Bei vielen Straßenverkehrsstraftaten spielt die Promille-Grenze eine wichtige Rolle. Vor allem die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit ist häufig eine wichtige Frage in einem Prozess bezüglich Straßenverkehrsdelikte.
Vor dem Amtsgericht wurde der Frage nachgegangen, wer der Führer des Unfallwagens bei einem tödlichen Unfall im Jahre 2011 war. In Frage kam entweder der angeklagte Halter des Fahrzeuges oder aber der tödlich verunglückte Mitinsasse.
Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der Angeklagte nach dem Konsum von Kokain mit seinem Pkw in einen Verkehrsunfall. Zwei Stunden nach dem Unfall wurde dem Angeklagten eine Blutprobe entnommen.
Das Landgericht hat eine rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit schon deshalb als erbracht angesehen, weil der von der Grenzwertekommission empfohlene Grenzwert für Benzoylecgonin (enthalten in Kokain) von 75 ng/ml um das Fünffache überschritten war.
1. Strafsenat des OLG Saarbrücken, Az.: Ss 104/2010 (141/10)
Der Angeklagte wurde durch das AG Saarlouis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr infolge drogenbedingter Fahruntüchtigkeit (Cannabis) zu einer Geldstrafe von 40 Tagesätzen zu je 10,– Euro verurteilt.
Das AG stellte hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit ohne die Feststellung eines rauschbedingten Fahrfehlers auf den Wirkstoffbefund im Blut sowie den psycho-physischen Zustand des Angeklagten ab.
Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der 1. Strafsenat des OLG Saarbrücken gibt der Revision statt. Die Feststellungen des AG Saarlouis würden eine Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nicht tragen, da sie eine Fahruntüchtigkeit des Angeklagten infolge von Cannabiskonsum nicht mit genügender Sicherheit belegen würden.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Zur Feststellung der relativen Fahruntüchtigkeit bedarf es außer dem – hier festgestellten – positiven Blut-Wirkstoffbefund weiterer, für die fahrerische Leistungsfähigkeit aussagekräftiger Beweisanzeichen (vgl. OLG Düsseldorf, JR 1999, 474; Senatsbeschluss vorn 11. März 2003 – Ss 16/03 (23/03) -), d.h. solcher Tatsachen, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Angeklagte in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist (vgl. OLG Zweibrücken, StV 2003, 624).
Als Auffälligkeiten, die durch den Drogenkonsum zumindest mitverursacht sein müssen und die sich unmittelbar auf eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit beziehen, kommen insbesondere – von dem AG allerdings nicht festgestellte – rauschmittelbedingte Fahrfehler, aber auch Verhaltensauffälligkeiten in der Anhaltesituation wie z.B. schwerwiegende Beeinträchtigungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, mangelnde Ansprechbarkeit, Unfähigkeit zu koordinierter Bewegung, deutliche motorische Ausfallerscheinungen (Schwanken und Torkeln), sowie entsprechende Verhaltensauffälligkeiten bei der ärztlichen Untersuchung in Betracht (vgl Senatsbeschluss vom 11. März 2003 – Ss 16103 (23/03)).
Die von dem AG festgestellten Beweisanzeichen genügen, gemessen an diesen Anforderungen, weder für sich allein noch in der Gesamtschau, um die Annahme (relativer) Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zu rechtfertigen.“
Der Strafsenat hob aufgrund der erfolgreichen Revision der Verteidigung das Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Saarlouis zurück.
Das Oberlandesgericht Nürnberg erklärte in einem Urteil, dass die absolute Fahruntüchtigkeit für Rollstuhlfahrer mit motorisierten Kranken-Rollstühlen bei 1,1 Promille liegt.
Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass der Betroffene mit seinem elektrisch angetriebenen Krankenrollstuhl unterwegs war. Er wurde mit 1,25 Promille von der Polizei gestellt. Es habe zwar keine alkoholbedingten Fahrfehler gemacht, jedoch sei die Öffentlichkeit durch sein verhalten gefährdet worden. Dem widersprach der Mann. Er erklärte, dass er zum Zigarettenkauf unterwegs gewesen sei und lediglich 300 Meter auf einem Radweg unterwegs gewesen sei. Zudem läge die Grenze für absolute Fahruntüchtigkeit für Radfahrer bei 1,6 Promille, diese gelte auch für ihn und diese habe er nicht überschritten.
Das Oberlandesgericht Nürnberg war hinsichtlich der Gleichstellung zu Radfahrer jedoch anderer Ansicht. Bei Radfahrern sei keine derart starke Fremdgefährdung gegeben, da diese bei entsprechender Alkoholisierung meistens nicht mehr das Gleichgewicht halten könnten und so das Weiterfahren einstellen müssten.
Das Gericht setzte für den Rollstuhlfahrer eine Geldstrafe von 1500 Euro fest.
( Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg Az.: 2 St OLG Ss 230/10 )
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner