Zeuge

  • Der Bundestag hat in der letzten Woche weitgreifende Änderungen der Strafprozessordnung verabschiedet. Die Freigabe von Online-Durchsuchung und Staatstrojaner führte verständlicherweise bereits zu einem breiten Medienecho, weniger bekannt dürfte bis dato die erhebliche Ausweitung polizeilicher Befugnisse gegenüber dem unbescholtenen Normalbürger geworden sein, speziell die Beschneidung seiner bisherigen Rechte in Bezug auf die Zeugenvernehmung:

    Bisher musste eine Person einer Vorladung der Polizei weder als Zeuge noch als Beschuldigter folgen. Es stand jedem frei, ob er bei der Polizei erscheinen und mit den Beamten sprechen oder gegebenenfalls erst einen Anwalt kontaktieren wollte. Die Handlungsempfehlung ist dabei eindeutig –
    Beschuldigte sollten einer Vorladung der Polizei grundsätzlich nie folgen, sondern sich stattdessen den Rat eines Anwalts einholen. Bei Zeugen gibt es ebenfalls etliche Konstellationen, bei denen von einer Aussage ohne Beistand durch einen Anwalt dringend abzuraten ist. Denn in vielen Fällen wurden durch unbedachte Äußerungen aus Zeugen schnell Beschuldigte.

  • Vor dem Amtsgericht wurde der Frage nachgegangen, wer der Führer des Unfallwagens bei einem tödlichen Unfall im Jahre 2011 war. In Frage kam entweder der angeklagte Halter des Fahrzeuges oder aber der tödlich verunglückte Mitinsasse.

  • Im Strafprozess wird zwischen dem Aussageverweigerungsrecht und dem Zeugnisverweigerungsrecht unterschieden. Ersteres betrifft den Beschuldigten selbst, Letzteres dagegen potentielle Zeugen. Dabei gelten die Grundsätze sowohl bezüglich eines Vorwurfs bei Straftaten als auch bei Ordnungswidrigkeiten, also beispielsweise auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung.

  • Was eine Falschaussage im Strafprozess anrichten kann, zeigt eindrucksvoll ein aktueller Fall aus Darmstadt.

    Eine 48-Jährige Lehrerin hat ihrem damaligen Kollegen eine Sexualstraftat vorgeworfen. Er soll sie im Biologie-Vorbereitungsraum im Jahre 2001 vergewaltigt haben (§ 177 StGB). Das Landgericht Darmstadt verurteilte den Lehrer wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

    Der Angeklagte bestritt die Tat bis zuletzt und wurde deswegen erst nach Verbüßen der gesamten Freiheitsstrafe entlassen. Dank seines hartnäckigen Strafverteidigers kam es 2011 jedoch zu einem Wiederaufnahmeverfahren. Im neuen Strafverfahren wurde der Lehrer sodann freigesprochen. Bereits ein Jahr später verstarb der Mann jedoch und kann nun am Prozess gegen die damalige Belastungszeugin nicht mehr teilnehmen.

  • Vergewaltigungen haben häufig nicht nur physische, sondern auch psychische Folgen. Über aktuelle Beispiele aus Kiel, Flensburg oder Indien berichteten die Medien jüngst.

    Folgen einer Vergewaltigung können bereits dann eintreten, wenn sexuelle Handlungen lediglich vor einem Opfer begangen wurden. Daher sehen viele Sexualstrafdelikte nicht nur eine Strafe bei sexuellen Handlungen „an“ einem Opfer vor, sondern auch bei sexuellen Handlungen „vor“ einem Opfer. Dies betrifft auch den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB. „Sexuelle Handlungen vor einem anderen“ erlauben jedoch einen weiten Interpretationsspielraum. Sie sind deshalb in § 184g Nr. 2 StGB legaldefiniert. Demnach muss ein Opfer den Vorgang auch tatsächlich „wahrnehmen“, um im Rahmen der sittlichen Gefährdung quasi „passives Opfer“ einer Vergewaltigung zu werden.

  • Im Strafprozess geht es maßgeblich um die Frage, ob das erkennende Gericht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt ist. Das Revisionsgericht hat nur zu beurteilen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, eine eigene Beweiswürdigung der Sache darf das Revisionsgericht grundsätzlich nicht selbst durchführen. Nach ständiger Rechtsprechung liegt solch ein Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. Auch in dem hier behandelten Fall (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013, Az.: 5 StR 466/12) ging es primär um die Beweiswürdigung.

  • Sind die Angaben eines Opfers im Falle des sexuellen Missbrauchs von Kindern nur „insoweit“ glaubhaft, so ist der Zeuge nicht insgesamt glaubwürdig.

    Das Landgericht Erfurt verurteilte den Angeklagten strafrechtlich unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Dabei stützte das Gericht sein Urteil auf die Aussage des Opfers unter Inanspruchnahme eines Glaubhaftigkeitsgutachtens. Die Kammer nahm an, dass die Schilderung des Opfers mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einem wahren Erlebnishintergrund beruhige. Deswegen wurde die Zeugin insgesamt als glaubwürdig angesehen.

  • Wird ein Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, muss grundsätzlich die Bedeutungslosigkeit begründet werden.

    Das Landgericht Freiburg verhandelte im Strafprozess gegen den Angeklagten wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

    Er soll eines Nachts seine Tochter und deren 17-jährige Freundin abgeholt haben, um sie zu seiner geschiedenen Frau zu bringen. Als er die Wohnung erreichte, soll er seine Tochter aus dem Wagen gelassen und gesagt haben, dass er mit ihrer Freundin noch etwas besprechen müsste.

  • Korrigiert ein Zeuge bei falschen Vorhalten seine Aussage, spricht dies möglicherweise für eine Suggestibilität des Zeugens.

    Nach einem Dorffest kam es auf dem Heimweg zwischen dem Angeklagten und der mutmaßlich Geschädigten zum Oralverkehr. Dabei wurden die Beiden vom langjährigen Freund der Frau erwischt. Während der Angeklagte von einvernehmlichem Oralverkehr spricht, behauptet die Frau, dass er sie vergewaltigt habe.

  • Schildert ein Zeuge eine Situation in zwei verschiedenen Vernehmungen unterschiedlich, so ist nicht von einem konstanten Aussageverhalten auszugehen.

    Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den Angeklagten wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die von der Strafverteidigung eingelegte Revision hatte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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