Deal

  • In einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt gegen einen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagten mutmaßlichen Unterstützer der „Sauerland-Gruppe“, will dieser scheinbar ein Geständnis ablegen. Der Vorsitzende Richter hatte zu Beginn des Prozesses signalisiert, dass eine Einigung zwischen Gericht, Anklage und Verteidigung nicht ausgeschlossen sei.

    Dem 28jährigen Angeklagtem Salih S., welcher im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, dass er zwischen dem 26.11.2006 und dem 08.03.2007 im Auftrag eines Mitgliedes der „Sauerland-Gruppe“ in 23 Fällen militärische Ausrüstungsgegenstände beschafft habe.
    (Quelle: FAZ vom 02.10.2010 Nr. 229, S. 4)

  • Az.: 7 Ns 610 Js 13070/09 – AK 113/09 (LG Freiburg)

    Die Angeklagte war vom AG Freiburg wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmittel tateinheitlich begangen mit Beihilfe zum Handeltreiben mit solchen jeweils in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Zudem wurde das sichergestellte Handy der Angeklagten eingezogen.

    Gegen dieses Urteil legten die Angeklagte und auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch.

    Unabhängig der Feststellungen des Gerichts zum Tathergang stand die Frage im Raum, ob sich die Angeklagte mit dem Gericht verständigt hatte und es somit zu einem milderen Strafausspruch kommen könnte. Die Rechtslage ist vor dem Hintergrund des am 4.9.2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren noch uneinheitlich und im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung vorerst zu entscheiden.

    Hierzu stellt das Landgericht Freiburg fest:

    “Obgleich in dem am 04.08.2009 in Kraft getretenen „Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren“ ausdrückliche Hinweise für die Handhabung der Besonderheiten des Berufungsverfahrens fehlen und sich weder dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD und dessen Begründung (BT-Drucks 16/11736) noch dessen ausführlicher Würdigung durch Jahn und Müller (NJW 2009. 2625: Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren – Legitimation und Reglementierung der Absprachenpraxis) entnehmen lassen, geht die Kammer ohne weiteres davon aus, dass Verständigungen auch im Berufungsrechtszug möglich und zulässig sind. Etwaige Regelungslücken können durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden.“

    Diese angewandt könnte eine Verständigung bereits durch die Rücknahme des Rechtsmittels in der Berufung aufseiten der Angeklagten und zu ihren Gunsten vorliegen.

    Der Senat führt diesbezüglich aus:

    „Entsprechend der in der Berufungshauptverhandlung erfolgten Verständigung i. S. d. § 257 c StPO hat die den Tatvorwurf bisher bestreitende Angekl. ihre unbeschränkt eingelegte Berufung zurückgenommen, so dass die Kammer nur noch über die – auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte – Berufung der StA zu befinden hatte. Zwar ist in § 257 c Abs. 2 S. 2 StPO festgelegt, dass „Bestandteil jeder Verständigung ein Geständnis sein soll“. Ein solches wurde im vorliegenden Fall gerade nicht abgelegt. Die Kammer hat jedoch diese Soll-Vorschrift im Licht des § 257 c Abs. 2 S. 1 StPO gesehen, wonach Gegenstand einer Verständigung auch das „Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten“ sein darf. Dementsprechend kann im Berufungsverfahren dem Erfordernis eines Geständnisses i. S. d. § 257 c Abs. 2 S. 2 StPO die Beschränkung der Berufung auf  den Rechtsfolgenausspruch oder – wenn wie hier zugleich die StA eine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung eingelegt hat – die Rücknahme des eigenen Rechtsmittels genügen.“

    Dies bedeutet, dass die Verständigung der Angeklagten im Sinne des §257 c Abs. 2 S. 2 StPO als solche anzuerkennen und die Revision erfolgreich ist.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 528/09

    Der Angeklagte war vom Landgericht Hannover wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden. Hiergegen wendet er sich mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

    Auf Antrag des Angeklagten wird diesem nach Versäumung der Frist zur Begründung seiner Revision die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, die Revision im Übrigen als unbegründet verworfen. Nach Ansicht des 3. Strafsenats des BGH hält das Urteil der rechtlichen Nachprüfung stand.

    Jedoch fügt der Senat noch folgende Bemerkung (obiter dictum) hinzu, da dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist und das Landgericht diesbezüglich auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen hat:

    „Die Bezugnahme auf die Niederschrift wäre zwar nicht geeignet, einer etwaigen Dokumentationspflicht über den Inhalt einer Verständigung in den Urteilsgründen Genüge zu tun, da die Urteilsurkunde aus sich heraus verständlich sein muss und eine Bezugnahme nur im Rahmen von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässig ist (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 267 Rdn. 8). § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO (eingefügt durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 – BGBl I 2353) erfordert indes lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257 c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll „auch für die Urteilsgründe Transparenz“ herstellen (BegrRE BTDrucks. 16/12310 S. 15). Hierfür ist die Angabe des Inhalts der Verständigung nicht erforderlich. Insoweit findet die notwendige Dokumentation in der Sitzungsniederschrift statt (§ 273 Abs. 1 a StPO). Diese ist ggf. die Grundlage für die – vom Revisionsgericht nicht von Amts wegen, sondern nur aufgrund einer Verfahrensrüge unter erforderlichem Tatsachenvortrag vorzunehmende – Prüfung, ob das Verfahren nach § 257 c StPO eingehalten worden ist (anders wohl Meyer-Goßner aaO EH § 267 Rdn. 1).“

    Der 3. Strafsenat des BGH zeigt mit dieser Entscheidung die Notwendigkeit und die Anforderung an eine Dokumentation einer Verständigung (sog. „Deal“) auf, die das Landgericht hier nicht eingehalten. Da die Revision jedoch im Übrigen unbegründet war, konnte dennoch ein Verwerfungsbeschluss erlassen werden.

  • Wiederaufnahme
    von Dr. Böttner, Strafverteidiger aus Hamburg

    Die Arbeitsgruppe 6 warf einen Blick auf das (bisher zu wenig genutzte) Instrument der Wiederaufnahme in Strafsachen. Trotz der nicht ganz unbeachtlichen Funktion dieses Rechtbehelfs findet die Wiederaufnahme in der Praxis zu wenig Aufmerksamkeit. Dem gilt es langfristig entgegenzuwirken und bereits im frühen Stadium der Juristenausbildung durch eine gezielte Ausbildung und Beschäftigung mit dem Thema für weitere Grundlagen zu sorgen.

    Wichtig für ein rechtsstaatliches Verfahren: Der Verurteile muss auch nach seiner Verurteilung die Chance und Möglichkeit haben, asservierte Spuren bei der Kriminalpolizei oder bei der Staatsanwaltschaft fachkundig untersuchen zu lassen. Vorraussetzung hierfür ist, dass die neuen Tatsachen zu einer Erschütterung der Urteilsgründe führten könnten und die neuen Tatsachen und Beweise somit von einer hohen Relevanz für das (abgeschlossene) Verfahren als solches, aber auch seiner persönlichen Verurteilung sind.

    Dass ein solches Verfahren in ähnlicher Form zu Erfolg führen kann für den unschuldig Verurteilten, zeigten bereits die in den USA angewandten „Innocence-Projects“, in dessen Rahmen 220 rechtskräftig verurteilte Straftäter aufgrund der neuen Erkenntnisse freigelassen worden sind.

    Die Arbeitsgruppe begrüßt ein solches Projekt und empfiehlt die Einführung eines vergleichbaren Projekts in Deutschland. In Zusammenarbeit mit einer Stiftung oder einem Lehrstuhl an einer Universität könnte somit eine neue Plattform erschaffen werden, die Kontakte zu Sachverständigen zu knüpfen ermöglicht und dem Verurteilten und dessen (früheren) Strafverteidiger bei den neuen Schritten zum Wiederaufnahmeverfahren begleitet.

    Ferner ist nach Auffassung der Teilnehmer der AG dem Verurteilten bei einer möglichen Wiederaufnahme nach §§ 359 Zif. 2 und 3 StPO und § 364 StPO des Verfahrens das Beteiligungsrecht als Nebenkläger einzuräumen.  Auch soll ein Wiederaufnahmegrund bei einer Beteiligung des (früheren) Strafverteidigers an einem prozessordnungswidrigen „Deal“ ohne Veranlassung durch den Verurteilten eingeräumt werden.

    Die AG macht allerdings auch deutlich, dass eine effektive Verteidigung in Wiederaufnahmesachen auch eine angemessene Honorierung erfordert. Hier sollten die geltenden Vorschriften des RGV entsprechend angepasst werden.

    Zudem sollten vor allem vor dem Hintergrund des Informationsbedürfnisses der Beteiligten die technischen Möglichkeiten eines Inhaltsprotokolls in der Hauptverhandlung eingesetzt werden.

    Zum Schluss stellen die Teilnehmer der Arbeitsgruppe abschließend fest, dass eine Verkürzung der Rechtskraft bei unschuldig Verurteilten unangemessen und so der Rechtsfrieden gestört ist.


  • Der Angeklagte war vom LG Hamburg wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Anschließend rügte der Angeklagte die Beweiswürdigung des Gerichtes, so dass der BGH über die vom Angeklagten beantrage Revision zu entscheiden hatte.

    Das Hauptargument der erhobenen Verfahrensrüge betrifft das durch den Angeklagten im späteren Verlauf der Verhandlung widerrufene Geständnis, welchem das LG einem „indiziellen Charakter“ zusprach. Jedoch beruhe dieses Aussageverhalten auf der Tatsache, dass die Richter dem Angeklagten im Rahmen eines Verständigungsversuchs für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze von 4 Jahren angeboten hatten, nachdem die Lebensgefährtin und die Nebenklägerinnen vernommen worden sind. Dieses Angebot nahm der Angeklagte auch an.

    Als der Angeklagte abschließend jedoch einen vom Geständnis abweichenden Tathergang schilderte und das Gericht daraufhin erneut in die Beweisaufnahme eingetreten war, widerrief er seine Aussage. Ferner behauptete er, das Geständnis nur in Erwartung des ihm offerierten (günstigeren) Strafrahmens abgelegt zu haben.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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