Bewährungsstrafe

  • 1. Senat des OLG Hamm, Az.: 1 Ws 520/10

    Der Verurteilte wurde vom AG wegen Betruges unter Einbeziehung anderer Urteile zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die zunächst mit Beschluss des AG auf 4 Jahre bestimmte Verjährungszeit verlängerte die Strafvollstreckungskammer des LG aufgrund der erneuten Verurteilung um 6 Monate.
    Mit weiterem Urteil des AG wurde der Verurteilte wegen Diebstahls unter Einbeziehung anderer Urteile zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde durch Beschluss des AG auf 3 Jahre festgesetzt.
    Das AG verurteilte den Angeklagten wegen Betruges in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach den Feststellungen des AG beging der Verurteilte die Taten während laufender Bewährungszeit der Verurteilungen zu 1. und 2.
    Die Strafvollstreckungskammer des LG wies den Verurteilten darauf hin, dass aufgrund des Urteils des AG ein Reststrafenerlass hinsichtlich der Verurteilungen zu 1. und 2. nicht erfolgen werde und er mit  dem Widerruf der Bewährung zu rechnen habe. Daraufhin widerrief die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung aus den Urteilen zu 1. und 2. Zur Begründung stütze sie sich auf die einschlägige Rückfälligkeit des Verurteilten. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Verurteilte mit einer sofortigen Beschwerde.

    Das OLG Hamm gab der sofortigen Beschwerde teilweise statt. Hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung des ersten Urteils sei die sofortige Beschwerde erfolgreich, da dieser nicht verhältnismäßig sei. Die höchstmögliche Bewährungszeit sei bereits abgelaufen.
    Hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung des zweiten Urteils hingegen habe die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.

    Aus dem Wortlaut des Beschluss:

    „Zwar liegt der Widerrufsgrund gem. § 56f I Nr. 1 StGB unzweifelhaft vor. Insbesondere hat der Verurteilte während laufender Bewährungszeit erhebliche einschlägige Straftaten begangen. Auch der Ablauf der Bewährungszeit stünde dem Widerruf vorliegend nicht entgegen, da die Entscheidung über die Strafaussetzung wegen der gegen den Verurteilten anhängigen Strafverfahren zulässigerweise zurückgestellt worden ist. Die Verlängerung der Bewährungszeit sowie die Erteilung von Auflagen gem. § 56f II StGB kamen aber schon deshalb nicht in Betracht, da die Höchstfrist der Bewährungsdauer von 7 1/2 Jahren längst abgelaufen ist. Der Widerruf der Strafaussetzung verstößt vorliegend aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
    Es ist zwar nicht unumstritten, aber in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass über § 56f Abs. 2 StGB hinaus, welcher Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, in besonderen Fällen der Widerruf der Strafaussetzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein kann (Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl.-Stree/Kinzig § 56 Rdnr 9; OLG Stuttgart B. v. 10.11.2006,  RPfleger 2007, 224, Rdnr 26).“

    Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung des ersten Urteils wurde insoweit aufgehoben.


  • AG Wetzlar, Az.: 43 AR – 10/07

    Das AG Frankfurt verurteilte den Verurteilten unter Einbeziehung eines Strafbefehls vom AG Gießen am 28.11.2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Diese wurde zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf 2 Jahre ab Rechtskraft festgelegt. Rechtskraft trat am 28.11.2006 ein.
    Das AG Frankfurt gab per Beschluss das Bewährungsverfahren an das AG Wetzlar ab, da der Verurteilte hier wohnhaft war.
    Während der Bewährungszeit beging der Verurteilte im Sommer 2007 weitere Straftaten. Durch Urteil des AG Aschaffenburg vom 29.05.2008 in Verbindung mit dem Urteil des AG Aschaffenburg vom 25.05.2009 (rechtskräftig ab 29.05.2009) wurde der Verurteilte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mir gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt.
    Am 28.10.2009 beantragte die Staatsanwaltschaft Frankfurt beim AG Wetzlar den Widerruf der Bewährung. Am 31.03.2009 teilte das AG Wetzlar der Staatsanwaltschaft gewisse Zweifel an der Zulässigkeit des Widerrufs mit. Die Staatsanwaltschaft war anderer Ansicht und gab am 27.04.2009 bekannt, dass sie dem Verurteilten Haftaufschub bis zum 04.07.2010 gewähren und der Antrag auf Widerruf aufrechterhalten werde.

    Das AG Wetzlar ist der Ansicht, dass der Widerrufsantrag zurückzuweisen sei, da die nötigen Voraussetzungen nach § 56f I Nr. 1 StGB nicht vorliegen würden.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Vorliegend handelt es sich um die Frage, wann aufgrund einer neuen Tat ein Widerruf nach Ablauf der Bewährungszeit zulässig ist. Das Gesetz sieht hierzu keine unmittelbare Regelung vor. Insbesondere ist § 56g II 2 StGB hierfür nicht anwendbar. Diese Norm bezieht sich nämlich auf den Widerruf des Straferlasses und nicht auf den Widerruf der Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit. Auch eine analoge Anwendung kommt nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.03.1997, NStZ-RR 1997, 254), da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben sind.

    Ein Widerruf der Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit ist grundsätzlich zulässig. In der Rechtsprechung bestehen aber verschiedene Ansichten, wie lange nach Ablauf der Bewährungszeit bzw. nach rechtskräftiger Entscheidung über die neue Straftat eine Widerrufsentscheidung noch getroffen werden kann, ohne dabei die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes zu verletzen.

    Die Unverhältnismäßigkeit des Widerrufs ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Verurteilte bei Ablauf der Bewährungszeit nicht daraufhingewiesen worden ist, dass zunächst der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens wegen der laut neuer Anklage in der Bewährungszeit begangenen Taten abgewartet werden soll.“


  • 1. Strafsenat des OLG Oldenburg, Az.: 1 Ss 51/10

    Der Angeklagte wurde vom AG Leer wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein. Das LG Aurich setzte daraufhin die Freiheitsstrafe auf sechs Monate ohne Bewährung fest. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Der 1. Strafsenat ist der Auffassung, dass die Strafzumessung des LG Aurich durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Es stehe zu befürchten, dass das LG Aurich die Freiheitsentziehung durch eine Haftstrafe bagatellisiere.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Das LG hat bei der Prüfung einer Strafaussetzung u. a. ausgeführt, die freiheitsentziehende Strafverbüßung werde den Angeklagten in seinen – vagen – Lebensplanungen auch „nicht groß beeinträchtigen“, weil er keine eigenen Einrichtungsgegenstände habe, sondern in einer Wohngemeinschaft lebe und seine Arbeitssituation zur Zeit schlecht sei.

    Die wohnlichen und beruflichen Verluste des Angeklagten hielten sich nach Ansicht des LG in Grenzen. Familiär sei er nicht so gebunden, dass dort Probleme für die künftige Lebenssituation entstehen würden.
    Diese Urteilsformulierung, verkennt allerdings das in einer Freiheitsstrafe liegende Übel in grundlegender und unvertretbarer Weise. Es ist nicht vertretbar, den völligen Verlust der persönlichen Freiheit und die massiven Lebenseinschränkungen, die mit einem Strafvollzug verbunden sind, in Hinblick auf Wohn, Eigentums und Lebensverhältnisse eines Angeklagten als „nicht große“ Beeinträchtigung zu bewerten und so zu bagatellisieren.“

    Der Strafsenat hob daher das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG Aurich zurück.


  • Das Amtsgericht Darmstadt hat die „No Angels“-Sängerin Nadja Benaissa zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Als Auflage wurden ihr 300 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Nach Ansicht des Gerichts ist während des Prozesses nachgewiesen worden, dass Benaissa einen ehemaligen Sexualpartner durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert habe.

    Das Gericht wertete es als erheblich strafmildernd, dass Benaissa zu Beginn des Prozesses ein umfangreiches Geständnis abgelegt habe. Dadurch habe sie zu verstehen gegeben, dass sie um ihr Fehlverhalten wisse und die Verantwortung übernehmen wolle.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt vom 27.08.2010, S. 30 )

  • 5. Strafsenat des BGH, Az. 5 StR 130/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Kiel „unter Freisprechung im Übrigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, wegen räuberischer Erpressung, wegen versuchter Nötigung, wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.“ worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision kann der Angeklagte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Teilerfolg erzielen.

    Wie der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des BGH ausführt, hat der Strafausspruch des Landgerichts Kiel keinen Bestand, da das Landgericht diverse Milderungsgründe in der Bestimmung des Strafrahmens außer Acht gelassen und den Angeklagten, der bereits vor 10 Jahren wegen Straftaten im „Drogenmilieu“ verurteilt wurde, für einen „hartnäckigen Wiederholungstäter“ und „massiven Bewährungsversager“ gehalten hat.

    Auszug aus dem Wortlaut der Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

    “Insbesondere genügen die Erwägungen, mit denen das Landgericht in den Fällen 2 und 4 des Urteils das Vorliegen minder schwerer Fälle nach § 249 Abs. 2 StGB bzw. § 239a Abs. 2 StGB trotz eher atypisch gelagerter Straftaten im Drogenmilieu und einer Reihe gewichtiger Milderungsgründe ausgeschlossen hat, auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (vgl. BGHSt 29, 319, 320) nicht den Anforderungen der insoweit vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. dazu BGHSt 26, 97, 98 f.; BGH NStZ 1982, 246; 1983, 119). Das Landgericht lastet dem Angeklagten tragend an, ein „hartnäckiger Wiederholungstäter“ und „massiver Bewährungsversager“ zu sein (UA S. 85), den auch früher erlittene Untersuchungshaft nicht von der Begehung der gegenständlichen Straftaten abgehalten habe. Es berücksichtigt dabei aber nur vordergründig, dass die letzten unmittelbar einschlägigen Delikte und Verurteilungen ebenso wie die seinerzeit vollstreckte Untersuchungshaft rund zehn Jahre zurückliegen und der Angeklagte die damals gewährten Strafaussetzungen zur Bewährung durchgestanden hat, weswegen die Strafen erlassen werden konnten (UA S. 6). Ebenso lag es mit einer im Jahr 2002 verhängten Bewährungsstrafe wegen Betäubungsmitteldelikten (UA S. 7). Weitere Vorverurteilungen betrafen geringer gewichtige Delikte. Die im Rahmen der Strafzumessung zur Persönlichkeit des Angeklagten getroffenen Wertungen finden deshalb in den Feststellungen keine hinlängliche Grundlage.“

    Diese Begründungs- und Wertungsfehler führen zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs. Der neue Tatrichter ist jedoch nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die zu keinem Widerspruch mit den bisherigen stehen. Ein Sachverständiger hat des Weiteren zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB gegeben sind, da – vom BGH wiederholt entschieden – die Entscheidung gemäß § 64 StGB nicht vom Verschlechterungsverbot umfasst ist.

  • Der Angeklagte ist wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge vom Landgericht Aachen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Zusätzlich wurde die Unterbringung des Angeklagten in eine Erziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte in seiner Revision, die sich auf eine allgemeine Sachrüge stützt und sich gegen die Versagung der Bewährung durch das LG Aachen richtet.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Revision statt. Nach Auffassung des 2. Strafsenats hält die Versagung der Bewährung durch das LG der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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