Zueignungsabsicht

  • BGH, Beschluss vom 14.02.2012, Az.: 3 StR 392/11

    Der Angeklagte ergriff nach Feststellung des Landgerichts Duisburg das Handy des Geschädigten. Auf dem Handy wollte er nach Beweisen für eine Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester eines Mitangeklagten suchen. Dabei übertrug er die Bilddateien des Handys auf sein eigenes Handy. Bei der Tat soll es dem Angeklagten gleichgültig gewesen sein, ob der Geschädigte das Gerät zurückerlange. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Raubes.

    Die Strafverteidigung rügte die Verurteilung. Es fehle hier an der Zueignungsabsicht im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB. Dies sieht auch der BGH so und gibt der Revision der Strafverteidigung statt:

    Danach hat sich der Angeklagte nicht eines Verbrechens des Raubes, sondern nur einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, denn er handelte nicht, wie § 249 Abs. 1 StGB voraussetzt, in der Absicht, das Mobiltelefon sich oder einem Dritten zuzueignen. Weder wollte er sich den Substanz- oder Sachwert des Geräts aneignen, noch hat er dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1968 – 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307 zur fehlenden Aneignungskomponente bei der Wegnahme zwecks Inhaftierung; S/S-Eser/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 53, 55; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., § 242 Rn. 82; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 150). Es fehlt an dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 19a) oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“, „zu beschädigen“, sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701; vom 26. September 1984 – 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 jeweils mwN; OLG Köln, Beschluss vom 6. Mai 1997 – Ss 226/97 – 93, NJW 1997, 2611). Dass die vom Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und das Kopieren der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lag, ändert hieran nichts, denn dies führte nicht zu deren Verbrauch (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – RReg 4 St 158/91, juris, zum Kopieren und Verwerten von auf Diskette gespeicherten Daten; Cramer, CR 1997, 693, 696; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 154).

    Auch bezüglich einer möglichen räuberischen Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255 StGB fehle es an der Bereicherungsabsicht. Der bloße Besitz einer Sache bildet nämlich nicht immer einen Vermögensvorteil:

    Auch eine – bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386) – Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt vorliegend nicht in Betracht, denn der Angeklagte handelte nicht in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10 mwN, NStZ 2011, 699, 701; BGH, Beschluss vom 19. August 1987 – 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1 zu einem Fall der Wegnahme zwecks Beweisvereitelung).“

    Damit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Wegen Raubes oder räuberischer Erpressung hat sich der Angeklagte demnach nicht strafbar gemacht.

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht Hannover wegen schwerer räuberischer Erpressung, Raubes in zwei Fällen, räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung, Erpressung, Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 4. Juni 2009 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtsstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt worden.

    Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und kann einen Teilerfolg erzielen.

    Nach Feststellungen des Landgerichts ist der Sachverhalt wie folgt:

    Der Zeuge sollte dem Angeklagten sein Mobilfunktelefon zeigen. Als der Angeklagte dieses an sich nahm, verlangte er für die Rückgabe des Geräts 20 Euro. Er zielte somit auf das Geld und nicht auf das Handy ab. Da sich der Zeuge weigerte, diese Summe zu zahlen, fasste der Angeklagte den Entschluss, das Handy zu behalten und entfernte sich nach Rückgabe der SIM-Karte an den Zeugen mit dem Mobiltelefon in seiner Tasche. Daraufhin folgte ihm der Zeuge und verlangte sein Eigentum zurück. Der Angeklagte schlug dem Zeugen mit der flachen Hand ins Gesicht und drohte ihm ferner mit Schlägen, falls er ihn weiter verfolgen würde.

    In diesem Tathergang sah das Landgericht einen räuberischen Diebstahl.

    Nach Ansicht des Strafsenats des BGH hält der Schuldausspruch bezüglich des räuberischen Diebstahls aus den folgenden Gründen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

  • 4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 354/09

    Der Angeklagte war vom LG Frankenthal wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 StGB), Diebstahls in 15 Fällen und versuchten Diebstahl (§ 242 StGB) in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision. Der BGH gibt der Revision teilweise statt.

    So hat sich der Angeklagte nach den Feststellung des Landgerichts am Vormittag des 20.10.2008 in einem Kindergarten begeben und eine Geldbörse aus einer Handtasche, die vor einem Gruppenraum abgestellt war, mit Aussicht auf einen möglichst wertvollen Inhalt (Geld) entwendet. Allerdings erwies sich der Inhalt der Geldbörse als wenig wertvoll, insbesondere erhielt diese kein Geld. Daraufhin entledigte er sich wieder der Geldbörse und des Inhalts.

    Das LG nahm diesbezüglich an, dass mit der vorübergehenden Aneignung der Geldbörse als Behälter bereits der Tatbestand eines vollendeten Diebstahls im Sinne des §242 Abs. 1 StGB vorliegt und die Zueignungsabsicht nicht abhängig vom begehrten und tatsächlich nicht begehrten Bargeld ist.

    Nach Auffassung des BGH liegt kein vollendeter Diebstahl vor, da sich die Zueignungsabsicht lediglich auf den Inhalt bezog, genauer gesagt auf das erwartete Bargeld in der Geldtasche:

    „Damit ist die subjektive Tatseite eines vollendeten Vergehens des Diebstahls der Geldbörse nicht belegt. Will sich der Täter, wie hier festgestellt, nicht das Behältnis, sondern in der Hoffnung auf möglichst große Beute allein dessen vermuteten Inhalt aneignen, fehlt es hinsichtlich des Behältnisses am Zueignungswillen zum Zeitpunkt der Wegnahme (BGH NStZ 2004, 333). Daher liegt insoweit lediglich ein – aus Sicht des Täters fehlgeschlagener – Versuch des Diebstahls vor.“

    Angesichts dessen hat der BGH den Schuldspruch entsprechend abgeändert und in der Einzelstrafe eine Herabsetzung der Strafe durch Beschluss festgesetzt. Auf die Gesamtstrafe, die sich in diesem Fall aus 21 Einzelstrafen zusammensetze, hatte dies jedoch keinen Einfluss.

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