Zeuge

  • 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Az.: 4 StR 408/10

    Der Angeklagte wurde vom LG Saarbrücken wegen Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Diese Verurteilung beruhte auf der Feststellung, dass der Angeklagte dem Zeugen S. bereits im Herbst 2004 einen gefälschten 10-Euro-Schein als Muster überlies. Um Weihnachten 2004 herum habe er dem Zeugen S weitere 3900 Scheine gegeben. Er teilte dem Zeugen S. dabei mit, dass es sich um Falschgeld handeln würde und vereinbarte mit ihm, dass dieses Falschgeld als Sicherheit für einen vom Angeklagten geschuldeten Geldbetrag dienen solle. Um die Jahreswende 2005/2006 herum erklärte der Angeklagten dem Zeugen S., dass er seine Schulden nicht begleichen konnte und forderte den S. zum Verkauf des Falschgeldes auf. Dies geschah auch.
    Hiergegen legte der Angeklagte Revision ein.

    Der 4. Strafsenat erachtet die Revision des Angeklagten als erfolgreich. Die Feststellung des LG, dass der Angeklagte dem Zeugen S. das Falschgeld um Weihnachten 2004 ausgehändigt habe und dies bereits den Tatbestand der Geldfälschung nach § 146 I Nr. 3 StGB erfülle, sei rechtsfehlerhaft.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:


    „Zwar kann die Tatbestandsvariante des Inverkehrbringens auch durch die Hingabe von Falschgeld als Sicherheit erfüllt werden. Das LG hat aber nicht bedacht dass der Angeklagte durch Strafbefehl vom 16.03.2005, rechtskräftig seit dem 20.04.2005, wegen Inverkehrbringens von Falschgeld zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist.
    Danach steht einer Aburteilung der Weitergabe des Falschgeldes um Weihnachten 2004 herum die Rechtskraft des Strafbefehls vom 16.03.2005 entgegen, gem. § 410 III StPO. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass das mit dem Strafbefehl abgeurteilte Inverkehrbringen von Falschgeld dieselbe Falschgeldmenge betraf, aus der um Weihnachten 2004 herum dem Zeugen S. Falschgeldnoten übergeben wurden. Insoweit ist vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses auszugehen (vgl. BGH, Urteil v. 30.07.2009 – 3 StR 273/09, NStZ 2010, 160).
    Dies führt hier allerdings nicht zu einer Einstellung des Verfahrens gem. § 206a StPO, sondern nur zu einer Änderung des Schuldspruchs.“

    Der Strafsenat änderte den Schuldspruch dahingehend ab: Der Angeklagte hat sich gem. § 26 StGB der Anstiftung zum Verbrechen nach § 146 Abs. 1 Nr. 3 SIGB schuldig gemacht, indem er den Zeugen S. um die Jahreswende 2005/2006 dazu aufforderte, die gefälschten Banknoten zu verkaufen.


  • Im Kachelmann-Prozess vor dem Landgericht Mannheim wurde ein weiterer Sachverständiger gehört. Der Psychiater Hans-Ludwig Kröber sagte aus, dass in der Regel auch „dramatische Ereignisse in großer Helligkeit erinnert“ würden. Diese These gelte auch für Vergewaltigungsopfer. Das Kern-Geschehen der Tat bleibe fest verankert. Mit diesen Aussagen widersprach er dem Traumatologen Professor Seidler.
    Diese Aussage ist von Bedeutung in dem Prozess da das angebliche Opfer Erinnerungslücken haben soll. Seidler erklärte die Erinnerungslücken des angeblichen Opfers mit Todesangst und Traumatisierung. Dies erachtet Kröber als ohne wissenschaftliche Grundlage.

    An diesem Prozesstag beantragte die Verteidigung von Kachelmann, den Oberstaatsanwalt Gattner als Zeuge zu vernehmen. Dabei ging es um die Aussage der Schweizer Zeugin. Johann Schwenn wirft Gattner vor, dass er in einem Aktenvermerk unzutreffende Angaben über die telefonische Aussage der Schweizer Zeugin gemacht habe. Wegen dieses Vermerks sei das Gericht in die Schweiz gereist. Diese Reise bezeichnete Schwenn als „unsäglich“.
    Staatsanwalt Oltrogge hielt dem entgegen, dass die Angaben der Schweizer Zeugin anders seien. Der Antrag auf Vernehmung des Oberstaatsanwalts gehe von falschen Grundvoraussetzungen aus.
    ( Quelle: spiegel-online vom 25.02.2011 )


  • Sexualstrafrecht: Im Prozess um den sexuellen Missbrauch von Fluterschen vor dem Landgericht Koblenz hat der mutmaßliche Täter nun doch ein Teilgeständnis abgelegt. Der Familienvater, dem vorgeworfen wird seine Tochter und seine Stieftochter mehr als zwanzig Jahre sexuell missbraucht zu haben, hat nun zugegeben, dass er mit seiner leiblichen Tochter Geschlechtsverkehr hatte.
    Er räumte ein, dass er um den zwölften Geburtstag der Tochter herum mit ihr Geschlechtsverkehr auf dem Rücksitz seines Wagens in einem Waldstück hatte. Zudem gab er zu, dass er seine leibliche Tochter ca. zwei Jahre später in eine Scheune brachte, in der sie Geschlechtsverkehr mit zwei anderen Männern haben musste.

    Damit bestätigte er die Zeugenaussage der Tochter. Diese wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen worden. An manchen Stellen der Befragung war auch der Angeklagte ausgeschlossen worden. Dies hatte die Rechtsanwältin der Tochter beantragt, da diese sonst die Aussage verweigert hätte. Während der Vernehmung sei die Tochter mehrfach in Tränen ausgebrochen, so dass unterbrochen werden musste, so der Richter in seiner anschließenden Zusammenfassung.

    ( Quelle: FAZ vom 17.02.2011 Nr. 40, S. 9 )


  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 174/09

    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz ( Betäubungsmittelstrafrecht ) verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt.

    Nach den Feststellungen des Landgericht betrieb der Angeklagte ab Anfang des Jahres 2008 von B. aus einen schwunghaften Handel, mit Amphetamin und lieferte im Januar, Februar und März 2008 unter Beteiligung anderer jeweils Amphetamin an den K.
    Der Angeklagte bestritt die Anschuldigungen. Das Landgericht stütze die Verurteilung des Angeklagten auf die Aussagen der anderen Beteiligten und des K., die diese im Ermittlungsverfahren gemacht hatten. Während der Hauptverhandlung machten diese alle von ihrem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch.

    Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs führt dazu aus, dass die Vernehmung der jeweiligen Vernehmungsbeamten zu den in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der anderen Beteiligten und des K. bei ihren polizeilichen Vernehmungen im Urteil nur unzureichend dargstellt wird.

    Aus dem Wortlaut des Urteils:

    „Der Generalbundesanwalt beanstandet zu Recht, dass es an einer ausreichenden Darstellung der durch die Vernehmung der jeweiligen Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten Aussagen der fehlt. Zwar dienen die Urteilsgründe nicht der Dokumentation durch die Darstellung aller Einzelheiten der Beweisaufnahme (vgl. BGH wistra 2004, 150; Meyer- Goßner StPO, 52. Aufl. S 267 Rn. 12). Ist aber – wie hier – eine Würdigung und Bewertung der für die Urteilsfindung maßgebenden Zeugenaussagen erforderlich, weil der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten bestreitet, genügt es nicht, im Rahmen der Beweiswürdigung pauschal darauf zu verweisen, dass ein Zeuge ein Tatgeschehen, soweit es seinen Wahrnehmungen unterlegen war, entsprechend den getroffenen Feststellungen geschildert habe (vgl. Senatsbeschluss v.29.06.1999 – 4 StR 271/99 = StraFo 1999, 384 und v. 17.03.2009 – 4 StR 662/08 Rn. 7 = StV 2009, 346). Vielmehr ist es in einem Fall wie dem vorliegenden erforderlich, neben dem näheren Inhalt der den Angeklagten belastenden Aussagen auch die Umstände ihrer Entstehung darzustellen (vgl. Senatsbeschluss v. 17.03.2009).“

    Die Revision des Angeklagten hatte daher Erfolg, der Senat hob das Urteil auf und die Sache wurde an das Landgericht zurückverwiesen.


  • 5. Strafsenat des BGH, Az.: 5 StR 524/09

    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung und wegen versuchter Anstiftung zum erpresserischen Menschenraub sowie zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monate verurteilt. Hiergegen wandte sich der Angeklagte Revision und erzielt damit einen Teilerfolg.

    Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist der Ansicht, dass die vom Landgericht durchgeführte Beweiswürdigung einer verfahrensrechtlichen Überprüfung nicht standhält.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die mitgeteilte Beweiswürdigung ist unklar und lückenhaft (vgl. BGH NJW 2007, 384, 387; insoweit in BGHSt 5l, 144). Sie unterlässt es, prägende Umstände der Tat, wie sie sich nach den Bekundungen des Hauptbelastungszeugen zugetragen hat, näher zu würdigen (vgl. BGH NSZ-RR 2009, 377.; BGH Beschl. v. 15.10.2009 – 5 StR 407109 Tz.9; Brause NSrZ 2007, 505, 506).
    Das Landgericht stützt seine Überzeugung, der Angeklagte habe einen anderen zu einer Entführung und anschließenden Ermordung des Tatopfers anzustiften versucht, maßgebend auf dessen Aussage. Eine hinreichende, die revisionsgerichtliche Nachprüfung ermöglichende Würdigung der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage nimmt es jedoch nicht vor. Es beschränkt sich vielmehr auf den Hinweis, der Zeuge habe ohne ersichtliches Belastungsinteresse die Versuche des Angeklagten, ihn zu den in den Feststellungen geschilderten Taten zu veranlassen, glaubhaft geschildert, und die Mitteilung der Gründe, die den Zeugen nach seinen Bekundungen zur Erstattung der Strafanzeige veranlasst haben. Das wird den Anforderungen nicht gerecht.“

    Die Revision des Angeklagten führte mit der Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter Anstiftung zum erpresserischen Menschenraub sowie zum Mord.
    Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs haben die insoweit verhängte Einzelfreiheitsstrafe von 6 Jahren sowie die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand. Der Senat hob daher den gesamten Strafausspruch auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück.


  • 2. Strafsenat des BGH, Az.: 2 StR 178/09

    Das Landgericht hat den Angeklagten. wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mir sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, welche in vollem Umfang Erfolg hatte.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs führt dazu aus, dass es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen habe die Abweichungen der einzelnen Aussagen der Nebenklägerin darzustellen und nachvollziehbar zu begründen, wieso diese dennoch glaubhaft seien.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
    Im vorliegenden Fall, in dem das Landgericht selbst die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin für geboten erachtet hat und in dem die Aussagen der Geschädigten offensichtlich voneinander abweichen, war es erforderlich, die verschiedenen Angaben der Nebenklägerin näher darzulegen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Abweichungen erheblich sind und insbesondere, ob sie das Kerngeschehen betreffen.
    Das Landgericht beschränkt sich jedoch darauf mitzuteilen, dass die Aussagen im Kerngeschehen weitgehend konstant waren und es nur bei Nebensächlichkeiten zu Inkonstanzen kam, ohne dies im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen. Soweit das Landgericht bei der Auseinandersetzung mit der schriftlichen Aufstellung des Angeklagten, über diese Inkonstanten, Abweichungen der Angaben zu den sexuellen Handlungen selbst anspricht, lässt dies besorgen, dass die Aussagen der Nebenklägerin auch im Kernbereich nicht konstant waren.“

    Da es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, die Abweichungen der einzelnen Aussagen darzustellen und nachvollziehbar zu begründen hatte die Revision des Angeklagten Erfolg. Der Senat hob das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.


  • 2. Strafsenat des BGH, Az.: 2 StR 497/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen unerlaubtenHandeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Im Übrigen ist er freigesprochen worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat der Angeklagte mit der Sachrüge Erfolg.

    In den Fällen II 1 – 7 stützte sich das Landgericht wesentlich auf die Angaben des Zeugen W. Dieser hat sich sowohl bei seiner Zeugenaussage bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung als auch später im Prozess mehrfach widersprochen. So nannte er den Angeklagten und den Zeugen Sa. abwechselnd als Lieferanten und war sich auch über den Tatzeitraum unklar. Dies wurde jedoch von der Strafkammer nicht sorgfältig hinterfragt. Vielmehr verurteilte sie den Angeklagten im Wesentlichen aufgrund dieser Zeugenaussagen des W.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hob den Schuldspruch aufgrund  fehlerhafter, da unvollständiger Beweiswürdigung auf und führt hierzu aus:

    „Der Zeuge W. hat ersichtlich mehrfach, beginnend von der ersten Einlassung als Beschuldigter am 1. Juli 2008 bis hin zu seiner Vernehmung in der gegen den Angeklagten gerichteten Hauptverhandlung, seine Aussage geändert und abwechselnd den Zeugen Sa. oder den Angeklagten als eigentlichen Betäubungsmittellieferanten belastet. Diese unkonstanten Angaben, die offenbar auch den Tatzeitraum betreffen, hätten für das Landgericht Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung der Aussage des Zeugen W. sein müssen. Dabei hätte die Kammer die Entstehung der einzelnen Angaben des Zeugen sowie ihre jeweiligen Inhalte im Einzelnen darlegen und vor allem – unter besonderer Berücksichtigung der von dem Zeugen für den jeweiligen Aussagewechsel gegebenen Erklärungen – erörtern müssen, aus welchem Grunde sie sich welcher Tatversion anschließt. Diesen Anforderungen ist die Kammer nur zum Teil gerecht geworden. So hat sie zwar in (noch) genügender Weise erläutert, dass aus ihrer Sicht die Korrektur der ursprünglichen Angaben durch die polizeilichen Vernehmungen vom 27. Oktober und 21. November 2008 der Glaubhaftigkeit der dabei gemachten, jetzt der Entscheidung zugrunde gelegten Angaben nicht entgegenstehe (vgl. UA S. 9). Sie hat sich aber nicht hinreichend mit dem zweiten Aussagewechsel des Zeugen unmittelbar nach der ersten Korrektur in den polizeilichen Vernehmungen in seiner eigenen Hauptverhandlung am 4. Dezember 2008 auseinander gesetzt. Es wird schon nicht klar, ob sich der Zeuge hierzu in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten geäußert hat; ebenso wenig erhellt sich, warum dieser nochmalige Aussagewechsel aus Sicht der Kammer für die Glaubwürdigkeit des Zeugen keine Rolle spielt.“

    Die Strafkammer des Landgerichts hinterfragte nicht, was dieser Aussagenwechsel für die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage des W. bedeutet. Dies war insofern geboten, als dass der Zeuge W. den ersten Aussagewechsel damit erklärte, er „habe sich von dem Angeklagten zunächst bedroht gefühlt und sei schließlich erst infolge der veränderten Sicherheitssituation in der Untersuchungshaft zu wahren Angaben hinsichtlich des Lieferanten bereit gewesen“.  Die bloße Erörterung von etwaigen Falschbelastungsmotiven war nicht ausreichend.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Mit dem Umstand, dass der Zeuge in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung gleichwohl zu seiner ursprünglichen Aussageversion zurückgekehrt ist, hätte sich das Landgericht deshalb – insbesondere vor dem Hintergrund der Feststellung, dass er ausdrücklich erklärt haben soll, keine vorsätzlich falschen Angaben in den polizeilichen Vernehmungen vom 27. Oktober und 21. November 2008 gemacht zu haben – eingehend auseinandersetzen müssen. Dies war im Übrigen nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht mögliche Falschbelastungsmotive des Zeugen (UA S. 10: Absprache mit dem Zeugen Sa. ; § 31 BtMG) erörtert und deren Vorliegen verneint hat, weil auch das Fehlen solcher Motive den zweimaligen Aussagewechsel nicht erklären kann.“

    Auf Grund der durchgreifenden Mängel in der Beweiswürdigung hob der Strafsenat die Verurteilung des Angeklagten in den Einzelfällen auf, was zur Aufhebung der Gesamtstrafe führte, und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück.


  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 660/09

    Zeugenaussagen im Sexualstrafrecht: Der Angeklagte ist „wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Hier kann er einen Teilerfolg erzielen.

    Bei der Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter A. stützte sich die Jugendschutzkammer insbesondere auf die als glaubhaft erachtete Aussage von dieser. Weiter habe das Landgericht festgestellt, dass die Tochter A. bereits 1997 ihrer Halbschwester J.R. erzählt habe, ihr Vater habe an ihr „herumgemacht“ und auch versucht, in ihr einzudringen. Hierbei habe sie geweint und gerufen, der Angeklagte möge damit aufhören. Des Weiteren stellte das Landgericht diesbezüglich fest, dass die Halbschwester J.R in einer Nacht bei dem Nachhause kommen A. hörte, wie sie „Hör auf, es tut weh, lass das!“ und in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Vati“ rief.

    Allerdings verweigerte J.R. in der Hauptverhandlung ihre Aussage. Folglich konnte das Landgericht diese nicht verwerten. Daher wurde der Richter der Jugendschutzkammer als Zeuge in der Hauptverhandlung geladen, der die damalige Zeugenaussage der J.R. zusammengefasst hatte. Da er sich daran nicht mehr erinnern konnte, wurden ihm seine damaligen Aufzeichnungen vorgelegt.

    Hierin sieht der 4. Strafsenat des BGH einen Verstoß gegen § 252 i.V.m. § 261 StPO. Danach ist die Zeugenvernehmung eines Richters über eine vorangegangene Zeugenaussage eines Zeugen zwar möglich, jedoch nicht die Verwertung des Inhalts der Vernehmungsniederschrift selbst.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, einen Richter als Zeugen über die von der das Zeugnis in der Hauptverhandlung verweigernden Person gemachten Aussagen zu vernehmen, sofern er an einer richterlichen Vernehmung dieser Beweisperson beteiligt war (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 252 Rdn. 14 m. Nachw.). Auch dürfen dem Richter, der die Vernehmung durchgeführt hat, die Vernehmungsprotokolle – notfalls durch Vorlesen – als Vernehmungsbehelf vorgehalten werden (vgl. BGH NJW 2000, 1580). Grundlage der Feststellung des Sachverhalts kann jedoch nur das in der Hauptverhandlung erstattete Zeugnis des Richters über den Inhalt der früheren Aussage des jetzt die Aussage verweigernden Zeugen sein, nicht aber der Inhalt der Vernehmungsniederschrift selbst. Deshalb genügt nicht, wenn der Richter lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen; verwertbar ist nur das, was – ggf. auf den Vorhalt hin – in die Erinnerung des Richters zurückkehrt (BGH, Beschl. vom 4. April 2001 – 5 StR 604/00, StV 2001, 386; Meyer-Goßner aaO Rdn. 15).“

    Da sich im vorliegenden Fall der Richter nicht mehr hinreichend an die Inhalte der Aussage der J.R. erinnern konnte, ist es nach Auffassung des Strafsenats nahe liegend, dass das Landgericht nicht auf den Aussagen des Richters, sondern auf das Protokoll der richterlichen Vernehmung der J.R. vor der Jugendschutzkammer zurückgegriffen hat. Dies ist jedoch angesichts der oben stehenden Ausführungen unzulässig.

    Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Aussage der A ausdrücklich anhand der früheren Zeugenaussage der J.R. begründet und nicht auf andere Weise über die Wahrnehmung der J.R. über dieses mutmaßliche nächtliche Ereignis, was sie gehört haben soll, Beweis erhoben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einem anderen Ergebnis in der Beweiswürdigung gekommen wäre, wenn die frühere Zeugenaussage der J.R. nicht verwertet worden wäre. Somit ist der Schuldausspruch aufzuheben und über die Sache neu zu entscheiden.

    Abschließend macht der Senat noch darauf aufmerksam, dass „die im Bundeszentralregister getilgte frühere Verurteilung des Angeklagten gemäß § 51 Abs. 1 BZRG auch nicht bei der Beweiswürdigung zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden darf.“

  • Der Angeklagte ist wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden.

    Hiergegen wendet er sich mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Das Verfahren ist beim 4. Strafsenat anhängig. Auf Vorlage des 5. Strafsenats hatte der große Strafsenat des BGH über die Frage zu entscheiden, „ob die Abwesenheit des gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossenen Angeklagten während der anschließenden Verhandlung über die Entlassung des Zeugen eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts bedeutet und einen absoluten Revisionsgrund darstellt.“

  • 4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 612/09

    Der Angeklagte ist wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten vom Landgericht Halle verurteilt worden. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und kann vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Teilerfolg erzielen.

    Dem Beschluss liegt folgender Vorgang zugrunde: Am zweiten Verhandlungstag und für die Dauer der Vernehmung der Geschädigten E hatte das Landgericht die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal gemäß § 247 StPO angeordnet. Am folgenden Verhandlungstag wurden neun andere Zeugen in Anwesendheit des Angeklagten vorgenommen. Am vierten Verhandlungstag wurde dann die Vernehmung der Geschädigten unter Entfernung des Angeklagten fortgesetzt und schließlich beendet. Erst in Anschluss daran wurde der Angeklagte vom Vorsitzenden über den Inhalt der Bekundungen der beiden Vernehmungen der Geschädigten unterrichtet.

    Gestützt auf diesen Sachverhalt rügt der Angeklagte einen Verfahrensfehler. Der Strafsenat schließt sich den Ausführungen der Revision sowie des Generalbundesanwalts an und führt hierzu ergänzend aus:

    „Dieses Verfahren verstößt – wie die Revision zu Recht rügt – gegen die Vorschrift des § 247 Satz 4 StPO. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wiederum anwesend ist, vom wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Die durch § 247 StPO ermöglichte Verhandlung ohne den Angeklagten und seine dadurch behinderte Verteidigung sind, soweit unvermeidbar, hinzunehmen in Verbindung mit seiner Unterrichtung über das in seiner Abwesenheit Geschehene bevor weitere Verfahrenshandlungen erfolgen. Damit soll er weitgehend so gestellt werden, wie er ohne Zwangsentfernung gestanden hätte (vgl. BGHSt 3, 384, 385; BGHR StPO § 247 Satz 4 Unterrichtung 2). Auch wenn die während der Entfernung des Angeklagten durchgeführte Zeugenvernehmung noch nicht abgeschlossen, sondern nur unterbrochen war, muss der Angeklagte von dem in seiner Abwesenheit Ausgesagten unterrichtet werden, bevor in seiner Anwesenheit die Beweisaufnahme fortgesetzt wird. Nur so ist sichergestellt, dass der Informationsstand des Angeklagten im Wesentlichen dem der anderen Prozessbeteiligten entspricht und er seine Verteidigung, etwa durch Fragen an weitere Zeugen, sachgerecht auszuüben vermag (st. Rspr.; vgl. BGHSt 38, 260; Senat NStZ-RR 2005, 259; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 247 Rdn. 15).“

    Angesichts dieses Verlaufs hätte der am 3. Verhandlungstat die Beweisaufnahme erst dann fortgesetzt werden dürfen, wenn der Angeklagte nach seiner Entfernung über den wesentlichen Inhalt der Aussage der Geschädigten unterrichtet worden wäre. Dies ist jedoch nach Auswertung des Sitzungsprotokolls nicht erfolgt. Die „Unterrichtung nach § 247 S. 4 StPO gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten, die nach § 273 Abs. 1 StPO im Hauptverhandlungsprotokoll zu beurkunden sind (vgl. BGHSt 1, 346, 350; Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 17).”

    Dadurch entstand für den Angeklagten ein Nachteil bzgl. seiner Verteidigung. So heißt es im Wortlaut des Beschlusses:

    „Jedoch wurde dem Angeklagten im vorliegenden Fall die Möglichkeit genommen, den nach der Vernehmung der Geschädigten und vor seiner Unterrichtung über deren (Teil-)Aussage vernommenen weiteren Zeugen Fragen zu stellen oder Vorhalte zu machen, wenn Widersprüche zu den Angaben der Geschädigten aufgetreten waren. Dies betrifft die Angaben der Zeugen W. , H. und L. , die das Landgericht für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten herangezogen hat, ebenso wie die der Zeugen Ha. , Sch. , S. und B. , auf die es sich zur Widerlegung der bestreitenden Einlassung des Angeklagten gestützt hat.“

    Aus diesem Grund führt dieser aufgezeigte Verfahrensfehler zur Aufhebung des Urteils im Fall II und somit zur Aufhebung des Strafausspruchs über die Gesamtstrafe.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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