3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 452/09
Die Angeklagte ist vom Landgericht Düsseldorf wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handel mit diesen Drogen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, über die der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte.
Nach den Feststellungen des Landgerichts Düsseldorf erhielt die Angeklagte auf dem Flughafen Montego Bay in Jamaika zwei Bescheinigungen über eingeliefertes Fluggepäck von einem Unbekannten. Die Bescheinigungen bezogen sich auf zwei Koffer Dritter Personen, die bereits für den der Angeklagten Flug über Düsseldorf nach London aufgegeben und bis zum Zielflughafen „durchgecheckt“ waren. Dabei nahm die Angeklagte in Kauf, dass der Inhalt der zwei Koffer auch illegale und für den Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel enthielt. Wie sich später zeigte, waren in den Gepäckstücken insgesamt 30 Kilogramm Marihuana enthalten. Dieses wurde durch eine zollamtliche Kontrolle ohne das Wissen der Angeklagten am Flughafen in Düsseldorf festgestellt, die zur Sicherstellung der Drogen führte.
Zur Frage der Voraussetzungen einer Beihilfe beim Handel mit Betäubungsmitteln nach dem BtMG führt der 3. Strafsenat des BGH aus:
„Befördert der Täter während eines Fluges zwischen zwei im Ausland gelegenen Orten, der durch einen Transitaufenthalt in einem deutschen Flughafen unterbrochen wird, Betäubungsmittel in seinem Fluggepäck, so erfüllt dies den Tatbestand der (versuchten) Einfuhr im Sinne der § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG in subjektiver Hinsicht nur, wenn der Täter weiß oder wenigstens damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, er werde das betreffende Gepäckstück während des Zwischenaufenthalts jedenfalls auf Verlangen ohne Schwierigkeiten erhalten (BGHSt 31, 374, 376 ff.; BGH NStZ 2003, 92; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 780). Nimmt er dagegen eine solche tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel während der Flugunterbrechung in Deutschland nicht spätestens im Zeitpunkt der Landung (vgl. BGH, Beschl. vom 4. März 1994 – 2 StR 49/94) in seinen Vorsatz auf, so begeht er lediglich eine (versuchte) Durchfuhr nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 BtMG.“
Das Landgericht Düsseldorf ist in den Urteilsfeststellungen davon ausgegangen, dass der Angeklagten der mögliche Zugriff auf die zwei in Rede stehenden Gepäckstücke und den damit einhergehenden strafrechtlichen Konsequenzen bewusst gewesen ist. Der BGH sieht dies jedoch anders und gelangt unter Berücksichtung des Einzelfalls und aller Umstände zu einem abweichenden Ergebnis:
„Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Es hat festgestellt, dass der Angeklagten bereits bei Antritt des Fluges bewusst war, sie werde mit den ihr übergebenen Gepäckabschnitten während des – mindestens dreistündigen – Zwischenaufenthalts in Düsseldorf Zugriff auf die beiden Koffer haben. Indes fehlt es an einer diese Feststellung tragenden Beweiswürdigung. Worauf der Schluss auf die Vorstellungen der Angeklagten insoweit beruht, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Die Kenntnis von den Möglichkeiten, bei einem Transit an das Fluggepäck zu gelangen, versteht sich auch bei einem erfahrenen Flugreisenden nicht von selbst, sondern bedarf der Feststellung auf Grund einer fehlerfreien Würdigung aller Umstände des Einzelfalles (BGH NStZ 2003, 92; StV 1987, 105; Weber aaO).“
Die weiteren Feststellungen des LG Düsseldorf bezüglich der Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter Durchfuhr von Betäubungsmittel in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit eben solchen in nicht geringer Menge sind nicht von diesem Rechtsfehler erfasst und bleiben daher unberührt.
Der Senat ändert jedoch den Schuldspruch ab, was zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch führt. Die Revision war insoweit erfolgreich.
4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 102/09
Der Angeklagte hatte zusammen mit dem Mitangeklagten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans im Zeitraum vom 1.12.2006 bis zum 20.11.2007 in mindestens 40 Fällen zum gewinnbringenden Weiterverkauf jeweils mindestens 1 kg Marihuana gekauft. Das Rauschgift wurde anschließend zu einem Mindestpreis von 4000 Euro pro kg Marihuana veräußert. Der Angeklagte wurde daraufhin wegen unerlaubten Handelstreiben nach dem BtMG in nicht geringer Menge in 40 Fällen zu einer Gesamtstrafe von 3 Jahren verurteilt.
Des Weiteren hat das Landgericht Rostock gegen ihn und den nicht revidierenden Mitangeklagten den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 80.000 Euro angeordnet. Begründet wurde dies mit folgender Rechnung: Der Angeklagte und der Mitangeklagte hätten angesichts eines Mindestpreises von 4000 Euro pro kg Marihuana und unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 500 Euro pro Kilogramm aus dem gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreiben mit 40 kg Marihuana einen Gesamtbetrag von 160.000 Euro „erlangt“, für das beide nun gesamtschuldnerisch haften würden. Allerdings ist das LG den Angeklagten bereits entgegen gekommen und hat aufgrund der unbilligen Härte gegenüber den jungen Tätern eine gesamtschuldnerische Haftungsbegrenzung auf 80.000 Euro eingeführt. Gegen das Urteil und der Höhe des Verfalls wendet sich der Angeklagte in seiner Revision.
Der BGH stellt dazu fest:
““Erlangt“ im Sinne von §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB ist ein Vermögensvorteil nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer die faktische Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (BGH NStZ 2003, 198, 199; Senatsbeschluss vom 1. März 2007 – 4 StR 544/06). Bei mehreren Tatbeteiligten am unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über die Rauschgifterlöse zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte (BGH aaO; vgl. auch BGH NStZ-RR 2007, 121). Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlenden Darlegungen des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08).“
Das LG hatte die Höhe des durch die Geschäfte und das Handeltreiben mit dem Marihuana entstandenen Erlöses unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages durch Schätzung gemäß § 73b StGB festgestellt. Für die tatsächliche jeweilige Verfügungsgewalt der Tatbeteiligten über die Erlöse aus den Geschäften und der Mitverfügungsgewalt des Angeklagten an diesen Erlösen waren jedoch weder durch die Ermittlungen der Polizei noch durch Zeugenaussagen und Vernehmungen konkrete Anhaltspunkte ersichtlich.
Daraus lassen sich zwar Feststellungen über das mittäterschaftliche Zusammenwirken des Angeklagten und Mitangeklagten gewinnen und auch als Beweismittel rechtfertigen, jedoch nicht hinsichtlich der vom LG angenommen Gesamtschuldnerischen Haftung aufgrund der Mitverfügungsgewalt. Insbesondere ergibt sich daraus nicht von selbst die vom LG ausgeführte Stellung des Angeklagten als „Großdealer“, zumal der Mitangeklagte ebenfalls einzelne Beschaffungsfahrten auch alleine durchgeführt und selbstständig größere Mengen Rauschgift erworben hat, um es später gewinnbringend zu veräußern.
Nach Ansicht des BGH ist daher insgesamt gemäß § 357 Satz 1 StPO „die Aufhebung der Verfallsanordnung auch auf den früheren Mitangeklagten D. zu erstrecken (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2).“
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner