Bandendiebstahl

  • Bei Feststellung der Bandenabrede müssen alle Indizien vollumfänglich gewürdigt werden.

    Die Angeklagten wurden wegen mehreren schweren Bandendiebstählen vom Landgericht Koblenz verurteilt. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) im Revisionsverfahren ging es nun hauptsächlich um die Frage, ob eine Bande im konkreten Fall vorlag.

  • Steht ein Bandenmitglied bei einer Bandentat nur „Schmiere“, ist es lediglich Gehilfe.

    Der Angeklagte war Mitglied einer Bande, die in wechselnder Besetzung mehrere Diebstähle beging. Dabei beschränkte sich der Tatbeitrag des Angeklagten häufig lediglich auf das Absichern des Tatorts und leichte Aufgaben, wie das Auskundschaften oder Abtransportieren der Ware.

    Das Landgericht verurteilte den Angeklagten in allen Fällen als Mittäter. Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision.

  • Eine positive Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB kann einen besonderen Umstand im gemäß § 56 Abs. 2 StGB begründen.

    Das Landgericht Kempten verurteilte den Angeklagten wegen mehrfachen, zum Teil schweren, Bandendiebstahls zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Dabei wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wandte sich die Strafverteidigung mittels der Revision.

    Die Revision hat Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) kritisiert, dass das Landgericht ausschließlich die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint hätte. Dabei hätte das Gericht nicht geprüft, ob eine positive Kriminalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB vorliegen könnte. Auch wenn die Freiheitsstrafe mehr als ein Jahr beträgt, kann die positive Kriminalprognose einen besonderen Umstand im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB begründen:

    „Es hat sich aber nicht mit der vorrangigen Frage befasst, ob dem Angeklagten eine positive Kriminalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann. Dies begegnet deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die ggf. bestehende Erwartung, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen, auch für die Beurteilung bedeutsam sein kann, ob besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB angenommen werden können (BGH, Beschluss vom 21. September 2006 – 4 StR 323/06, NStZ-RR 2006, 375 mwN);“

    Da der Angeklagte auch erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde und seine letzte festgestellte Tat schon zur Urteilsverkündigung mehr als anderthalb Jahre zurücklag, ist es nicht ausgeschlossen, dass dies besondere Umstände begründen kann. Daher muss das Landgericht nochmals über die Bewährungsfrage befinden. Die Revision hatte damit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 22. August 2012, Az.: 1 StR 343/12


  • Außergewöhnlich hohe Strafen bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen

    Der BGH musste sich mit einer Revision der Strafverteidigung bezügliches eines Urteils des Landgerichts Saarbrücken auseinandersetzen. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes gemäß § 250 StGB  in vier Fällen und wegen schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren.
    Der BGH gab nun der Revision statt. Auch wenn das Gericht einen minder schweren Fall rechtsfehlerfrei verneint, muss eine deutlich erhöhte Strafe hinreichend begründet werden:

    „In Fällen, in denen ein minder schwerer Fall trotz gewichtiger mildernder Umstände, namentlich die Unbestraftheit des Angeklagten, seine Teilgeständigkeit und sein jeweils untergeordneter Tatbeitrag, letztlich rechtsfehlerfrei verneint worden ist, bedarf es jedenfalls dann einer eingehenderen Begründung, wenn die verhängten Einzelstrafen deutlich über dem erhöhten Mindestmaß liegen.“

    Die Revision hat damit Erfolg und die Sache wird an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 19.06.2012, Az.: 5 StR 264/12


  • Das Landgericht Itzehoe hat die Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen jeweils wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich begangen mit schwerem Bandendiebstahl sowie in einem Fall tateinheitlich begangen mit versuchtem schweren Bandendiebstahl, und wegen vorsätzlicher Brandstiftung, zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

    Der Angeklagte P. wurde darüber hinaus wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt.

    Nach den Feststellungen des Gerichts war nicht eindeutig geklärt, ob der Angeklagte die Kollision bereits unmittelbar während des Unfallgeschehens bemerkte. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte erst davon erfuhr, als der Geschädigten ihn beim Halt an einer Ampel auf den Unfall hinwies. Weiterhin blieb unklar, welche Strecke der Angeklagte bis dahin vom eigentlichen Unfallort zurückgelegt hatte.

    Dazu der BGH:

    Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals vom Unfall erfahren hat, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 30. August 1978 – 4 StR 682/77, BGHSt 28, 129, 131). Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB scheidet aus, da das unvorsätzliche Verlassen des Unfallorts nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wird (BVerfG, NZV 2007, 368). Entgegen einer in Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2008, 107) und Literatur (vgl. Blum, NZV 2008, 495; Laschewski, NZV 2007, 444, 448) vertretenen Ansicht sieht der Senat keine Veranlassung, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallorts (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1992, 327; OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 409; OLG Köln, NZV 1989, 197, 198) zu modifizieren, um auf diese Weise Fälle strafrechtlich zu erfassen, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich dennoch weiter entfernt (vgl. OLG Hamburg, NZV 2009, 301; SSW-StGB/Ernemann § 142 Rn. 43; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 142 Rn. 52).

    Damit stellt der BGH klar, dass hier eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheiden muss. In solchen Fällen, in denen sich der Unfallbeteiligte in Unkenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt und erst später davon erfährt, sei der Tatbestand bereits nicht erfüllt. Dann nämlich entfernt er sich nicht mehr vom Unfallort. Eine Ausweitung auf dieses Geschehen würde gegen das strafrechtliche Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen.

    BGH, Beschluss vom 15.11.2010, Az.: 4 StR 413/10

  • OLG Köln, Beschluss vom 10.06.2011, Az.: III 1 RVs 96/11 – 82 Ss 30/11

    Das Amtsgericht Düren hat die Angeklagte wegen „gemeinschaftlichen Diebstahls“ zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt.

    Ihre hiergegen gerichtete Berufung vor dem Landgericht Aachen ist erfolglos geblieben. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist die Angeklagte allein erziehende Mutter und hat drei Kinder im Alter von 17, 10 und 9 Jahren. Sie bezieht Kindergeld sowie Leistungen nach Hartz IV für sich und ihre Kinder.

    Mit der Revision rügt die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts und im Besonderen die Bemessung der Tagessatzhöhe. Dazu da OLG:

    „Näherer Erörterung bedarf es lediglich in Bezug auf die Festsetzung der Tagessatzhöhe, die im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

    Dieser ermessensähnlich ausgestaltete Strafzumessungsakt entzieht sich einer schematischen Behandlung und ist damit revisionsrechtlich nur in eingeschränktem Maße überprüfbar (SenE v. 30.10.2007 – 82 Ss 123/07 -; SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 -; SenE v. 08.06.2010 – III-1 RVs 70/10 -; SenE v. 13.08.2010 – III-1 RVs 146/10 -; OLG Hamburg VRS 101, 106 = NStZ 2001, 655). Die tatrichterliche Wertung ist „bis zur Grenze des Vertretbaren“ hinzunehmen (OLG Frankfurt StV 2007, 471).

    Die Angeklagte bezog nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen Leistungen „nach Hartz IV“, d. i. Arbeitslosengeld II gemäß § 20 SGB II. Mangels entgegen-stehender Feststellungen und insbesondere mangels abweichenden Vortrags in der Revisionsbegründung ist dabei davon auszugehen, dass die Angeklagte den Regelsatz bezog. Dieser betrug bis zum 1. Januar 2011 gemäß § 20 Abs. 1 SGB II 345,00 € und seither nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II 364,00 €.

    Da der Tagessatz in der Regel nach dem Tages-Nettoeinkommen des Täters zu berechnen ist (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB), ist schon auf der Grundlage der festgestellten Bezüge der Angeklagten gegen eine Festsetzung des Tagessatzes mit 10,00 € im Grundsatz nichts zu erinnern. Ob die Angeklagte über den Regelsatz hinaus weitere berücksichtigungsfähige Transferleistungen – wie etwa Mietbeihilfen oder Beihilfen zu Energiekosten – erhält, wozu das Tatgericht keine Feststellungen getroffen hat, ist daher unerheblich.

    Allerdings kann es bei Angeklagten, die von Bezügen am Rande des Existenzminimums leben, geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen, sich aus Geldzahlungen und etwaigen Sachmittelzuwendungen zusammensetzenden Bezüge festzusetzen (SenE v. 30.10.2007 – 82 Ss 123/07 -; SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 -; SenE v. 03.04.2009 – 82 Ss 12/09 -; SenE v. 08.06.2010 – III-1 RVs 70/10 -; SenE v. 13.08.2010 – III-1 RVs 146/10 -; OLG Hamburg VRS 101, 106 = NStZ 2001, 655; Fischer, StGB, 57. Auflage 2011, § 40 Rz. 11a). Dem Angeklagten muss in jedem Fall das täglich zum Lebensbedarf Unerlässliche erhalten bleiben (SenE v. 08.06.2010 – III-1 RVs 70/10 -; 471; OLG Frankfurt B. v. 26.02.2010 – 1 Ss 425/08 – = BeckRS 2010, 20569 – zitiert nach Juris [Rz. 11]; OLG Frankfurt StV 2007, KG B. v. 10.08.2007 – 1 Ss 205/06 – = BeckRS 2007, 16968; KG StV 2005, 89; OLG Düsseldorf NJW 1994, 744; OLG Stuttgart NJW 1994, 754; OLG Köln StV 1993, 336; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272 u. NStZ-RR 1999, 213).

    Der Begriff des zum Lebensbedarf Unerlässlichen entstammt dem Recht der Sozialhilfe, § 26 Abs. 2 SGB XII. Er wird dort mit einem – zwischen 70 und 80% angesiedelten – Bruchteil des jeweiligen Regelsatzes bestimmt (VGH München, FEVS 45, 102 = NVwZ-RR 1994, 398 – zitiert nach Juris [70%]; OVG Bremen FEVS 37, 471 – zitiert nach Juris [80%]; Conradis, in: NomosKommentar SHB XII, § 26 Rz. 9; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 26 Rz. 6). Der Regelsatz für einen Haushaltsvorstand bzw. für Alleinstehende beträgt in Nordrhein-Westfalen nach § 1 der Verordnung über Regelsätze der Sozialhilfe vom 09.07.2009 (GV NW S. 335) 359,00 €. Bestimmt man nun das für den Lebensbedarf Unerlässliche mit einem Mittelwert von 75% hiervon (so Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 26 Rz. 6), errechnet sich ein Betrag von 269,26 €, der dem Angeklagten monatlich jedenfalls verbleiben muss. Die Differenz zum Regelsatz von 345,00 € beträgt damit 75,74 € monatlich bzw. 2,52 € täglich. Auch nach der Rechtsprechung derjenigen Oberlandesgerichte, von denen die Tagessatzhöhe nach dem Drei- bis Vierfachen des Differenzbetrags zwischen bezogener Leistung und Unerlässlichem berechnet wird (OLG Frankfurt B. v. 26.02.2010 – 1 Ss 427/08 – zitiert nach Juris Rz. 11; OLG Frankfurt StV 2007, 470; OLG Stuttgart NJW 1994, 745), ist daher unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Ermessens ein Tagessatz in Höhe von 10,00 € nicht zu beanstanden.

    Der Angeklagten sind allerdings zur Durchsetzung des Grundsatzes, dass ihr das zum Lebensunterhalt Unerlässliche verbleiben muss, Zahlungserleichterungen gemäß § 42 StGB zu gewähren (vgl. insgesamt noch KG B. v. 10.08.2007 – 1 Ss 205/06 = BeckRS 2007 16968). Die insoweit festzusetzenden Raten bemisst der Senat auf monatlich 35,00 €. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kann er insoweit in der Sache selbst entscheiden; einer Zurückverweisung nur zur Festsetzung der Zahlungserleichterungen bedarf es nicht (st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 08.06.2010 – III-1 RVs 70/10).“

    Das OLG betont, dass die Bemessung der Tagessatzhöhe einer Geldstrafe nicht schematisch erfolgen kann, sondern je nach Einzelfall betrachtet werden muss. Dies ergebe sich bereits aus § 40 Abs. 2 S. 2 StGB. Grundsätzlich kann auch bei einer Empfängerin von Sozialleistungen ein Tagessatz von 10 Euro angemessen sein. Allerdings ist einem Angeklagten immer das „zum Lebensbedarf Unerlässliche“ zu belassen. Daher hat das OLG festgestellt, dass hier Zahlungserleichterungen gemäß § 42 StGB anzuordnen sind. Die Raten hat der Senat auf monatlich 35 Euro festgesetzt.

  • OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.04.2011, Az.: 2 HEs 37 – 39/11, 2 HEs 37/11, 2 HEs 38/11, 2 HEs 39/11

    Die Angeschuldigten K. und D. befinden sich seit dem 8. Oktober 2010 ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Ulm und später aufgrund des neu gefassten und ergänzten Haftbefehls des Landgerichts Ulm. Dieser Haftbefehl richtet sich außerdem gegen den Angeschuldigten St., der sich zuvor aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Ulm vom 9. Oktober 2010 seit diesem Tage ununterbrochen in Untersuchungshaft befand.
    Den Angeschuldigten wurden unter anderem schwerer Bandendiebstahl, besonders schwerer Diebstahl und versuchter Mord vorgeworfen.
    Das Amtsgericht sowie das Landgericht geben als Haftgrund Wiederholungsgefahr an.
    Das OLG bestätigt in seinem Beschluss zunächst, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Untersuchungshaft gemäß § 112 StPO vorliegen.

    Aus dem Beschluss des OLG:

    „Der Haftbefehl ist dennoch aufzuheben, weil die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nicht im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO gerechtfertigt ist.
    Der besondere Umfang der Ermittlungen hat bisher ein Urteil nicht zugelassen. Vorliegend waren Serienstraftaten aufzuklären, an denen mutmaßlich mehrere Beschuldigte in wechselnder Besetzung beteiligt waren. Dazu musste die überwachte Telekommunikation und eine Vielzahl von Verkaufsbelegen ausgewertet sowie Diebesgut von insgesamt rund zehn Tonnen Gewicht gesichtet werden.
    Das Verfahren ist bislang auch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.“
    „Ein Haftbefehl ist indes nicht nur dann unverzüglich aufzuheben, wenn Verfahrensverzögerungen bereits eingetreten sind, sondern auch dann, wenn hinreichend deutlich absehbar ist, dass erhebliche Verfahrensverzögerungen bevorstehen (BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007, 2 BvR 1850/07, juris Rn. 5 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
    Der Kammervorsitzende legt in seinem Vorlagebericht vom 4. April 2011 dar, dass eine Hauptverhandlung in vorliegender Sache „realistisch frühestens im September 2011 möglich“ – und damit im günstigsten Fall erst rund sieben Monate nach Anklageerhebung zu erwarten ist. Bis dahin befinden sich die Angeschuldigten mindestens elf Monate in Untersuchungshaft. Damit verzögert sich das Verfahren gegenüber dem üblichen Geschäftsgang um mindestens drei Monate, weshalb die Hauptverhandlung auch zum Zeitpunkt der Haftprüfung nach neun Monaten Untersuchungshaft noch nicht begonnen haben wird. Bei einer so langen Haft gilt für die Rechtfertigung der Haftfortdauer schon allgemein ein besonders strenger Maßstab. Hier kommt hinzu, dass die Haft auf Wiederholungsgefahr gestützt ist und in solchen Fällen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zukommt, wie schon daraus hervorgeht, dass § 122a StPO den Vollzug der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr auf höchstens ein Jahr begrenzt. Nach diesem Maßstab ist die Verfahrensverzögerung nicht gerechtfertigt.“
    „Die Überlastung des Gerichts infolge einer Häufung anhängiger Sachen die schon länger dauert, rechtfertigt die Verzögerung nicht. Ein Beschuldigter darf nicht deshalb länger in Haft gehalten werden, weil dem Gericht die personellen Mittel fehlen, die zur ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls erforderlich sind (BVerfG a.a.O. Rn. 6). Eine Überlastung kann eine Verfahrensverzögerung allenfalls dann rechtfertigen, wenn sie kurzfristig ist und weder voraussehbar noch vermeidbar war (vgl. Schultheis in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 121 Rn. 18 m. w. N.).“

    Damit betont das OLG, dass die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus gemäß § 121 I StPO nur in Ausnahmefällen aufrecht erhalten werden darf. Das OLG stellt klar, dass dabei nicht nur die bereits verstrichene Zeit beachtet werden muss, sondern auch die noch zu erwartende Zeit bis zum Urteil; dies gebiete das Beschleunigungsgebot. Nach Auffassung des OLG standen im vorliegen Fall deutliche Verzögerungen bevor, die dem Gericht auch bekannt waren. Daher sei die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt. Daher hat das OLG den Haftbefehl ausgehoben. Die Angeschuldigten waren zu entlassen.


  • BGH, Beschluss vom 08.06.2011, Az.: 4 StR 111/11

    Das Landgericht Bielefeld hat den Angeklagten A wegen (versuchtem) schweren Bandendiebstahl in mehreren Fällen und wegen eines „besonders schweren Falls des Diebstahls“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt, wovon ein Jahr als verbüßt gilt.

    Den Angeklagten Ak hat es des schweren Bandendiebstahls in acht Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn – unter Einbeziehung eines anderen Urteils – auf die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten erkannt, von welcher ein Jahr als verbüßt gilt.

    Der Angeklagte P wurde wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

    Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten.

    Der Angeklagte P rügte, dass seine Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde und dass das Urteil nach Wiedereintritt in die Verhandlung und Erteilung eines Hinweises nach § 265 StPO unter Verletzung des § 260 Abs. 1 StPO ergangen sei. Dazu der BGH:

    „Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die erneute Beratung nach Wiedereintritt in die Verhandlung in Form einer kurzen, für alle Verfahrensbeteiligten erkennbaren Verständigung des Gerichts im Sitzungssaal erfolgen, wenn bei der Entscheidung einfacher Fragen rascheste Verständigung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – 3 StR 73/71, BGHSt 24, 170, 171; Beschlüsse vom 31. Juli 1992 – 3 StR 200/92, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Beratung 5; vom 25. November 1997 – 5 StR 458/97, NStZ-RR 1998, 142). Die Revision trägt nicht vor, dass eine solche Nachberatung durch Verständigung im Sitzungssaal unterblieben ist, sondern führt lediglich aus, dass sich der Protokollvermerk „nach Beratung“ nicht dazu verhält, in welcher Weise die Beratung erfolgt sei. Das Rügevorbringen erschöpft sich damit in der Beanstandung der Protokollierung, ohne einen konkreten Verfahrensfehler bestimmt zu behaupten. Abgesehen davon, dass die Urteilsberatung nicht zu den protokollierungspflichtigen Förmlichkeiten gehört (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 StR 260/08, NStZ 2009, 105), vermögen Fehler des Protokolls die Revision nicht zu begründen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2006 – 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53).“

    Damit stellt der BGH klar, dass ein Fehler im Protokoll keinen Revisionsgrund darstellt. Als Begründung führt der BGH aus, dass das Urteil nicht auf dem Protokoll beruhe. Dennoch wurde das Urteil vom BGH teilweise im Strafausspruch geändert oder aufgehoben. Dazu führte vor allem, dass das Landgericht in seinem Urteil bezüglich des Angeklagten Ak nicht die einbezogenen Einzelstrafen aufführte und die Aussetzung zur Bewährung zu Gunsten des Angeklagten P nicht prüfte.


  • BGH, Beschluss vom 01.02.2011, Az.: 3 StR 432/10

    Das Landgericht hatte die Angeklagten unter anderem wegen versuchten schweren Bandendiebstahls zu Jugendstrafen verurteilt. Dagegen legten sie Revisionen ein, welche teilweisen Erfolg hatten.

    Dabei hatte sich der BGH vor allem mit dem Begriff einer „Bande“ und der bandenmäßigen Begehungsweise zu beschäftigen.

    Aus den Gründen:

    „Allein der Umstand, dass sich beide Angeklagten schon vor dieser gemeinsam begangenen Tat mit den gesondert Verfolgten N. und H. zu einer Bande mit dem Zweck der Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammengeschlossen hatten, führt nicht ohne weiteres dazu, dass alle nachfolgenden Einbruchstaten eines Bandenmitglieds als bandenmäßig begangen einzustufen sind; dies gilt auch dann, wenn an der jeweiligen Tat ein weiteres Bandenmitglied beteiligt war.“

    „Zwar kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Diebstahlstat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 – 4 StR 595/05, NStZ 2006, 342). Voraussetzung für die Annahme einer Bandentat nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds aber, dass die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der unmittelbar an dem Diebstahl beteiligten Bandenmitglieder ausgeführt wird (BGH aaO).“

    „Die allgemeine, im Rahmen der Bandenabrede erteilte Zusage des Angeklagten Sch. , bei Einbruchsdiebstählen erbeutete Tresore zu öffnen, begründet nicht ohne weiteres seine Beteiligung an der ausgeführten Bandentat. Denn die Bandenabrede lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteiligung unberührt, mithin sind Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten unabhängig voneinander zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 – 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267).“

    Damit stellt der BGH klar, dass eine enge Auslegung des Merkmals „Bande“ erforderlich ist, um der hohen Strafandrohung des § 244a StGB gerecht zu werden.


  • 3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 54/11

    Der Angeklagte ist unter anderem wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen angeklagt gewesen. Das Landgericht Mönchengladbach hat ihn freigesprochen. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) verworfen.

    Auszug aus den Gründen der Strafkammer:

    „Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen sowie des Bandendiebstahls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und entschieden, dass er für die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Sie beanstandet mit der Sachrüge Rechtsfehler in der Beweiswürdigung.

    Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist aus den zutreffenden Gründen in dessen Zuschrift vom 25. Februar 2011 offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.“

    In Fällen wie diesen, in denen sich selbst der Generalbundesanwalt (GBA) der Revision der Staatsanwaltschaft nicht anschließt, stehen die Verteidigungschancen gut, wie auch diese Entscheidung zeigt. Auch für die Staatsanwaltschaft gilt der Grundsatz, dass die Beweiswürdigung nur eingeschränkt auf revisionserhebliche Fehler durch das Revisionsgericht überprüft werden kann, obgleich in jüngeren Entscheidungen dieser Grundsatz wiederholt bei Revisionen gegen Freisprüchen aufgeweicht worden ist. Insofern eine Entscheidung gegen den momentan vorherrschenden „Trend“.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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