Ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sieht das Landgericht Landshut erst ab 2500 Euro.
Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Landshut strafrechtlich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt und seine Fahrerlaubnis wurde vorläufig gemäß § 111a StPO, § 69 StGB entzogen. Der Beschwerde gegen diesen Beschluss, den der Angeklagte durch seinen Anwalt einlegte, wurde vom Amtsgericht nicht abgeholfen.
Eine Fahrverbotsverhängung kommt für sehr lange zurückliegende Taten nicht mehr in Betracht.
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hatte sich mit einem einmonatigen Fahrverbot zu beschäftigen. Der Revisionsführer wurde in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Bochum wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einem Fahrverbot gemäß § 44 StGB verurteilt. Zwischen Tat und Berufungsverhandlung lagen zwei Jahre und drei Monate.
Das OLG Hamm stellt den Zweck des Fahrverbots hervor. Es soll ein Denkzettel für den Verurteilten sein, um ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln. Weiter führt es aus:
„Diese Warnungs- und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – aber nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Eine Fahrverbotsverhängung, die sich nach allgemeinen Strafzumessungserwägungen richtet, kommt nach einhelliger Ansicht jedenfalls für sehr lange zurückliegende Taten nicht mehr in Betracht.“
Aus diesem Grund hält das OLG Hamm das Verhängen des Fahrverbots für nicht mehr notwendig. Selbst in diesem konkreten Fall nicht, in dem sich der Verurteilt sehr uneinsichtig zeigte und dessen Bruder vor Gericht eine Falschaussage tätigte. Deswegen lässt das OLG Hamm das Fahrverbot entfallen.
OLG Hamm, Beschluss vom 24. Juli 2012, Az. III-2 RVs 37/12
Ein Autofahrer fuhr an einem Bahnübergang gegen einen Schrankenantrieb und beschädigte diesen stark. Anschließend entfernte er sich unerlaubt von der Unfallstelle. Rund 40 Minuten, nachdem ein Zeuge den Unfall gemeldet hatte, meldete sich auch der Unfallverursacher bei einer Polizeidienststelle und zeigte an, dass er der Unfallverursacher sei.
Das Landgericht Itzehoe hat die Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen jeweils wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich begangen mit schwerem Bandendiebstahl sowie in einem Fall tateinheitlich begangen mit versuchtem schweren Bandendiebstahl, und wegen vorsätzlicher Brandstiftung, zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.
Der Angeklagte P. wurde darüber hinaus wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt.
Nach den Feststellungen des Gerichts war nicht eindeutig geklärt, ob der Angeklagte die Kollision bereits unmittelbar während des Unfallgeschehens bemerkte. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte erst davon erfuhr, als der Geschädigten ihn beim Halt an einer Ampel auf den Unfall hinwies. Weiterhin blieb unklar, welche Strecke der Angeklagte bis dahin vom eigentlichen Unfallort zurückgelegt hatte.
Dazu der BGH:
Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals vom Unfall erfahren hat, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 30. August 1978 – 4 StR 682/77, BGHSt 28, 129, 131). Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB scheidet aus, da das unvorsätzliche Verlassen des Unfallorts nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wird (BVerfG, NZV 2007, 368). Entgegen einer in Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2008, 107) und Literatur (vgl. Blum, NZV 2008, 495; Laschewski, NZV 2007, 444, 448) vertretenen Ansicht sieht der Senat keine Veranlassung, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallorts (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1992, 327; OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 409; OLG Köln, NZV 1989, 197, 198) zu modifizieren, um auf diese Weise Fälle strafrechtlich zu erfassen, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich dennoch weiter entfernt (vgl. OLG Hamburg, NZV 2009, 301; SSW-StGB/Ernemann § 142 Rn. 43; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 142 Rn. 52).
Damit stellt der BGH klar, dass hier eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheiden muss. In solchen Fällen, in denen sich der Unfallbeteiligte in Unkenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt und erst später davon erfährt, sei der Tatbestand bereits nicht erfüllt. Dann nämlich entfernt er sich nicht mehr vom Unfallort. Eine Ausweitung auf dieses Geschehen würde gegen das strafrechtliche Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen.
BGH, Beschluss vom 15.11.2010, Az.: 4 StR 413/10
Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Unfallflucht) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Frankfurt am Main das Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen dieses Urteil wendet sich nunmehr der Angeklagte mit der Revision.
4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 413/10
Das LG Itzehoe hat die Angeklagten jeweils wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in drei Fällen und wegen vorsätzlicher Brandstiftung, darüber hinaus den Angeklagten E. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls und den Angeklagten P. wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt. Der Angeklagten E. wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, der Angeklagten C. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und der Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Angeklagten erhoben dagegen Revision.
Der 4. Strafsenat stellte das Verfahren gegen den Angeklagten P. wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallorts aus Gründen der Verfahrensökonomie auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein. Die Urteilsgründe würden das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht belegen.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Die vom LG Itzehoe getroffenen Feststellungen ergeben weder, ob der Angeklagte die Kollision mit dem Fahrzeug des Geschädigten unmittelbar während des Unfallgeschehens bemerkte oder erst bei dem späteren Halt an einer Ampel von dem Geschädigten auf den Unfall hingewiesen wurde, noch verhalten sie sich zu der Frage, welche Wegstrecke der Angeklagte bereits zurückgelegt hatte, als er von dem Geschädigten an der Ampel angesprochen wurde. Es bleibt daher die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte noch in Unkenntnis des Unfalls den Unfallort verließ.
Nicht das Entfernen vom Unfallort selbst erfüllt den Tatbestand, sondern das Entfernen von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals vom Unfall erfahren hat (BGH, Beschluss vom 30. August 1978 – 4 StR 682/77, BGHSt 28, 129, 131). Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB scheidet aus, da das unvorsätzliche Verlassen des Unfallorts nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wird (BVerfG, NZV 2007, 368 [BVerfG 19.03.2007 – 2 BvR 2273/06]).“
Das Urteil des LG Itzehoe wurde im Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten P. dahin geändert, dass die Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort entfällt.
2. Strafsenat des OLG Nürnberg, Az.: 2 St OLG Ss 147/10
Das AG Schwandorf hat die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt und hat ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen. Die Angeklagte legte dagegen, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Das LG Amberg hat die Berufung als unbegründet verworfen. Dagegen wandte sich die Angeklagte mit dem Rechtmittel der Revision.
Der 2. Strafsenat erachtet die Revision der Angeklagten als begründet, da die vom AG Schwandorf getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage für eine Strafzumessung bildeten und das LG Amberg darüber hinausgehende Feststellungen getroffen hat, die ihm verwehrt gewesen sind.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Die Feststellungen des AG tragen zwar den Schuldspruch des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Sie ermöglichen aber keine Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots. Nach § 44 StGB kann ein solches verhängt werden, wenn jemand „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers“ eine Straftat begeht. Derartige Feststellungen wurden nicht getroffen.
Das LG hat vorliegend über die vom AG zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen hinaus zusätzliche Feststellungen getroffen. Zudem ist es bei seiner Entscheidung zum Fahrverbot ersichtlich von seinen ergänzenden Feststellungen ausgegangen. Folglich hat das LG Feststellungen über die Rechtsfolgen in unzulässiger Weise in seiner Entscheidung zugrunde gelegt, aus denen sich im Vergleich zu den rechtskräftig gewordenen Feststellungen des AG erst die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots ergeben. Die zusätzlichen Feststellungen des LG wirken sich damit „strafschärfend“ aus. Solche Feststellungen zu treffen, war dem LG verwehrt.“
Der Strafsenat hob das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG Amberg zurück. Die Revision der Verteidigung hatte damit Erfolg.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner