Vorsatz

  • Der Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass Bankkunden, die auf gefälschten Internetseiten ihre Transaktionsnummern (kurz: TAN) preisgeben, selbst für den Schaden haften müssen.
    Vor dem BGH hatte ein 68-jähriger Pensionär geklagt. Er hatte durch den Betrug auf einer Internetseite im Jahre 2008 insgesamt zehn seiner Tan-Codes angegeben, was dazu führte, dass unbekannte Betrüger sein Konto plündern konnten. Es wurden 5000 Euro von seinem Konto nach Griechenland überwiesen.

    Nach Ansicht des BGH hatte der Mann „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen“, da er die Warnhinweise der Bank vor Betrügern hätte beachten müssen. Kunden wurden aufgefordert, nie mehrere Nummern auf einmal anzugeben. Auch ein Mitverschulden der Bank lehnte der BGH ab. Zudem seien die Überweisungen durch die Betrüger mit korrekten Geheimzahlen getätigt worden. Dadurch sei für den Bank nicht erkennbar, wer die Überweisung tätigt.
    Allerdings betrifft das Urteil nur vergleichbarer Fälle bis zum 30. Oktober 2009, da seitdem eine Verbraucherschutzrichtlinie gilt, wonach Bankkunden nur für große Fahrlässigkeit und Vorsatz haften. Daher könnte das Urteil anders ausfallen – eine Entscheidung dazu steht aber noch aus.

    ( Quelle: Westdeutsche Zeitung online vom 24.04.2012 )


  • BGH, Urteil vom 10.02.2011, Az.: 4 StR 576/10

    Das Landgericht Magdeburg hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und das sichergestellte Heroin eingezogen.

    Der in Polen lebende Angeklagte wollte sich in Berlin einen zum Verkauf stehenden Pkw ansehen. Bei einer Pause in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze wurde er von einem Unbekannten angesprochen, ob er sich 5.000 € verdienen wolle. Dafür müsse er lediglich etwas nach Amsterdam bringen. Der Angeklagte stimmte zu, obwohl ihm bewusst war, dass es sich durchaus um einen Drogentransport handeln könnte. Daraufhin wurde das Heroin in Abwesenheit des Angeklagten zum Teil hinter der Beifahrertürverkleidung und zum Teil im Frontbereich der Fahrerseite eingebaut. Bei einer Kontrolle in der Nähe von Magdeburg wurde das Heroin entdeckt und sichergestellt.

    Das Landgericht hat bei der Strafzumessung strafschärfend die erhebliche Menge (insgesamt 50 kg Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 70 % Heroinhydrochlorid) der Droge berücksichtigt. Strafmildernd wurde bewertet, dass sich sein (bedingter) Vorsatz nur auf das in der Beifahrertür eingebaute Heroin, also etwa ein Viertel der Gesamtmenge, bezogen habe. Dabei handelte es sich um 13,5 kg.

    Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Sie rügte, dass das Gericht nicht geprüft habe, ob bezüglich der restlichen Menge Fahrlässigkeit vorliegt. Auch falls dies nicht der Fall ist, sei die Strafe noch zu milde.

    Der Strafsenat führ dazu aus:

    „Dieselbe Tathandlung kann bei Verletzung desselben Rechtsguts nicht gleichzeitig als vorsätzliche und als fahrlässige angesehen werden (RGSt 16, 129; BGH, Beschluss vom 16. Juni 1997 – 2 StR 231/97, NStZ 1997, 493). Vorsatz und Fahrlässigkeit schließen einander schon begrifflich aus, sie stehen allerdings in einem normativ-ethischen Stufenverhältnis (BGH, Beschluss vom 18. August 1983 – 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 57), so dass bei unklarer Beweislage nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ wegen Fahrlässigkeit verurteilt werden kann (Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, 4. Aufl. § 24 Rn. 79). Eine Idealkonkurrenz zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten entsteht bei einer Handlung nicht dadurch, dass der Täter die Folgen des Verhaltens nur teilweise gewollt und teilweise fahrlässig herbeigeführt hat (RGSt 16, 129). Selbst bei einem zweiaktigen Tatgeschehen ist die fahrlässige Begehung eines Delikts gegenüber der am selben Objekt begangenen vollendeten vorsätzlichen im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr ist die fahrlässige Begehungsform subsidiär (BGH, Urteil vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 199; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 119; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. März 1955 – 4 StR 51/55, BGHSt 7, 287, 289 [Tatmehrheit]).
    Ist die Einfuhr von oder das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch eine Handlung vorsätzlich vorgenommen worden, scheidet eine durch Fahrlässigkeit herbeigeführte Einfuhr von oder ein fahrlässiges Handeltreiben mit derselben Rauschgiftmenge durch diese Handlung aus. § 29 Abs. 4 BtMG kommt dann nicht zur Anwendung.“

