Tochter

  • BGH, Beschluss vom 10.11.2010, Az.: 2 StR 403/10

    Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen unter Einbeziehung von anderen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts vollzog der Angeklagte in drei Fällen mit seiner damals zehnjährigen Tochter, der Nebenklägerin, vaginalen ungeschützten Geschlechtsverkehr. Die Fälle ereigneten sich alle im Jahr 1999, wobei der Geschlechtsverkehr zunächst im elterlichen Bett, später im Keller und dann im Auto vollzogen worden sei. Bezüglich weiterer angeklagten Fälle sprach das Landgericht den Angeklagten frei.

    Die Verurteilungen stützt das Gericht auf die Angaben der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 21 Jahre alten Nebenklägerin. Diese hatte 2008 aus der Haft heraus einen Brief an ihren Vater geschrieben, in dem sie ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigte. Der Brief wurde bei der Briefkontrolle angehalten. Der Angeklagte bestritt die Taten.

    Der 2. Strafsenat des BGH gab der insoweit erfolgreichen Revision statt, da revisionsrechtlich erhebliche Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung durch das Landgericht gemacht worden sind und somit ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt:

    „Insoweit begegnet es schon Bedenken, dass das Landgericht ersichtlich nicht bedacht hat, dass die Detailarmut der Angaben der Nebenklägerin Auswirkungen auf die Aussagekraft des Konstanzkriteriums für die Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 – 4 StR 370/99). Die Kammer begründet die Konstanz der Angaben der Nebenklägerin letztlich damit, dass sie in Übereinstimmung mit ihrer polizeilichen Aussage auch im Rahmen der Hauptverhandlung keine näheren Details zu berichten wusste (UA S. 15).
    Jedenfalls wäre eine umfassende Würdigung von Anlass und Motiv des Briefes für die Würdigung der Aussagegenese und -entwicklung von Bedeutung gewesen. Insoweit hat die Kammer schon bei der Beurteilung der Frage, ob die Nebenklägerin den Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnte, erkennbar nicht alle erheblichen Umstände in ihre Überlegungen miteinbezogen. Nach den Feststellungen wollte die Nebenklägerin mit ihrem Brief den Vater „wütend machen“ bzw. beeindrucken und verängstigen, weil sie ihre seit 2001 vom Angeklagten getrennt lebende Mutter vor „eventuellen Angriffen“ des Angeklagten schützen wollte. Wenn die Kammer daraus schließt, dass nur ein wahrer Vorwurf geeignet sei, den Angeklagten zu verängstigen, überzeugt dies ohne nähere Begründung nicht, denn grundsätzlich kann auch der wahrheitswidrige Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs eine Person verängstigen und in Wut versetzen. Zudem hat die Kammer bei ihrer Würdigung rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, dass die Nebenklägerin den Angeklagten in demselben Brief auch wahrheitswidrig des sexuellen Missbrauchs anderer Kinder bezichtigt hatte und dies mit dem gleichen Ziel, ihn „wütend zu machen“ (UA S. 12).“

    Damit stellt der BGH klar, dass das Gericht sich gerade im Sexualstrafrecht zumindest mit allen für die Beweiswürdigung relevanten Tatsachen auseinander setzen muss. Insbesondere in solch einem Fall – wenn Aussage gegen Aussage – steht, muss das Revisionsgericht alle Urteilsgründe überprüfen können.


  • Sexualstrafrecht: Im Prozess um den sexuellen Missbrauch von Fluterschen vor dem Landgericht Koblenz hat der mutmaßliche Täter nun doch ein Teilgeständnis abgelegt. Der Familienvater, dem vorgeworfen wird seine Tochter und seine Stieftochter mehr als zwanzig Jahre sexuell missbraucht zu haben, hat nun zugegeben, dass er mit seiner leiblichen Tochter Geschlechtsverkehr hatte.
    Er räumte ein, dass er um den zwölften Geburtstag der Tochter herum mit ihr Geschlechtsverkehr auf dem Rücksitz seines Wagens in einem Waldstück hatte. Zudem gab er zu, dass er seine leibliche Tochter ca. zwei Jahre später in eine Scheune brachte, in der sie Geschlechtsverkehr mit zwei anderen Männern haben musste.

