Die Anwendung des § 31 BtMG bei der freiwilligen Offenbarung von Wissen.
In einem Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es um die Anwendung der Kronzeugenregelung nach § 31 BtMG. Die Angeklagte gab gegenüber der Polizei eine Bekannte als Mitauftraggeberin des Rauschgifttransports an.
Liegt die Einfuhr der Drogen alleine im Bereich des Verkäufers, ist der Käufer kein Mittäter.
Die Angeklagten bestellten bei einem Rauschgifthändler auf Mallorca 1.065 Gramm Kokainzubereitung. Der Verkäufer ließ die Ware von einem Kurier von Spanien nach Deutschland bringen. Das Landgericht Halle verurteilte die beiden angeklagten Besteller auch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung mit der Revision.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hält die Feststellung bezüglich der Täterschaft für rechtsfehlerhaft. Zwar kann sich auch jemand wegen der Einfuhr strafbar machen, wenn er nicht selbst die Drogen über die Grenze bringt, jedoch muss er dazu zumindest Tatherrschaft haben. Diese ist nicht gegeben, wenn der Käufer lediglich die Einfuhr veranlasst, jedoch mit der tatsächlichen Durchführung nichts mehr zu tun hat:
„Beschränkt sich der Käufer darauf, Betäubungsmittel im Ausland zu bestellen und bleibt es völlig dem Verkäufer und den von ihm beauftragten Kurieren überlassen, wie die bestellten Betäubungsmittel nach Deutschland gelangen, scheidet die Annahme einer Mittäterschaft regelmäßig aus (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1987 – 1 StR 647/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 3).“
Ebenfalls hat der BGH die Abschöpfung von fast 60.000 Euro bei einem der Angeklagten zu beanstanden. Das Geld soll aus dem Verkauf der Betäubungsmittel stammen. Dabei hat das Landgericht aber keine Feststellung zu einer gesamtschuldnerischen Haftung getroffen.
Daher hebt der BGH den Verfall der 60.000 Euro und die Verurteilung bezüglich der Einfuhr von Betäubungsmitteln auf. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
BGH, Beschluss vom 25. September 2012, 4 StR 137/12
Das Landgericht Dresden hat den Angeklagten B. wegen bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit (besonders) schwerer räuberischer Erpressung und vorsätzlichem unerlaubtem Besitz und unerlaubtem Führen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Der Angeklagte Ba. wurde wegen Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur (besonders) schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Angeklagten.
Das Landgericht Lübeck hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Der Angeklagte W. wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, der Angeklagte P. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Das sichergestellte Rauschgift wurde eingezogen. Gegen die Entscheidung legten die Angeklagten Revision ein.
Dazu der BGH:
Das Landgericht hat im Rahmen seiner sehr knappen Strafzumessungserwägungen nicht ausreichend den Gesichtspunkt beachtet, dass gegen Mittäter verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93 mwN, insoweit in BGHSt 40, 73 nicht abgedruckt; Beschluss vom 28. Juni 2011 – 1 StR 282/11 Rn. 4 und 6 mwN, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, ist für jeden von ihnen die Strafe in individueller Würdigung des Maßes der eigenen Schuld zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 8/09, NStZ 2009, 382). Dem Urteil kann kein hinreichender Grund für die nahezu gleichen Strafaussprüche entnommen werden: Im Verhältnis zum vielfach vorbestraften, zur Tatzeit unter Bewährung stehenden Angeklagten W. sprechen erhebliche Umstände deutlich zugunsten des Angeklagten P., namentlich das Fehlen von Vorstrafen, seine besondere Haftempfindlichkeit sowie sein voll umfänglich glaubhaftes Geständnis. Darüber hinaus ergeben sich aus den Feststellungen auch Hinweise auf einen geringeren Tatbeitrag des Angeklagten P. gegenüber dem Angeklagten W.; letzterer war es nämlich, der in der Zeit zwischen der Bestellung der Rauschmittel und deren Lieferung den Kontakt zu dem Lieferanten hielt. Erkennt das Tatgericht trotz dieser erheblichen Unterschiede gegen Mittäter auf nahezu gleich hohe Strafen, so bedarf dies jedenfalls einer ausdrücklichen Begründung, die dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht, ob die Strafzumessung auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH aaO).
Mithin ist nach Auffassung der Richter nicht erkennbar, warum die beiden Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe nahezu gleicher Höhe verurteilt wurden.
Nach Ansicht des BGH sprechen viele Argumente für eine wesentlich mildere Strafe des Angeklagten P. – er habe keine Vorstrafen, sei besonders haftempfindlich und habe zudem ein Geständnis abgelegt. Der BGH betont, dass die Strafe bei Mittätern individuell bestimmt werden und insbesondere in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen muss. Daher hat der BGH das Urteil im Strafausspruch, soweit es den Angeklagten P. betrifft, aufgehoben.
BGH, Beschluss vom 16.08.2011, Az.: 5 StR 237/11
Vor dem Landgericht Bremen muss sich ein Polizeiarzt wegen fahrlässiger Tötung verantworten.
2008 war der Mann bereits von dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Dem Prozess lag der Fall zugrunde, dass er im Jahr 2005 einem mutmaßlichen Rauschmittelhändler Brechmittel eingeflößt hatte, da vermutet wurde, dass dieser Rauschgiftkügelchen geschluckt hatte. Der mutmaßliche Rauschmittelhändler fiel daraufhin ins Koma und starb später im Krankenhaus.
Da der Bundesgerichtshof im April 2010 den Freispruch aufgehoben hatte, muss der Fall neu verhandelt werden.
Nun muss geklärt werden, ob das Opfer Wasser in der Lunge bekommen hatte und quasi ertrunken ist oder ob es an einem Herzschaden starb. Im ersten Prozess hatten die Gutachter unterschiedliche Thesen zur Todesursache aufgestellt. Aus diesem Grund plädierten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger auf Freispruch. Das Gericht war ebenfalls der Ansicht, dass dem Angeklagt keine Schuld nachgewiesen werden könne.
Der Bundesgerichtshof hingegen sah dies anders. Nach seiner Ansicht habe der Angeklagte unverhältnismäßig gehandelt. Nachdem er dem Opfer Brechmittel und Wasser über eine Magensonde verabreicht habe und sich das Opfer erbrochen habe, habe der Angeklagte mit einem Spachtel einen weiteren Brechreiz ausgelöst. Dies sei der Grund wieso eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht käme.
( Quelle: FAZ vom 09.03.2011 Nr. 57, S. 9 )
2. Strafsenat des BGH, Az.: 2 StR 588/09
Die Angeklagten K. und S. sind vom Landgericht Gera wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht Menge in mehreren Fällen sowie wegen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Angeklagter K.) und wegen des versuchten Diebstahls schuldig gesprochen worden.
Gegen das Urteil legten beide Revision ein, über die der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte.
Im Hinblick auf die Feststellungen des Landgerichts hebt der Senat die Verurteilung in zwei Fällen auf, da der Angeklagte die vom Mitangeklagten H erworbenen 100 Gramm Crystal aufgrund der schlechten Qualität nicht weiterverkaufen konnte und diese später gegen höherwertige Ware umtauschte. Das Landgericht wertet den Umtausch rechtsfehlerhaft als ein erneutes, tatmehrheitliches Handeltreiben.
