Az. 1 Ss Owi 2/09 (SchlH OLG)
Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte um 15:40 Uhr in einer Polizeikontrolle angehalten auf Verdacht auf eine Fahrt im Straßenverkehr unter dem Einfluss berauschender Mittel. Die Blutentnahme folgte 45 Minuten später. Der zuständige Polizeibeamte hatte jedoch die Blutentnahme durchführen lassen, ohne vorher einen Richter zu kontaktieren und dessen Anordnung einzuholen.
Das SchlH OLG schließt sich der ständigen Rechtsprechung an und sieht darin einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach §81a I StPO hinsichtlich der Blutabnahme. Hierzu führt es weiter ausführlich aus:
“Nur bei Gefährdungen des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehenden Verzögerungen besteht auch eine Anordnungskompetenz bei der Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen“
Generell haben die Polizeibeamten die Anordnung der Blutentnahme des zuständigen Richters einzuholen. Hierzu reicht es bereits aus, diesen fernmündlich (Telefon) über den regelmäßig einfachgelagerten Sachverhalt aufzuklären und dessen Anordnung zu erhalten. Eine Gefährdung der Untersuchungsergebnisse, die zu der genannten Ausnahme berechtigten, muss mit Tatsachen begründet werden, die sich jeweils nur auf den Einzelfall beziehen lassen und auch in den Ermittlungsakten dokumentiert werden müssen.
“Dabei verbietet sich eine generalisierende Betrachtungsweise dahingehend, dass – ohne Berücksichtigung des Schutzzwecks des Richtervorbehalts im konkreten Einzelfall – von einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs i.S.d. §81a Abs. 2 StPO bei Taten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss von vornherein ausgegangen werden kann.“
Hierfür reicht es nicht aus, eine Gefährdung des Untersuchungserfolges allein damit zu begründen, dass eine richterliche Entscheidung gewöhnlich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen möglich sei. Ferner besteht eine abstrakte Gefahr auch nicht im Kontext von Alkohol oder Drogen. Zwar gehe von diesen typischerweise eine abstrakte Gefahr aus, da der Nachweis der Tatbegehung durch den körperlichen Abbau der Stoffe „erschwert oder gar verhindert wird“, jedoch begründet dies noch nicht die Gefährdung der Untersuchungsergebnisse. Zudem haben sich die Rückrechnungsformel und dessen Beweisbarkeit längst etabliert.
So auch hier im Sachverhalt: Die Blutentnahme erfolgte um 16:25 Uhr an einem Werktag. Es ist davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt der zuständige Richter zu den üblichen Geschäftszeiten noch zu erreichen gewesen wäre. Die fernmündliche richterliche Anordnung war somit nicht ausgeschlossen. Jedoch nahm der ermittelnde Polizeibeamte an, er sei anordnungsbefugt gewesen, und hatte daher nicht einmal den Versuch unternommen, einen Richter oder zumindest einen Staatsanwalt zu erreichen.
„In der Anordnung der Polizeibeamten liegt ein grober Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß §81a Abs. 2 StPO. Er hielt sich generell für anordnungsbefugt und stellte keine Überlegungen dazu an, ob die Anordnung der Blutentnahme im konkreten Fall einem Richter vorbehalten war, welche Umstände im konkreten Einzelfall die vom ihm pauschal unterstellte Gefährdung des Untersuchungserfolgs begründeten und wodurch seine Anordnungskompetenz ausnahmsweise eröffnet war. Vielmehr berief er sich auf die ständige polizeiliche Übung zur Tatzeit. Dies reicht hier – im Jahr 2008 – nicht aus. Die Entwicklung der Resp. zum Richtervorbehalt ist nicht neu. Vielmehr ist die Bedeutung, die das BVerfG dem Richtervorbehalt beimisst, mindestens mit der Entscheidung vom 20.2.2001 (NJW 2001, 1121) und seitdem in einer Fülle weiterer höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen immer weiter vertieft worden“
Aufgrund des hier vorliegenden Gewichts des Verstoßes und der Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dieser Verstoß bei der Beweisgewinnung zu einem strafprozessualen Verwertungsverbot. „Wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird“, wie bei der bewussten und zielgerichteten Umgehung des Richtervorbehalts, dann führt dies zur Annahme des Beweisverwertungsverbots.
Das Urteil beruht daher auf dem Beweisverwertungsverbot aufgrund des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus §81a Abs. 2 StPO und ist daher aufzuheben.
Az. 32 Ss 94/09 (OLG Celle)
Der Beschluss des OLG Celle befasst sich mit der Problematik des Beweisverwertungsverbotes für Erkenntnisse einer Blutentnahme bei Verletzung des Richtervorbehaltes und ist aufgrund der umfangreichen Ausführung des Gerichts trotz der bekannten Thematik sehr lesenswert.
Der Angeklagte war vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen bzw. der Führerschein eingezogen. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit seiner Revision. In deren Zentrum stand die Beanstandung der Rechtswidrigkeit einer Beweiswürdigung der Blutentnahme zur Überprüfung der Blutalkoholkonzentration.
Das OLG Celle schloss sich der bisherigen Rechtsprechung an. So weist das OLG Celle zu Recht darauf hin, dass eine Anordnung der Blutentnahme nach §81a II StPO grundsätzlich nur durch den Richter möglich. Eine Ausnahme hiervon stellt lediglich die „Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung eingehenden Verzögerung“ dar, bei der die Anordnungskompetenz bei der Staatsanwaltschaft und nachrangig der Ermittlungspersonen in Gestalt des ermittelnden Polizeibeamtens liegt.
Ein solcher Fall lag jedoch im vorliegenden Sachverhalt nicht vor. Der zuständige Polizeibeamte hatte nicht einmal den Versuch unternommen, einen zuständigen Richter oder notfalls die Staatsanwaltschaft zu erreichen und richterliche oder zumindest staatsanwaltschaftliche Anordnung der Blutentnahme einzuholen. Und das angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte gegen 16:46 Uhr von der Polizei nach auffälligem Fahren in Schlangenlinien angehalten wurde. Ferner vergingen rund 20 Minuten bis zum Alkoholtest auf der Dienststelle und weitere 20 Minuten bis zur fraglichen Blutentnahme durch einen Arzt. In dieser Zeit hätte der Polizeibeamte einen Richter telefonisch erreichen können.
Zwar ist ein Richter nicht an Dienstzeiten gebunden, jedoch ist davon auszugehen, dass ein Richter am Freitag zur Zeit der Blutentnahme erreichbar gewesen wäre. Zudem besteht die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, zur Tageszeit einen Eildienst zur Verfügung zu stellen. Die fernmündliche richterliche Anordnung war auch hier möglich, da es sich um einen einfachgelagerten Sachverhalt handelte und die Blutentnahme aufgrund der deutlich überhöhten Alkoholwerte im ersten Alkoholtest gerechtfertig gewesen sein könnte.
Des Weiteren wäre eine solche Zeitverzögerungen durch den Richtervorbehalt hinzunehmen gewesen:
“Gerade bei hohen Alkoholwerten kann der mögliche Abbau in der Regel unproblematisch durch Rückrechnung ausgeglichen werden. Zwar ist der tatsächliche Abbauwert von situativen und individuellen Faktoren (z.B. den Trinkgewohnheiten und der Konstitution des Betroffenen) abhängig. Die von der Rspr. entwickelten Rückrechnungsformeln arbeiten demgegenüber mit allg. Sicherheitszuschlägen und -abschlägen, was zu Ungenauigkeiten führt. Je weiter sich Atemalkoholwerte aber von den Grenzwerten zur Abgrenzung einer Ordnungswidrigkeit von einer Straftat bzw. zur absoluten Fahrtüchtigkeit entfernen, desto weniger ist eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch zeitliche Verzögerung anzunehmen (vgl. hierzu: OLG Hamm, NJW 2009, 242ff.; OLG Bamberg, NJW 2009, 2146 ff., Bandenburgisches OLG, 1 Ss 15/09 v. 25.03.2009 – zitiert nach juris -).“
Der Angeklagte hatte im vorliegenden Fall einen Atemalkoholwert von 3,08 Promille gehabt. Angesichts dieses Wertes und der regelmäßig angewandten Rückrechnungsmethode war die richterliche Anordnung problemlos einzuholen gewesen, da der Untersuchungserfolg nicht gefährdet schien.