    Damit bestätigte er die Zeugenaussage der Tochter. Diese wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen worden. An manchen Stellen der Befragung war auch der Angeklagte ausgeschlossen worden. Dies hatte die Rechtsanwältin der Tochter beantragt, da diese sonst die Aussage verweigert hätte. Während der Vernehmung sei die Tochter mehrfach in Tränen ausgebrochen, so dass unterbrochen werden musste, so der Richter in seiner anschließenden Zusammenfassung.

    ( Quelle: FAZ vom 17.02.2011 Nr. 40, S. 9 )


  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 660/09

    Zeugenaussagen im Sexualstrafrecht: Der Angeklagte ist „wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Hier kann er einen Teilerfolg erzielen.

    Bei der Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter A. stützte sich die Jugendschutzkammer insbesondere auf die als glaubhaft erachtete Aussage von dieser. Weiter habe das Landgericht festgestellt, dass die Tochter A. bereits 1997 ihrer Halbschwester J.R. erzählt habe, ihr Vater habe an ihr „herumgemacht“ und auch versucht, in ihr einzudringen. Hierbei habe sie geweint und gerufen, der Angeklagte möge damit aufhören. Des Weiteren stellte das Landgericht diesbezüglich fest, dass die Halbschwester J.R in einer Nacht bei dem Nachhause kommen A. hörte, wie sie „Hör auf, es tut weh, lass das!“ und in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Vati“ rief.

    Allerdings verweigerte J.R. in der Hauptverhandlung ihre Aussage. Folglich konnte das Landgericht diese nicht verwerten. Daher wurde der Richter der Jugendschutzkammer als Zeuge in der Hauptverhandlung geladen, der die damalige Zeugenaussage der J.R. zusammengefasst hatte. Da er sich daran nicht mehr erinnern konnte, wurden ihm seine damaligen Aufzeichnungen vorgelegt.

    Hierin sieht der 4. Strafsenat des BGH einen Verstoß gegen § 252 i.V.m. § 261 StPO. Danach ist die Zeugenvernehmung eines Richters über eine vorangegangene Zeugenaussage eines Zeugen zwar möglich, jedoch nicht die Verwertung des Inhalts der Vernehmungsniederschrift selbst.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, einen Richter als Zeugen über die von der das Zeugnis in der Hauptverhandlung verweigernden Person gemachten Aussagen zu vernehmen, sofern er an einer richterlichen Vernehmung dieser Beweisperson beteiligt war (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 252 Rdn. 14 m. Nachw.). Auch dürfen dem Richter, der die Vernehmung durchgeführt hat, die Vernehmungsprotokolle – notfalls durch Vorlesen – als Vernehmungsbehelf vorgehalten werden (vgl. BGH NJW 2000, 1580). Grundlage der Feststellung des Sachverhalts kann jedoch nur das in der Hauptverhandlung erstattete Zeugnis des Richters über den Inhalt der früheren Aussage des jetzt die Aussage verweigernden Zeugen sein, nicht aber der Inhalt der Vernehmungsniederschrift selbst. Deshalb genügt nicht, wenn der Richter lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen; verwertbar ist nur das, was – ggf. auf den Vorhalt hin – in die Erinnerung des Richters zurückkehrt (BGH, Beschl. vom 4. April 2001 – 5 StR 604/00, StV 2001, 386; Meyer-Goßner aaO Rdn. 15).“

    Da sich im vorliegenden Fall der Richter nicht mehr hinreichend an die Inhalte der Aussage der J.R. erinnern konnte, ist es nach Auffassung des Strafsenats nahe liegend, dass das Landgericht nicht auf den Aussagen des Richters, sondern auf das Protokoll der richterlichen Vernehmung der J.R. vor der Jugendschutzkammer zurückgegriffen hat. Dies ist jedoch angesichts der oben stehenden Ausführungen unzulässig.

    Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Aussage der A ausdrücklich anhand der früheren Zeugenaussage der J.R. begründet und nicht auf andere Weise über die Wahrnehmung der J.R. über dieses mutmaßliche nächtliche Ereignis, was sie gehört haben soll, Beweis erhoben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einem anderen Ergebnis in der Beweiswürdigung gekommen wäre, wenn die frühere Zeugenaussage der J.R. nicht verwertet worden wäre. Somit ist der Schuldausspruch aufzuheben und über die Sache neu zu entscheiden.

    Abschließend macht der Senat noch darauf aufmerksam, dass „die im Bundeszentralregister getilgte frühere Verurteilung des Angeklagten gemäß § 51 Abs. 1 BZRG auch nicht bei der Beweiswürdigung zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden darf.“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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