    Damit stellt der BGH klar, dass hier nur eine Handlung des Angeklagten vorliegt, es kann nicht von zwei Delikten ausgegangen werden:

    „Zwar können sich verschiedene Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes auf Teilmengen einer Gesamtrauschgiftmenge beziehen, etwa beim Erwerb von Rauschgift zum Eigenkonsum und zum Handeltreiben. Im vorliegenden Fall kämen aber nicht hinsichtlich der Tathandlung verschiedene Tatbestände, sondern nur solche zur Anwendung, die sich allein in der Schuldform unterscheiden. Insoweit scheidet eine Aufteilung aus. Für eine Ausurteilung des fahrlässig verursachten zusätzlichen Erfolges im Schuldspruch besteht auch kein kriminalpolitisches Bedürfnis. Bei der Strafzumessung kann die Einfuhr einer größeren Menge, als der Täter sich vorgestellt hat, im Falle fahrlässigen Handelns ohnehin strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 6. September 1995 – 2 StR 310/95, StV 1996, 90; Urteil vom 21. April 2004 – 1 StR 522/03).“

    Der BGH schließt sich folglich der Entscheidung des Landgerichts an. Es handelt sich um die vorsätzliche Einfuhr in Höhe der 13,5 kg Heroin. Die fahrlässige Einfuhr der Restmenge scheidet durch dieselbe Handlung aus.


  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 22.02.2010, Az.: 709 Ns 86/09

    Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten wegen versuchter Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen á 20 Euro verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte mit Erfolg Berufung ein.
    Der nicht vorbestrafte Angeklagte befand sich im September 2008 auf dem alljährlich stattfindenden „…fest“. Auf diesem kam es, trotz hoher Polizeipräsenz und Wasserwerfern, in den letzten Jahren immer wieder zu Ausschreitungen.

    Der junge Mann war alkoholisiert und vermummt. Zudem hatte er in beiden Hosentaschen je eine Flasche Bier und dazu eine leere Flasche in der Hand. Als er auf zwei Wasserwerfer traf, warf der Angeklagte die leere Flasche gegen einen der beiden Wasserwerfer und visierte dabei den Wassertank an. Damit wollte er nach seiner Aussage zwar keinen Schaden anrichten, aber seinen Missmut über die Polizeipräsenz auf dem Fest demonstrieren. Wie von ihm erwartet, entstanden keine Schäden. Im Anschluss wurde der Mann festgenommen. Dabei verhielt er sich nach Aussagen anwesender Polizeibeamten „ausgesprochen kooperativ und freundlich, obwohl er anlässlich seiner Festnahme zu Boden gebracht und dort mit Einweghandfesseln gefesselt worden war“.

    Nach Ansicht des Landgerichts kann die Verurteilung des Amtsgerichts nicht bestehen bleiben. Grund dafür ist, dass dem Angeklagten nicht einmal ein bedingter Vorsatz der Sachbeschädigung nachgewiesen werden kann.

    Dazu führte das Landgericht aus:

    „Wie sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbild des Wasserwerfers ergibt, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, und wie letztlich allgemein aus der Presseberichterstattung bekannt ist, sind diese Einsatzfahrzeuge der Polizei entsprechend dem Einsatzzweck robust und widerstandsfähig gebaut, da sie gerade in den Situationen zum Einsatz kommen, in denen tumultartige Zustände herrschen und mit umherfliegenden Gegenständen sowie dem gezielten Bewurf dieser polizeilichen Einsatzfahrzeuge zu rechnen ist. Bei einem „bestimmungsgemäßen“ Gebrauch, d.h. im Einsatz bei schweren Ausschreitungen, darf ein Wasserwerfer nicht einfach zu beschädigen sein. Dies gilt auch für mögliche leichte Lackabplatzungen, wie sie durch den Wurf mit einer Flasche auf ein normallackiertes übliches Kraftfahrzeug vorstellbar sind. Ansonsten müsste jeder Wasserwerfer nach einem Einsatz, z.B. beim S…fest, neu lackiert werden.“

    Aus dem genannten Gründen war die Verteidigung erfolgreich und das Landgericht sprach den Angeklagten frei.


  • Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei Tanken ohne zu Bezahlen, auch wenn dies ohne Vorsatz und nur aus Unachtsamkeit geschieht, der Tankstellenbetreiber von dem Tankenden die Kosten für einen Privatdetektiv verlangen kann, der engagiert werden musste, um den Tankenden ausfindig zu machen.

    Strafbarkeit wegen Betrugs?

    Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein Mann für 10 Euro getankt und nicht gezahlt hatte. Letztlich erhielt der Mann eine Rechnung in Höhe von 180 Euro, die auch die Detektivkosten auswies. Der Bundesgerichtshof erklärte, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass auch bei geringen Beträgen risikolos getankt werden könne, ohne zu Bezahlen und ließ die Rechnung unbeanstandet.
    ( Quelle: Bundesgerichtshof Az.: VIII ZR 171/10 )


  • 5. Strafsenat des BGH, Az.: 5 StR 271/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Berlin wegen Geldfälschung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Mit der gegen das Urteil eingelegten Revision hat der Angeklagte nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hinsichtlich der Verurteilung wegen Geldfälschung Erfolg.

    Das Landgericht Berlin hat festgestellt, dass der Angeklagte über mindestens 20 Falsifikate von 50-Euro-Scheinen verfügte, die er in einer Wechselstube in Berlin mit Hilfe seines Freundes O. einzahlen wollte. Als dieser das Geld einzahlte, wurde die Unechtheit der Geldscheine entdeckt. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist nach Auffassung des Senats der Tatbestand des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfüllt.

    So fehle es an den Feststellungen, der Angeklagte habe sich die 20 unechten Geldscheine in der Absicht verschafft, diese als echt in den Verkehr zu bringen.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Der Senat ist nicht in der Lage, auf den Vergehenstatbestand des § 147 Abs. 1 StGB durchzuentscheiden. Zwar liegen die objektiven Umstände des Inverkehrbringens von Falschgeld vor. Indes ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der die notwendige Kenntnis des Angeklagten hinsichtlich der Unechtheit der Geldscheine (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 147 Rdn. 2) begründet wird, wegen nicht erschöpfender Würdigung der im Urteil dargelegten Tatumstände fehlerhaft (vgl. BGH NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt).“

    Ferner hat das Landgericht gewürdigt, dass der Angeklagte aufgrund „seiner verminderten Augenleistung nicht erkennen konnte“, dass es sich um Falschgeld handele. Allerdings wurden keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwiefern der Angeklagte von einem Dritten über die Fälschung informiert worden ist. Vielmehr stützte sich das LG Berlin auf „verdachtsbegründende Verhaltensweisen“ des Angeklagten, wie das Vorschicken des Freundes beim Geldwechseln, und widersprüchlichen Einlassungen des Angeklagten.

    Allerdings wurde nicht berücksichtigt, dass sich der Angeklagte der Prüfung der Geldscheine auf Echtheit bei der Einzahlung in der Wechselstube bewusst war.
    So führt der Senat im Beschluss aus:

    „Das Landgericht hat das zentrale Verteidigungsargument des Angeklagten, er habe gewusst, dass in der Exchange-Filiale jeder Schein unter Licht auf seine Echtheit geprüft werde, nicht hinreichend in seine Erwägungen zum Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Vorsatzes einbezogen (vgl. BGHR StGB § 146 Abs. 1 Nr. 2 Sichverschaffen 7, dort zur Absicht des Inverkehrbringens bei noch ausstehender Echtheitsprüfung unechter Wertpapiere). Es hat ein dieser Einlassung entsprechendes Vorstellungsbild des Angeklagten – für das nach der Aussage des Zeugen O. Anhaltspunkte vorhanden waren (UA S. 10) – für möglich gehalten (UA S. 10), aber nicht, was geboten gewesen wäre, mit auf den Fall bezogenen Argumenten überwunden (vgl. BGH StV 2008, 121, 122).“

    Folglich bedarf es einer neuen Aufklärung und Bewertung der Tatbestandsmerkmale der Geldwäsche. Der Senat hebt den Strafausspruch hinsichtlich der Verurteilung wegen Geldwäsche auf, was zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe führt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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