Hierzu führt der Senat aus:
„Wird aber eine zum Weiterverkauf erworbene Rauschgiftmenge in eine andere Menge umgetauscht, weil – wie – hier die gelieferte Qualität nicht den Erwartungen entspricht, so sind die Bemühungen um die Rückgabe der mangelhaften und die Nachlieferung einer mangelfreien Ware auf die Abwicklung ein- und desselben Rauschgiftgeschäfts gerichtet (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2005, 232, StV 2007, 83; Senatsbeschlüsse vom 23. September 2009 – 2 StR 325/09, vom 30. September 2009 – 2 StR 323/09 und vom 22. Januar 2010 – 2 StR 563/09).“
Somit ist die Verurteilung wegen dieser zwei Fälle aufzuheben. Ferner schließt der Senat aus, dass die Strafkammer ohne diese Einzelstrafe auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.
4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 102/09
Der Angeklagte hatte zusammen mit dem Mitangeklagten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans im Zeitraum vom 1.12.2006 bis zum 20.11.2007 in mindestens 40 Fällen zum gewinnbringenden Weiterverkauf jeweils mindestens 1 kg Marihuana gekauft. Das Rauschgift wurde anschließend zu einem Mindestpreis von 4000 Euro pro kg Marihuana veräußert. Der Angeklagte wurde daraufhin wegen unerlaubten Handelstreiben nach dem BtMG in nicht geringer Menge in 40 Fällen zu einer Gesamtstrafe von 3 Jahren verurteilt.
Des Weiteren hat das Landgericht Rostock gegen ihn und den nicht revidierenden Mitangeklagten den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 80.000 Euro angeordnet. Begründet wurde dies mit folgender Rechnung: Der Angeklagte und der Mitangeklagte hätten angesichts eines Mindestpreises von 4000 Euro pro kg Marihuana und unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 500 Euro pro Kilogramm aus dem gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreiben mit 40 kg Marihuana einen Gesamtbetrag von 160.000 Euro „erlangt“, für das beide nun gesamtschuldnerisch haften würden. Allerdings ist das LG den Angeklagten bereits entgegen gekommen und hat aufgrund der unbilligen Härte gegenüber den jungen Tätern eine gesamtschuldnerische Haftungsbegrenzung auf 80.000 Euro eingeführt. Gegen das Urteil und der Höhe des Verfalls wendet sich der Angeklagte in seiner Revision.
Der BGH stellt dazu fest:
““Erlangt“ im Sinne von §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB ist ein Vermögensvorteil nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer die faktische Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (BGH NStZ 2003, 198, 199; Senatsbeschluss vom 1. März 2007 – 4 StR 544/06). Bei mehreren Tatbeteiligten am unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über die Rauschgifterlöse zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte (BGH aaO; vgl. auch BGH NStZ-RR 2007, 121). Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlenden Darlegungen des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08).“
Das LG hatte die Höhe des durch die Geschäfte und das Handeltreiben mit dem Marihuana entstandenen Erlöses unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages durch Schätzung gemäß § 73b StGB festgestellt. Für die tatsächliche jeweilige Verfügungsgewalt der Tatbeteiligten über die Erlöse aus den Geschäften und der Mitverfügungsgewalt des Angeklagten an diesen Erlösen waren jedoch weder durch die Ermittlungen der Polizei noch durch Zeugenaussagen und Vernehmungen konkrete Anhaltspunkte ersichtlich.
Daraus lassen sich zwar Feststellungen über das mittäterschaftliche Zusammenwirken des Angeklagten und Mitangeklagten gewinnen und auch als Beweismittel rechtfertigen, jedoch nicht hinsichtlich der vom LG angenommen Gesamtschuldnerischen Haftung aufgrund der Mitverfügungsgewalt. Insbesondere ergibt sich daraus nicht von selbst die vom LG ausgeführte Stellung des Angeklagten als „Großdealer“, zumal der Mitangeklagte ebenfalls einzelne Beschaffungsfahrten auch alleine durchgeführt und selbstständig größere Mengen Rauschgift erworben hat, um es später gewinnbringend zu veräußern.
Nach Ansicht des BGH ist daher insgesamt gemäß § 357 Satz 1 StPO „die Aufhebung der Verfallsanordnung auch auf den früheren Mitangeklagten D. zu erstrecken (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2).“
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner