Kein hinreichender Tatverdacht für eine Sexualstraftat im Fall Rammstein

Warum die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Till Lindemann einstellte

Am 29.08.2023 teilte die Staatsanwaltschaft Berlin per Pressemitteilung mit, dass sie das Ermittlungsverfahren gegen Till Lindemann, Sänger der Rockband „Rammstein“, eingestellt hat.

Dr. Sascha Böttner, Fachanwalt für Strafrecht und Experte für Sexualstrafrecht, beantwortet die meistgestellten Fragen:

Strafrecht-Rammstein

Wieso wurde Till Lindemann angeklagt?

Dr. Böttner: Zu einer Anklage Lindemanns kam es nicht. Die Staatsanwaltschaft aus Berlin führte lediglich ein Ermittlungsverfahren gegen den Rammstein-Sänger wegen des Verdachts der Begehung von Sexualdelikten wie auch Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Das Ermittlungsverfahren ist der erste Schritt im deutschen Strafverfahren und dient dazu, einen Sachverhalt zu klären, bei dem der Anfangsverdacht besteht, dass eine Straftat begangen worden ist. Dabei wird das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige oder eigener Initiative, wenn Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, eingeleitet. In dem Stadium des Strafverfahrens werden Ermittlungen durchgeführt, Beweise erhoben und Zeugen befragt – eine Verdachtsprüfung, also die Prüfung der Staatsanwaltschaft, ob der erhobene Verdacht für eine Anklageerhebung ausreicht. Diese fiel im Fall des Rammsteinsängers Lindemann negativ aus.

Wieso konnte eine Einstellung des Strafverfahrens bei der Staatsanwaltschaft Berlin erreicht werden?

Dr. Böttner: Das Ermittlungsverfahren wurde gem. § 170 II StPO eingestellt. Dort ist normiert, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren einzustellen hat, wenn die Ermittlungen nicht genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten. Die Auswertung der verfügbaren Beweismittel haben keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass Lindemann gegen den Willen sexuelle Handlungen an Frauen vorgenommen, diesen willensbeeinflussende oder willensausschaltende Substanzen verabreicht oder an minderjährigen Sexualpartnerinnen ein Machtgefälle ausgenutzt hat, um diese zu Geschlechtsverkehr zu bewegen.

Welche Beweise lagen vor?

Dr. Böttner: Als Beweise wurden Presseberichterstattungen, wie auch die Zeugenaussage der Zeugin Kyla Shyx und Unterlagen der litauischen Behörden zum Fall der Shelby Lynn ausgewertet. Dabei stützen sich die Presseberichterstattungen auf Erinnerungslücken von Frauen, welche schon gar nicht als Beleg einer Vergewaltigung herhalten können. Dies sah auch das Landgericht in Hamburg so, welches eine solche Verdachtsberichterstattung ohne den Mindestbestand an Beweistatsachen untersagte. Eine Frau klagte laut dieser Presseberichterstattung über Schmerzen im Unterleib – erwähnte jedoch auch, dass ihr bewusst sei, dass auch einvernehmlicher Sex Spuren hinterlassen könne. Weiter im Bericht heißt es, dass die Frau nicht wisse, wer für die Schmerzen verantwortlich sei und es theoretisch jeder gewesen sein könnte. Die mutmaßlich Geschädigten haben sich zunächst gar nicht selbst an die Strafverfolgungsbehörden gewandt, sondern ausschließlich an die Journalisten, die sich auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Behauptungen Dritter vom Hörensagen haben in Deutschland ohnehin einen nur sehr geringen Beweiswert. § 250 StPO verlangt, dass, wenn der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person beruht, diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen ist. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.  

Zudem blieben die Angaben der Zeugin Shyx – die anfangs über „Youtube“ Vorwürfe erhoben hatte – in den Vernehmungen zu unkonkret. Shyx konnte kein eigenes Erleben strafrechtlich relevanter Vorfälle schildern, stütze sich lediglich auf Erzählungen oder Rückschlüsse. Personen, die etwas strafrechtlich Relevantes beobachtet haben sollen, konnten nicht hinreichend identifizierbar benannt und durch anschließende weitere polizeiliche Ermittlungen nicht namhaft gemacht werden.

In dem aus den Medien bekannten Fall der Shelby Lynn wertete die Staatsanwaltschaft die Unterlagen der litauischen Behörden aus, welche selbst die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ablehnten. Die Auswertung der Unterlagen ergaben auch keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für Sexualstraftaten durch Lindemann. Aus juristischer Sicht wurde das Ermittlungsverfahren folgerichtig mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

Hat Till Lindemann dennoch strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten?

Dr. Böttner: Nach derzeitigem Stand nicht. Bei dieser Beweislage – die kaum den Begriff verdient hat – hat Lindemann keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten. Lediglich das Hervorbringen neuer stichhaltiger Beweise könnte zur Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens führen. Etwa könnten sich mutmaßliche Betroffene, welche sich bereits an die Presse wandten, jedoch nicht an die Strafverfolgungsbehörden, noch an diese wenden – vorausgesetzt sie erinnern sich an mehr als das durch die Presse Dargestellte – oder komplett neue Beweise tauchen auf.

In dem Fall würde jedoch durch die Strafverteidigung genau geprüft werden, ob es sich nicht um Aussagen handelt, die auto- oder fremdsuggestiv durch die bisherige Berichterstattung induziert ist. Dies kommt gerade im Sexualstrafrecht vor, wenn Prominente wie Till Lindemann betroffen sind. Der Fall zeigt einmal mehr, wie schnell eine Vorverurteilung durch Presseberichterstattung erfolgt und wie wichtig es ist, dass sich zu Unrecht einer Sexualstraftat Beschuldigte durch spezialisierte Strafverteidiger und Presserechtler gegen die Tatvorwürfe wehren.

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