Zeuge

  • Der Beschwerdeführer ist Zeuge in einem Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie unter anderem wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen die Angeklagten M. und C. vor dem 5. Strafsenat des OLG Frankfurt am Main.

    Als der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom Vertreter des Generalbundesanwaltes vernommen und ihm die Frage gestellt wurde „Wurden Sie oder Ihre Familie seit Ihren Aussagen bei der Polizei bis heute in Deutschland oder der Türkei von irgendjemandem aufgefordert oder gebeten, nicht oder in einem bestimmten Sinn in dem vorliegenden Strafverfahren auszusagen?“ verweigerte er die Beantwortung dieser Frage, denn eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage würde dazu führen, dass er sich und seine Ehefrau der Gefahr einer Strafverfolgung ausgesetzt sehe.

    Daraufhin hat das OLG Frankfurt am Main gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 Euro, ersatzweise für je 50 Euro einen Tag Ordnungshaft verhängt und „zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu einer Höchstdauer von zwei Monaten angeordnet“. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und hat mit dieser hinsichtlich der Anordnung der Beugehaft Erfolg.

  • Ebenfalls wurde vom Bundesrat am 7.05.2010 ein Gesetzesentwurf zur „Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens“ beschlossen und in den Bundestag eingebracht (BR-Drucks. 120/10).

    Angesichts der begrenzten Ressourcen der Justiz bestehe ein Verbesserungsbedarf in den unterschiedlichen Abläufen des Strafverfahrens. Hierbei sei es das Ziel, die Strafverfahren zu beschleunigen ohne dabei die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen oder gegen berechtigte rechtsstaatliche Interessen des Bürgers, aber auch des Rechtstaatsprinzips zu verstoßen. Viele Vorschläge seien in der Literatur und auch rechtspolitischen Diskussion bereits aufgetaucht, jedoch herrsche hier eine gewisse Uneinigkeit.

    Im Hinblick auf strukturelle Reformen forderte der Bundesrat bereits vor einigen Jahren (BR-Drucks. 660/06) einen Gesetzesentwurf zur Effektivierung des Strafverfahrens. Von dem Entwurf wurden jedoch nur einige Teile umgesetzt. Hier bestünde noch weiterer Bedarf.

    Der derzeitige Entwurf sieht beispielsweise die Einführung einer Pflicht vor, dass Zeugen auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen haben. Diese Pflicht soll das Ermittlungsverfahren vereinfachen und beschleunigen. Ferner sind die Erstreckung des §153a StPO auf das Revisionsverfahren und eine Modifizierung der gerichtlichen Zuständigkeit bei den Entscheidungen nach §454 b Abs. 3 StPO in dem vorgelegten Entwurf vorgesehen.

  • Der Angeklagte war wegen Dienstahls verurteilt worden und wendet sich in der Revision mit seiner Sachrüge gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer. Diese hatte den Angeklagten unter anderem aufgrund einer Zeugenaussage nach wiederholtem Wiederkennen verurteilt. Seitens der Strafkammer wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass die Zeugin bei der Täteridentifizierung Unsicherheiten aufzeigte und in der Hauptverhandlung auch geäußert hatte, dass sie sich nicht ganz sicher sei, ob der Angeklagte der Täter wäre.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 168/09

    Der Angeklagte war vom Landgericht Hannover wegen mehrfachen Verstößen gegen das BtMG (Betäubungsmittelgesetz) zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Hiergegen richtete sich die Revision des Angeklagten, mit der erfolgreich Rechtsfehler im Rahmen der Beweiswürdigung gerügt werden konnten.

    Nachdem der Angeklagte am 1.12.2006 in Spanien zwei Kilogramm Kokain einem weiteren Mittäter übergeben und die Polizei den Kurier anschließend festgenommen hatte, konnte der Angeklagte identifiziert und schließlich am 3.04.2008 festgenommen werden. Seitdem befindet sich dieser in Untersuchungshaft (U-Haft). Erst am 29.10.2008 wurde aufgrund eines Beweisantrages durch die Verteidigung die Verlobte des Angeklagten in der Hauptverhandlung vernommen, die als Zeugin zugunsten des Angeklagten aussagte bzw. selbigem ein Alibi verschaffte.

    Das Gericht hatte die Alibibekundung der Zeugin bzw. Verlobten des Angeklagten nicht für glaubhaft erachtet, da sie sich erst viele Monate nach dessen Festnahme äußerte und bereits mehrere Verhandlungstage, an denen sie als Zuschauerin teilnahm, verstrichen waren. So ist es nach Ansicht des LG „nicht ersichtlich, warum sie nicht zu sehr viel früherer Zeit an die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder – was naheliegend gewesen wäre – sich an die beiden Verteidiger ihres Verlobten gewandt hat, um dafür Sorge zu tragen, dass ihre entlastenden Angaben gerichtskundig werden“.  Das LG machte zudem deutlich, dass die Zeugin erstmals am 9. Verhandlungstag der Hauptverhandlung als Zeugin aussagte und nicht bereits vorher trotz Kenntnis der dem Angeklagten entlastenden Umstände.

    Der BGH sieht in dieser Argumentation und Beweiswürdigung des Gerichts einen Rechtsfehler, der gegen den Grundsatz des Zeugnisverweigerungsrechts verstößt.

    Hierzu stellt der BGH fest:

    „Diese Beweiswürdigung ist rechtfehlerhaft. Sie verstößt gegen den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Grundsatz, dem zufolge die Unglaubwürdigkeit eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen nicht daraus hergeleitet werden kann, dass dieser im Ermittlungsverfahren geschwiegen und erst in der Hauptverhandlung seine entlastenden Angaben gemacht hat; denn selbst die Verweigerung des Zeugnisses hätte nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden dürfen (BGH NStZ 1987, 182 unter Hinweis auf BGHSt 22, 113). Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus später nachteilige Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen würden (BGHSt 34, 324, 327; BGH StV 2002, 4; NStZ 2003, 443; Beschl. vom 27. Januar 2009 – 3 StR 1/09).“

    Insgesamt bekräftigt der BGH unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage das Zeugnisverweigerungsrecht. Würde das Schweigen bzw. die fehlende Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhaltes vom Gericht bewertet werden und zu – wie im vorliegenden Fall – einer Unglaubwürdigkeit der Zeugin nach Ansicht des Gerichts führen, wäre der Grundsatz des Zeugnisverweigerungsrechts ausgehebelt, was letztlich dem Rechtschutz zuwiderliefe.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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