Rechtfertigung

  • Sowohl die Notwehr als auch die Nothilfe sind in § 32 StGB geregelt. Während bei der Notwehr ein Angriff auf den in Notwehr handelnden abgewehrt werden soll, bedeutet die Nothilfe die Verteidigung zu Gunsten einer dritten Person.

    Grundsätzlich dürfen bei Notwehr und Nothilfe die gleichen Mittel und Maßnahmen ergriffen werden, um einen Angriff von einer dritten Person abzuwenden, als wäre der Angriff direkt gegen einen selbst verübt worden. Auch ist es nicht notwendig, dass der Dritte die Hilfe erbeten oder auch nur erwünscht hätte. Daher sind die Grundsätze für die Notwehr und Nothilfe auch weitestgehend identisch.

  • In den USA wurde ein 17-jähriger Austauschschüler aus Hamburg erschossen. Der Schütze beruft sich dabei auf sein Notwehrrecht. Der Jugendliche befand sich in der fraglichen Nacht in der Garage des Schützen. Wieso und warum er in die Garage des Mannes ging, ist bisher noch unklar. Medien berichten jedoch, dass der Beschuldigte gezielt seine Garage als Falle für Einbrecher hergerichtet haben soll, da er bereits zweimal Opfer von Einbrechern geworden sei. Laut einer Zeugin soll er bereits mehrere Nächte auf der Lauer gelegen haben, um „einen Einbrecher erlegen zu können“. Der Beschuldigte bestreitet dies über einen Strafverteidiger. Nachdem die Staatsanwaltschaft in den USA die Anklageschrift veröffentlicht hat, hat nun auch die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen wegen Totschlags (§ 212 StGB) aufgenommen.

  • Der Bundesgerichtshof über den Tag, an dem an Stelle eines scheinbar erwarteten Bandidos-Mitglieds ein scheinbar nicht erwartetes SEK-Einsatzkommando (zur falschen Zeit) vor der (falschen) Tür eines Mitglieds der Hells Angels erschien, wodurch offenbar versehentlich ein Polizist erschossen wurde – über die angenommene irrtümliche Rechtfertigung der Notwehr bei der Tötung eines Polizeibeamten (Totschlag) und dem daraus schließlich resultierenden (nachträglichen) Freispruch von der wohl irrtümlich in der vorangegangenen Instanz verhängten Freiheitsstrafe.

  • 2. Strafsenat des OLG Koblenz, Az.: 2 Ss 234/10

    Das AG Montabaur verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen legte der Angeklagte Berufung ein, welche vom LG Koblenz mit der Maßgabe verworfen wurde, dass die Freiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt wurde.

    Dazu hatte das LG festegestellt, dass es zwischen dem Nebenkläger und der Angeklagten seit einer längeren Zeit immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Als beide in einem Supermarkt aufeinander trafen, sei es erneut zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Der Angeklagte habe sich entfernt, um der weiteren Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Der Nebenkläger sei ihm jedoch gefolgt, um den Angeklagten zur Rede zu stellen und gegebenenfalls tätlich anzugreifen. Der Angeklagte habe einen erneuten Übergriff des Nebenklägers gefürchtet und ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 6,5 cm gezogen. Der Nebenkläger habe den Angeklagten direkt ins Gesicht geschlagen, wodurch dieser eine klaffende und blutende Wunde erlitt. Daraufhin habe der Angeklagte mit dem Messer in den linken Unterbauch gestochen. Der Nebenkläger habe hierdurch eine ca. 1 cm große, blutende Stichwunde erlitten.
    Nach Ansicht des LG habe keine Notwehrsituation vorgelegen, da es bereits an dem Notwehrwillen des Angeklagten gefehlt habe. Zudem seien die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit nicht gegeben gewesen.
    Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Die Revision hatte vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz Erfolg: Die Verurteilung des Angeklagten kann laut Entscheidung des BGH keinen Bestand haben, da die Feststellungen des LG rechtsfehlerfrei gewesen sind. Das Handeln des Angeklagten ist entgegen den Feststellungen des Landgerichts Koblenz durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Eine Einschränkung des Notwehrrechts liegt bei dem festgestellten Sachverhalt nicht vor:

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses des OLG Koblenz zur Reichweite der Notwehr:

    „Der Angeklagte musste aufgrund des Verhaltens des Nebenklägers, der ihn auch früher schon grundlos tätlich angegriffen hatte, nach dessen erstem Faustschlag damit rechnen, dass dieser weiter zuschlagen werde. Davon, dass sich der Nebenkläger nur auf einen einzigen Schlag beschränken werde, konnte der Angeklagte nach den konkreten Tatumständen – entgegen der Auffassung der Strafkammer – nicht ausgehen.
    Auch das subjektive Rechtfertigungselement liegt vor. Dieses setzt voraus, dass der Täter den Angriff als solchen und seine Rechtswidrigkeit erkennt und durch seine Tat der Rechtsverletzung entgegentreten will.
    Soweit die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, der Verteidigungswille fehle, weil der Angeklagte, aufgestachelt von seiner Lebensgefährtin, den Angriff des Nebenklägers genutzt habe, um diesen zu verletzen, setzt sie sich mit ihren eigenen Feststellungen zur inneren Tatseite in Widerspruch. Denn auf Seite 5 des Urteils stellt sie fest, dass der Angeklagte, nachdem er von dem Nebenkläger von hinten angerufen worden war, einen ähnlichen Hergang wie bei ihrer ersten Begegnung, also einen grundlosen tätlichen Angriff des Nebenklägers, für möglich hielt und sich deswegen dadurch wappnete, dass er seine Einkaufstaschen abstellte, sein Messer hervorzog und dieses öffnete. Diese Feststellung belegt aber gerade, dass sich der Angeklagte verteidigen wollte.
    Die vom Angeklagten gewählte Verteidigungshandlung war im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB auch erforderlich.“

    Folglich hob der Senat das Urteil auf. Da auszuschließen war, dass weitergehende Feststellungen zur Sache getroffen werden könnten, entschied der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst und sprach den Angeklagten aus Rechtsgründen frei.
    Die Revision der Verteidigung hatte damit bereits in der Revisionsinstanz vollen Erfolg, eine neue Tatsacheninstanz mit Zurückverweisung war nicht notwendig.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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