Die Untersuchungshaft (U-Haft) eines Verdächtigen kann in Deutschland angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund besteht sowie die Verhältnismässigkeit eingehalten ist. Es muss daher also selbst bei Vorlage des Haftgrundes und des dringenden Tatverdacht immer noch die Verhältnismäßigkeit der Anordnung geprüft werden. Ein Haftgrund kann zum Beispiel die Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr sein. Der häufigste Haftgrund ist jedoch die Flucht oder Fluchtgefahr aus § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO.
Beziehungsgegenstand beim Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften ist lediglich die Festplatte und nicht das komplette Notebook.
Das Landgericht Magdeburg verurteilte einen Mann wegen des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften und zog, auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützt, das Notebook des Mannes ein. Hiergegen wendet sich die Strafverteidigung mit der Revision.
BGH, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 5 StR 192/11
Der Angeklagte, der bereits mehrfach wegen Sexualstraftaten verurteilt wurde, musste sich erneut vor dem Landgericht Cottbus wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung verantworten. Der Angeklagte soll auf einem Friedhof eine Trauernde angegriffen und mit heruntergelassener Hose gewürgt haben. Erst als der Lebensgefährte der Geschädigten einschritt und den Angeklagten wegschubste, ließ er von seinem Opfer ab. Das Landgericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und ordnete die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.
Die Strafverteidigung wehrte sich mittels Revision gegen diesen Urteilsspruch.
Der BGH gibt der Revision der Verteidigung dahingehend Recht, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht alle Umstände berücksichtigte, die für die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendig gewesen wären. Vor allem da die Vortaten mit größeren Abständen in den Jahren 1986, 1988, 1992, 1997 und 2002 erfolgten:
„Gleichwohl kann der Senat im Ergebnis nicht eindeutig feststellen, dass auch die vom Bundesverfassungsgericht neu aufgestellten Verhältnismäßigkeitskriterien zweifelsfrei erfüllt sind, wenngleich dies keineswegs fernliegt. Die geforderte Schwere der drohenden Taten ist sicher gegeben. Auf die vom Bundesverfassungsgericht für Fälle rückwirkender Anwendung im Rahmen von § 66b oder § 67d StGB entwickelten nochmals deutlich strengeren Verhältnismäßigkeitskriterien (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – 5 StR 52/11, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) kommt es hier nicht an.
Die Zweifel ergeben sich aus den vom Landgericht im Rahmen seiner Gefährlichkeitsprüfung hervorgehobenen Umständen nicht unbeträchtlicher Zwischenräume zwischen den Taten und einer nicht feststellbaren Eskalation von deren Häufigkeit und Schwere (vgl. UA S. 45).“
Somit müssen bei der strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Sicherungsverwahrung auch nicht unbeträchtliche Zwischenräume zwischen den Taten und einer nicht feststellbaren Eskalation der Taten berücksichtigt werden.
Damit hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Cottbus zurückverwiesen.
1. Strafsenat des OLG Naumburg, Az.: 1 Ws 398/10
Der vorläufig festgenommene Angeschuldigte hat sich zunächst aufgrund des Haftbefehls des AG Weißenfels wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahls und gestützt auf den Haftgrund der Fluchtgefahr in Untersuchungshaft befunden. In dem Termin zur mündlichen Haftprüfung hat das AG Weißenfels den Haftbefehl aufgehoben und dahingehend „neu gefasst“, dass die Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen Diebstahls angeordnet wurde. Als Haftgrund nahm das Amtsgericht erneut das Vorliegen einer Fluchtgefahr an. Der Angeschuldigte legte Beschwerde ein, diese wurde vom LG Halle, in Unkenntnis dessen, dass die Staatsanwaltschaft Halle Anklage bei dem AG Weißenfels erhoben hatte durch Beschluss als unbegründet verworfen.
Der Angeschuldigte legte durch Schriftsatz seines Verteidigers weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts ein. Dieser half das LG Halle durch Beschluss nicht ab. Das AG Weißenfels legte die Beschwerde jedoch als Haftprüfungsantrag aus. Durch Beschluss hat das AG Weißenfels den Haftbefehl aus den fortbestehenden Gründen seiner Anordnung aufrechterhalten.
Gegen die Entscheidung die Aufrechterhaltung der Haft hat der Angeschuldigte durch Schriftsatz seines Verteidigers Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen und das LG Halle durch Beschluss als unbegründet verworfen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Angeschuldigten.
Der 1. Strafsenat ist zwar der Ansicht, dass der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat des gemeinschaftlichen Diebstahls dringend verdächtig sei. Jedoch könne es dahinstehen, ob der Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe, könne dahingehen, da die durch den nach Aufhebung des Haftbefehls neu ergangenen Haftbefehl des AG Weißenfels angeordnete Untersuchungshaft unverhältnismäßig sei.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Untersuchungshaft darf in Ansehung der durch Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG garantierten Freiheit der Person und der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 MRK nur angeordnet und aufrechterhalten werden, wenn überwiegende Interessen des Gemeinwohls das zwingend gebieten (BVerfGE 35, 185, 190 [BVerfG 30.05.1973 – 2 BvL 4/73]). Die Durchsetzung des Anspruchs der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters ist der Zweck der Untersuchungshaft (BVerfGE 19, 342, 348 [BVerfG 15.12.1965 – 1 BvR 513/65]; BVerfGE 20, 45, 49 [BVerfG 03.05.1966 – 1 BvR 58/66]).
Es muss daher eine Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten und der vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkung erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haft auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (BVerfGE 20, 45, 49 [BVerfG 03.05.1966 – 1 BvR 58/66]); gleichzeitig ist zu bedenken dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft regelmäßig vergrößert (BVerfGE 53, 152, 158 [BVerfG 06.02.1980 – 2 BvR 1070/79]).
Bei der Abwägung, ob die weitere Untersuchungshaft verhältnismäßig ist, kommt es nur auf die Tat an die Gegenstand des Haftbefehls ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung für eine andere Freiheitsstrafe in Betracht kommt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 1998 4 Ws 204/98). Schon hiernach ist der auf den dringenden Tatverdacht des gemeinschaftlichen Diebstahls (bei einem Beutewert von weniger als 200 Euro) gegründete Haftbefehl unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache für die Rechtsgemeinschaft nicht verhältnismäßig.“
Der Senat hat den Beschluss des LG Halle und den Haftbefehl des AG Weißenfels vom aufgehoben.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner