rechtliches Gehör

  • In einem Rechtsstaat ist das rechtliche Gehör ein wichtiges Gut und ein Verfahrensgrundsatz. Der § 258 StPO regelt daher die Reihenfolge der Worterteilung nach der Beweisaufnahme. Nachdem die Staatsanwaltschaft plädiert hat, ist dem Angeklagten, in der Regel nach dem Plädoyer seines Strafverteidigers, das letzte Wort zu erteilen. Auch wenn bereits der Strafverteidiger für den Angeklagten im Schlussvortrag die für seinen Mandanten sprechenden Umstände vorgetragen hat, ist dem Angeklagten trotzdem noch einmal die Gelegenheit zur Äußerung zu gewähren. Er soll die Gelegenheit haben, kurz vor der Urteilsverkündung noch eventuell angebrachte Reue zu zeigen oder seine Ansicht darzustellen.

  • Gegen den Beschwerdeführer wurden eine Geldbuße von 780 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt, da er auf einer Autobahn die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120km/h um 72km/h überschritten haben soll. Er berief sich auf Verjährung, da ihm der Bescheid nicht zugegangen sei. Vielmehr habe die zuständige Postzustellerin nicht versucht, ihm diesen Bescheid direkt zuzustellen, sondern habe den Bescheid direkt in den Briefkasten gelegt. Nach Angabe des Beschwerdeführers soll es sich sogar um den Briefkasten eines Nachbarn gehandelt haben.

  • OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.04.2011, Az.: 1 Ws 109/11

    Gegen den Angeschuldigten wurde durch das Amtsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 4. März 2010 zum Zwecke der Rückgewinnhilfe den dinglichen Arrest in Höhe von 76.136,14 € in das Vermögen des Angeschuldigten angeordnet.

    Begründet wurde dies mit dem gegen ihn bestehenden  dringenden Verdacht, zwei Bankrottstraftaten begangen zu haben. Auf die weitere Beschwerde des Angeschuldigten hat der Senat durch Beschluss vom 25. März 2011 diese Arrestanordnung aufgehoben. Seit der Arrestanordnung waren mehr als zwölf Monate vergangen und der für die Aufrechterhaltung des Arrestes nach § 111b Abs. 3 StPO erforderliche dringende Tatverdacht hinsichtlich der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Bankrottstraftaten lag nach Auffassung des Senats nicht vor.

    Gegen die Aufhebung wendet sich die mutmaßlich Geschädigte und rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs. Sie
    beantragte die Beteiligung am Verfahren. Dies wurde abgelehnt.

    Dazu das OLG:

    „Die O…-M… GmbH als möglicherweise durch die Bankrottstraftaten Verletzte ist nicht Verfahrensbeteiligte. Das Gesetz sieht dieses nicht vor. Die dem Verletzten im Strafverfahren zustehenden Rechte ergeben sich aus den §§ 111g ff. StPO (Zulassungsverfahren) und §§ 403 ff. StPO (Adhäsionsverfahren). Eine darüber hinausgehende Beteiligung, insbesondere bei der Frage der Anordnung eines Arrestes oder dessen Aufhebung, ergibt sich aus der Verletzteneigenschaft nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht (vgl. OLG München, Beschluss v. 06.11.2003, 2 Ws 83-92/03, NJW 2004, 1119). Zwar bezweckt die Anordnung des dinglichen Arrestes zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe die Sicherung der Ansprüche des Geschädigten. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Umgekehrt ist dadurch der Verletzte auch nicht gehindert, im Zivilrechtswege einen dinglichen Arrest zu bewirken. Denn die strafprozessual angeordnete Rückgewinnungshilfe lässt das zivilprozessuale Sicherungsbedürfnis nicht entfallen (vgl. KG, Beschluss v. 07.01.2010, 23 W 1/10, NStZ-RR 2010, 179).“

     

    „Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt auch keine planwidrige Lücke vor. Der Hinweis darauf, sie sei nach den §§ 431, 442 StPO zu beteiligen, hätte der Angeschuldigte sachliche Vermögensgegenstände, die im Eigentum der Antragstellerin gestanden haben, an sich gebracht, geht fehl. In diesem Falle stünden ihr vielmehr die Rechte aus §§ 403 ff. StPO zu. Nach den §§ 431, 442 StPO zu beteiligen ist nur derjenige, der durch eine gerichtliche Endentscheidung über den Gegenstand einen Rechtsverlust zu befürchten hat, wobei hiervon Inhaber (nur) obligatorischer Ansprüche – und zwar auf Grund der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. OLG München, a.a.O., m.w.N.) – nicht erfasst sind.“

    Aus diesen Gründen sah das OLG eine Anhörung der mutmaßlich Geschädigten nicht als erforderlich. Vielmehr sei die Geschädigte nicht am Verfahren zu beteiligen. Daran ändere auch nicht die zu Anfangs bejahte Rückgewinnhilfe. Die Geschädigte könne immer noch den Zivilrechtsweg bestreiten. Daher ergebe sich auch keine Änderung der Entscheidung des Senats.

    Anders ist dies bei der sog. „Verfallsbeteiligten“, bei der Vermögen aus einer Straftat abgeschöpft werden soll.


  • OLG Bamberg, Beschluss vom 04.03.2011, Az.: 2 Ss Owi 209/2011

    Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße in Höhe von 140 Euro festgesetzt, weil er den vorgeschriebenen Mindestabstand nach § 4 I, III StVO nicht eingehalten hatte. Den dagegen eingelegten Einspruch verwarf das Amtsgericht Bayreuth durch Urteil gemäß § 74 II OWiG, da der Betroffene zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist.

    Zwar sei von seinem Verteidiger ein Antrag gestellt worden, die Hauptverhandlung zu verlegen, allerdings sei das Gericht diesem Wunsch nicht nachgekommen. Diese Entscheidung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Im vorliegenden Fall sei es dem Betroffenen zuzumuten gewesen, ohne seinen Verteidiger zu erscheinen. Damit lag nach Ansicht des Amtsgerichts keine ausreichende Entschuldigung für das Ausbleiben des Betroffenen vor.

    Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, den er wie auch die damit vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde (§ 80 Abs. 3 S. 2 OWiG) mit der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör begründet.

    Das OLG entschied zugunsten des Betroffenen, dass die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgericht zugelassen werde und das Urteil aufgehoben wird. Insbesondere hätte vom Tatrichter eine Verlegung des Termins problemlos erfolgen können:

    „Im Übrigen war ein sachgerechtes Umdisponieren seitens des Tatrichters in dieser Bagatellsache bei lediglich einem sonstigen Verfahrensbeteiligten/Zeugen auf Grund der unverzüglichen Kollisionsanzeige durch den Verteidiger problemlos möglich.

    Das dagegen vorgeschobene Argument des Tatrichters, dem stehe der Aspekt vorrangiger Verfahrensbeschleunigung entgegen, „insbesondere weil ansonsten an dem frei gewordenen Termin unter Einhaltung der Ladungsfrist kein anderes Verfahren terminiert werden könnte“, ist abwegig.

    Durch diese unsachgemäße, vom Gesetz nicht gedeckte Verfahrensweise des Tatrichters blieb das bei Durchführung der Hauptverhandlung zur Sache zu erwartende, in der Rechtsbeschwerdebegründung noch hinreichend (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, § 80 Abs. 3 OWiG) ausgeführte Vorbringen des Betroffenen zur Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Schuldvorwurfs und zum Rechtsfolgenausspruch rechtsfehlerhaft unberücksichtigt. Mit der Verwerfung des Einspruchs der Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG wurde deshalb nicht nur gegen einfaches Verfahrensrecht verstoßen, sondern insbesondere auch dem Betroffenen das rechtliche Gehör in der Sache selbst unzulässigerweise beschnitten (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BayObLG, Beschluss vom 11.01.2001, Az. 2 ObOWi 607/00).“

    Damit erläutert das OLG hier den Fall, in dem die Ermessensentscheidung des Gerichts über einen Antrag auf Verlegung eingeschränkt ist. Es soll durch das eingeräumte Ermessen nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kommen.


  • Das AG Tiergarten erließ gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen. Dagegen legte der Angeklagte Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Bestellung eines Pflichtverteidigers. Das AG Tiergarten lehnte den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung mit Beschluss ab. Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt, gleichzeitig Akteneinsicht gemäß § 147 VII StPO beantragt und eine Beschwerdebegründung nach erfolgter Akteneinsicht angekündigt.

  • Gegen den Beschwerdeführer erging ein Bußgeldbescheid wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 39 km/h in Höhe von 150,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Dagegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat um Verlegung des Hauptverhandlungstermins, da er sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befinden würde. Das AG Bielefeld lehnte die Terminverlegung im Hinblick auf die angespannte Lage des Dezernats ab.

    Der Hauptverhandlungstermin fand statt, doch weder der Beschwerdeführer noch der Verteidiger nahmen teil. Das AG Bielefeld verwarf daher den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit einer Rechtsbeschwerde.

  • OLG Koblenz, Az.  2 SsRs 54/09

    Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Koblenz wegen „wegen verspäteter Einlegung der Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tageslenkzeitüberschreitung sowie wegen eines weiteren Falles der verspäteten Einlegung der Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tageslenkzeitüberschreitung zu Geldbußen von 90 Euro bzw. 135 Euro“ verurteilt worden. Hinzu kamen zwei weitere, vom Gericht verhängte Geldbußen in Höhe von 150 Euro und 135 Euro.

    Aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung konnte der vom Angeklagten beauftrage Wahlverteidiger nicht zum Termin der Hauptverhandlung erscheinen. Zwei weitere Anwälte der Kanzlei seien ebenso verhindert gewesen. Aus diesem Grund wurde um eine Terminverlegung gebeten. Den Antrag auf die Terminverlegung wies das Amtsgericht jedoch ab und begründete diesen Beschluss damit, dass die Erkrankung in „keiner Weise glaubhaft gemacht worden“ und eine Vertretung aus der Kanzlei zu erwarten sei. Auch handele es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt.

    Die gegen die Terminverlegung gerichtete Verfahrensrüge des Angeklagten hatte nun vor dem OLG Koblenz Erfolg. Das Gericht sieht in der Ablehnung der Terminverlegung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen.

    Der Senat führt hierzu in seinem Beschluss aus:

    „Aufgrund der konkreten Verfahrenssituation konnte der Betroffene, der auf Antrag seines Verteidigers vom persönlichen Erscheinen entbunden worden war, darauf vertrauen, dass er in der Hauptverhandlung von diesem vertreten werde. Es war für den Betroffenen im vorliegenden Falle nicht zumutbar, sich auf eine Hauptverhandlung ohne seinen gewählten Verteidiger einzulassen. Zwar gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG nicht den Beistand durch einen bestimmten Verteidiger (vgl. Göhler a.a.O., § 80 Rdnr. 16a m.w.N.). Zudem hat ein Betroffener gem. § 228 Abs. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG keinen Anspruch darauf, im Falle der Verhinderung des Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Andererseits kann gem. § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes durch einen Verteidiger bedienen. Das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung durch einen Rechtsanwalt einerseits und das Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens andererseits sind gegeneinander abzuwägen, wobei dem Verteidigungsinteresse im Zweifel Vorrang gebührt (Göhler a.a.O., § 71 Rdnr. 30 m.w.N.). Das gilt insbesondere dann, wenn der Verteidiger wie im vorliegenden Fall wegen einer plötzlichen Erkrankung, die im Übrigen über die anwaltliche Versicherung hinaus nicht weiter glaubhaft zu machen ist, an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen kann. Dadurch ist das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs in der Hauptverhandlung beschnitten worden.“

    Angesichts dessen ist die Rechtsbeschwerde zulässig und das angefochtene Urteil wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. StB 38/09

    Der Beschuldigte ist Drittbetroffener des Beschlusses des Ermittlungsrichters zur Anordnung und Durchführung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und erhob hiergegen die sofortige Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Im vorliegenden Fall führte die Generalbundesanwaltschaft gegen den Beschuldigten und weitere Personen ein Ermittlungsverfahren „wegen des Verdachts der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigungen A. Q. im Zweistromland und A. a. I. sowie weiterer Straftaten“.
    Konkret wird dem Beschuldigten vorgeworfen, in fünf Fällen im Zeitraum zwischen dem 25. November 2007 und dem 5. Januar 2008 auf der Internetseite der „G. I. M.“ so genanntes Propagandamaterial der Gruppe der A. Q. weiterverbreitet zu haben. Insbesondere habe dieses Material auf die Werbung neuer Mitglieder und Unterstützer abgezielt, was eine Straftat im Sinne der §§ 129 a Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2, 129 b Abs. 1 StGB darstellt. Auch stellte er weiteres, vergleichbares Propagandamaterial auf die genannte Seite.

    Im unter anderem hierauf gerichteten Ermittlungsverfahren ordnete der zuständige Ermittlungsrichter des BGH durch mehrere Beschlüsse die Telekommunikationsüberwachung des Beschuldigten an, was durch das Bundeskriminalamt vollzogen wurde.

    Nachdem der Beschuldigte mit Schreiben des Generalbundesanwalts vom 29. Januar 2009 über die Überwachung der Telekommunikation in 2 Fällen in Kenntnis gesetzt wurde, erhob er Beschwerde und beantragte durch seine Verfahrensbevollmächtigte die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit dieser Überwachungsmaßnahmen sowie die Art und Weise ihres Vollzugs. Zudem wurde ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Der Ermittlungsrichter hatte diesen Antrag als unbegründet verworfen.

    Nach Ansicht des Strafsenats ist die sofortige Beschwerde begründet.

    So hat der Ermittlungsrichter des BGH über den Antrag auf Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Anordnung und des Vollzugs der Überwachungsmaßnahme entschieden, ohne dass dem Beschuldigten vorher durch den Generalbundesanwalt, der zur Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch berufen war, Akteneinsicht im erforderlichen Umfang gewährt worden ist. Dadurch ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auf Seiten des Beschuldigten verletzt, was letztlich zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückweisung der Sache an den zuständigen Ermittlungsrichter führt.

    Weiter führt der 3. Strafsenat aus:

    „Die an einer überwachten Telekommunikation beteiligten Personen können auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach der Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen (§ 101 Abs. 7 Satz 2 StPO). Da ihnen das Gesetz in diesem Verfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten einräumt, haben sie einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch, der in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes steht und grundsätzlich unabdingbar ist, sichert jedem Verfahrensbeteiligtem das Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung seines Vorbringens bei einer gerichtlichen Entscheidung. Zum rechtlichen Gehör vor Gericht gehört insbesondere die Möglichkeit, sich auf Antrag über alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweismittel durch Einsicht in die Akten zu informieren (vgl. BVerfG NStZ 2007, 274; BVerfG NStZ-RR 2008, 16, 17; BGH, Beschl. vom 22. September 2009 – StB 28/09).“

    Auch bezüglich des Geheimhaltungsinteresses, das die Gefährdung der Aufklärung der Straftat verhindern soll, bemerkt der Senat im Weiteren:

    „Soweit im Einzelfall das öffentliche Interesse, die bisherigen Ermittlungsergebnisse ganz oder zum Teil geheim zu halten, um die Aufklärung von Straftaten nicht zu gefährden, einer Akteneinsicht im dargestellten Umfang entgegensteht, ist die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der heimlichen Ermittlungsmaßnahme solange zurückzustellen, bis das Geheimhaltungsinteresse entfallen ist und deshalb Akteneinsicht gewährt werden kann (BGH, Beschl. vom 22. September 2009 – StB 28/09; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 101 Rdn. 25 a). Ein „in camera“-Verfahren, in dem das zur Entscheidung berufene Gericht von entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweismitteln Kenntnis erlangen würde, zu denen sich der Antragsteller nicht äußern konnte, ist im Strafprozess mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar (vgl. BVerfGE 109, 279, 371; BVerfG NStZ-RR 2008, 16, 17).“

    Angesichts dieser Ausführungen verletzt der Beschluss des Ermittlungsrichters das grundrechtsgleiche Recht des Beschuldigten/Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, indem der Generalbundesanwalt dem Betroffenen nicht im erforderlichen und beantragten Umfang die Akteneinsicht gewährt hatte. So war es dem Beschwerdeführers nicht möglich, anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen zu prüfen, „ob die Voraussetzungen des § 100 a StPO vorlagen, insbesondere die Beweismittel den Verdacht einer Anlasstat gemäß §§ 129 a, 129 b StGB begründeten“. Somit war er nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Telekommunikationsmaßen zu  beurteilen und sich diesbezüglich zu äußern.

    Insgesamt führt die Verletzung des Anspruchs auf sein rechtliches Gehör zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Ferner wird dieser an den Ermittlungsrichter zurückverwiesen zur erneuten Entscheidung.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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