Der Angeklagte wurde wegen besonders schwerer Vergewaltigung vom Landgericht Bielefeld zu acht Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Nach Überzeugung des Landgerichts stritt sich der Angeklagte mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Als die Frau ihm ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete, verprügelte er die Geschädigte, bedrohte sie mit einem Küchenmesser und verletzte sie an der Hand. Anschließend warf er das Messer weg und vollzog mit der Geschädigten, die nicht mehr in der Lage war sich zu wehren, den Geschlechtsverkehr.

    Das Landgericht verneinte in diesem Fall die Qualifikation des Einsatzes einer Waffe nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB, weil der Täter die Waffe nicht mehr bei der Vergewaltigung verwendet habe. Gleichzeitig bejahte das Landgericht jedoch die Qualifikation wegen einer schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB. Dagegen richtet die Strafverteidigung ihre Revision.

  • Beruft sich ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach erstmaliger Belehrung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, dürfen frühere Vernehmungen nur dann verwertet werden, wenn der Zeuge dem ausdrücklich zustimmt.

    Vor dem Landgericht Gera wurde dem Angeklagten schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in 111 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, vorgeworfen. Das Landgericht sah seine Schuld als bewiesen an und verurteilte ihn zu 13 Jahren Freiheitsstrafe.

    Das Landgericht hatte dazu auch die drei Töchter des Angeklagten, die nach der Urteilsfeststellung die Geschädigten sind, als Zeuginnen vernommen. Die Töchter beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO. Nach Entlassen der Zeuginnen wurde die richterliche Vernehmung der Zeuginnen verlesen.

    Hiergegen richtet sich die Revision der Strafverteidigung.

  • Das freiwillige Einräumen von Falschbeschuldigungen erhöht nicht die Glaubwürdigkeit.

    Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, seine Tochter unter dem T-Shirt an die Brust und in die Schlafanzughose im Schambereich gegriffen zu haben. Ebenfalls soll er das Mädchen aufgefordert haben, sich komplett auszuziehen. Dies hatte die Tochter bei der Polizei ausgesagt. In der Hauptverhandlung verweigerten die geschädigte Tochter, ihre Mutter, Großmutter und Schwester die Aussage.

    Bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung zuvor gestand die Tochter, dass die bei der Polizei erhobenen Vorwürfe zum Teil erlogen wären. Dies tat sie, um sich an ihren Vater zu rächen. Trotzdem glaubte das Landgericht Chemnitz der Zeugin in den restlichen Fällen und verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Dagegen legte die Strafverteidigung die Revision ein.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt fest, dass bei einer „Aussage gegen Aussage“-Situation das urteilende Gericht alle Umstände, die für die Entscheidung erheblich sind, einbeziehen muss. Das Landgericht wertete die Angabe des Mädchens so, dass es teilweise gelogen hatte, so dass dadurch erst recht die Glaubwürdigkeit bezüglich der restlichen Vorwürfe steigen würde. Dies sieht der BGH anders:

    „Diese Erwägungen greifen zu kurz. Die – vom Landgericht unterstellte – Lüge gerade hinsichtlich der gewichtigsten bei der Polizei erhobenen Vorwürfe stellte die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin insgesamt in schwerwiegender Weise in Frage. Das Landgericht hat schon nicht geprüft, ob das Motiv der Rache auch für eine mögliche Falschbelastung des Angeklagten im Verurteilungsfall in Betracht kam. Wesentlich erschwerend tritt hinzu, dass das Tatgericht sich keinen unmittelbaren Eindruck von der Zeugin verschaffen und eine fundierte Glaubhaftigkeitsprüfung auf der Grundlage aussagepsychologischer Methoden nicht durchführen konnte, da hierfür im Hinblick auf die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts durch die Zeugin zu wenig Aussagematerial zur Verfügung stand.“

    Daher hätten weitere Gründe für die Glaubwürdigkeit der Zeugin vorliegen müssen. Diese hat das Landgericht in seiner Urteilsbegründung jedoch nicht erwähnt. Der BGH geht nicht davon aus, dass ein neues Tatgericht zu einer Verurteilung des Angeklagten gelangen könnte. Aus diesem Grund hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg und der Angeklagte wird vom Senat freigesprochen.

    BGH, Beschluss vom 12. September 2012, Az.: 5 StR 401/12

  • Schiebt eine Geschädigte immer weitere sexuelle Handlungen bezüglich einer Vergewaltigung hinterher, muss dieses Verhalten in einer Gesamtwürdigung berücksichtigt werden.

    Wegen Körperverletzung in zwei Fällen und Vergewaltigung in zehn tateinheitlichen Fällen wurde der Angeklagte vom Landgericht Saarbrücken zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafverteidigung rügt in ihrer Revision, dass das Landgericht die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin nicht hinreichend erforscht hätte.

  • Das Versprechen der Ehefrau zum Geschlechtsverkehr kann einen minder schweren Fall der Vergewaltigung begründen.

    Den Angeklagten und die Nebenklägerin verband seit viereinhalb Jahren eine platonische Beziehung. Das Paar hatte im März 2011 geheiratet und auf der Hochzeitsreise in der Türkei sollte der Geschlechtsakt vollzogen werden.

    Aus Angst vor der Entjungferung verwehrte sich die Frau jedoch am ersten Abend und es blieb beim Austausch von Zärtlichkeiten. Als sie auch am zweiten Abend den Geschlechtsverkehr nicht vollziehen wollte, wurde der Ehemann wütend und erzwang den Sex gewaltsam.

    Das Landgericht Braunschweig sah in diesem Verhalten eine Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung. Einen minder schweren Fall gemäß § 177 Abs. 5 Alt. 1 StGB nahm das Landgericht nicht an. Dagegen richtet die Strafverteidigung erfolgreich ihre Revision.

  • Tatopfer im Sinne des § 179 StGB („Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen“) kann nur sein, wer unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen.

    Der Angeklagte wohnte mit der Geschädigten in einer gemeinsamen Wohnung. Ohne dass sie ein Paar waren, schliefen sie gelegentlich einvernehmlich miteinander. Ebenfalls konsumierten sie regelmäßig gemeinsam Drogen und Psychopharmaka. Dabei wirkte ein Psychopharmakon besonders einschläfernd.

    Als die Geschädigte durch die Medikamente nachts besonders fest schlief, soll der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen haben. Dabei sei sie wohl aufgewacht, hätte sich jedoch aufgrund der Drogen und der Tabletten nicht dagegen wehren können und schlief wieder ein.

    Das Landgericht Koblenz verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß §§ 197 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Der Täter muss für den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a wissen, dass es sich um ein Kind handelt.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Bielefeld wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 42 Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauches eines Kindes in 31 Fällen zu neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wehrte sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Beziehungsgegenstand beim Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften ist lediglich die Festplatte und nicht das komplette Notebook.

    Das Landgericht Magdeburg verurteilte einen Mann wegen des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften und zog, auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützt, das Notebook des Mannes ein. Hiergegen wendet sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Vor dem Landgericht Itzehoe ging ein Verfahren zu Ende, das selbst den Richter entsetzte. Angeklagt waren ein 48-jähriger Vater und sein 18-jähriger Sohn. Über Jahre hinweg sollen sie, gemeinsam mit einem weiteren 16-jährigen Sohn, drei Töchter der Familie sexuell missbraucht haben.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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