Folglich verstößt die Anordnung der Blutentnahme durch den Polizeibeamten gegen den Richtervorbehalt aus §81a II StPO und führt zu einem Beweisverwertungsverbot der Erkenntnisse aus der Blutalkoholuntersuchung, da es sich bei einer Blutentnahme um eine einzelfallbezogene Interessensabwägung mit einem tiefgehenden Eingriff handelt:
“Von einem Beweisverwertungsverbot ist deshalb nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass durch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbotes unerträglich wäre. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor bei bewusster und zielgerichteter Umgehung des Richtervorbehalts sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug [..]“
In diesem Fall war der zuständige Polizeibeamte davon ausgegangen, „dass bei Trunkenheit im Verkehr wegen Gefahr im Verzug stets eine Anordnung durch Polizeibeamte ausreiche und deshalb eine richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung von vornherein nicht nötig sei“. Hierin ist ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß §181a II StPO zu sehen. Zudem sind keine Anzeichen ersichtlich, die für einen Irrtum oder eine Fehleinschätzung der Situation sprechen.
Insgesamt führen dies im Ergebnis zu dem Beweisverwertungsverbot der Erkenntnisse aus der Blutalkoholuntersuchung im Strafverfahren.
Az. 4 OWi 553 Js 51018/08 (AG Plön)
Erneut beschäftigt sich ein Gericht mit dem praxisnahen Beweisverwertungsverbot einer Blutentnahme.
Im vorliegenden Fall verursachte der Betroffene am 25.07.2008 gegen 17:27 Uhr einen Autounfall, indem er mit einem entgegenkommenden PKW zusammengestoßen war. Der zuständige Polizeioberkommissar R. hatte „aufgrund des Gesamteindrucks“ den Verdacht, dass der Unfallverursacher zum Zeitpunkt des Unfalles unter Drogeneinfluss stehen könnte und veranlasste darauf einen Drogenschnelltest.
Als sich herausstellte, dass der Betroffene auf der einen Seite 0,0 Promille laut Alkoholtest besaß, jedoch der freiwillig durchgeführte Drogenschnelltest auf der anderen Seite einen Verdacht auf Kokainkonsum ergab, ordnete der die Ermittlung leitende POK eine Blutprobenentnahme an, um einen stichhaltigen und beweiswürdigen Test durchzuführen. Das anschließende Gutachten, welches sich auf diese Blutentnahme stützt, ergab sodann auch ein positives Ergebnis im Hinblick auf die überprüften Stoffe nach dem BtMG.
Jedoch unterliegt dieses Gutachten nach Ansicht des AG Plön einem Beweisverwertungsverbot, da es gegen den so genannten Richtervorbehalt hinsichtlich der Blutentnahme verstößt. Hiernach ist es grundsätzlich notwendig, eine Blutentnahme und vergleichbare persönliche Eingriffe nur durch Anordnung eines Richters vorzunehmen.
Der Unfall des Betroffenen war gegen 17:30 Uhr. Die Blutentnahme fand hingegen erst gegen 19 Uhr statt. In diesem Zeitraum und zu der entsprechenden Tageszeit war es möglich, zumindest telefonisch den zuständigen Ermittlungsrichter darüber zu informieren und eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Dies fehlte jedoch.
Eine solche Missachtung führt nach Ansicht des AG Plön zum Beweisverwertungsverbot:
„Der sog. Richtervorbehalt ist seit Jahren st. Rspr. und der Polizeibeamte R, der den Dienstgrad eines POK innehat, hat mit hinreichender Sicherheit Kenntnis über den vom BVerfG eingeforderten Richtervorbehalt für derartige Ermittlungshandlungen wie z.B. Entnahme einer Blutprobe [..] Diese doch grobe Außerachtlassung des Grundsatzes des Richtervorbehaltes lässt nach Rechtsauffassung des BGH (Urt. V. 18.04.2007 – 5 StR 546/06) ein Beweisverwertungsverbot als gerechtfertigt erscheinen.“
Das Urteil reiht sich daher nahtlos an die bisherige Rechtsprechung an und bestätigt erneut das Beweisverwertungsverbot einer Blutentnahme ohne richterliche Anordnung.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner