Strafverteidiger

  • Gegen den Beschwerdeführer erging ein Bußgeldbescheid wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 39 km/h in Höhe von 150,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Dagegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat um Verlegung des Hauptverhandlungstermins, da er sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befinden würde. Das AG Bielefeld lehnte die Terminverlegung im Hinblick auf die angespannte Lage des Dezernats ab.

    Der Hauptverhandlungstermin fand statt, doch weder der Beschwerdeführer noch der Verteidiger nahmen teil. Das AG Bielefeld verwarf daher den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit einer Rechtsbeschwerde.

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen der „versuchten gemeinschädlichen Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Brandstiftung für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts Eisleben zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof und konnte einen Teilerfolg erzielen.

    Der Angeklagte rügt in seiner Revision einzelne Verfahrensfehler. In dem einbezogenen Urteil des AG Eisleben wegen unter anderem der gemeinschaftlichen und mit den beiden Mitangeklagten begangenen gefährlichen Körperverletzung wurden die Verfahren abgetrennt und der Angeklagte und sein Verteidiger im Hauptverhandlungstermin vom 3. Juli 2008 für die Dauer der Vernehmung weiterer Zeugen beurlaubt. Jedoch wurden in Abwesendheit des Angeklagten und seines Verteidigers Umstände erörtert, die auch den Angeklagten betrafen. Danach liegen die Voraussetzungen einer Beurlaubung nicht vor.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    “Nach dieser Vorschrift besteht die Möglichkeit der Beurlaubung nur für einzelne Teile der Verhandlung, von denen der zu beurlaubende Angeklagte und sein Verteidiger „nicht betroffen“ sind. Letzteres trifft nur zu, wenn auszuschließen ist, dass die während der Abwesenheit des Angeklagten behandelten Umstände auch nur mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berühren. Auch wenn der Verhandlungsteil nur für den Ausspruch über eine Rechtsfolge für den Angeklagten von Bedeutung ist, wird dieser von ihm betroffen (Gmel in KK-StPO 6. Aufl. § 231 c Rdn. 4; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 231 c Rdn. 12; jew. m.N.).“

    Angesichts dessen war die Beurlaubung für den Termin der Hauptverhandlung nach Auffassung des Strafsenats nicht statthaft. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Verteidiger den Antrag gestellt hat:

    „Dies folgt bereits aus dem Wesen der Einbeziehung des früheren Urteils gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG. Zwar sind der Schuldspruch des früheren Urteils und die ihn tragenden Feststellungen für das einbeziehende Gericht grundsätzlich bindend und ist deshalb auch eine vollständige oder teilweise Wiederholung der Beweisaufnahme über Umstände, die Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Eisenberg JGG 13. Aufl. § 31 Rdn. 37 und 58). Dies schließt aber ergänzende Feststellungen, die zu den im früheren Verfahren getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus. Im Übrigen ist das einbeziehende Gericht hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht an die Feststellungen im früheren Urteil gebunden, sondern es hat unter zusammenfassender eigen-ständiger Würdigung der in dem früheren Urteil festgestellten und der neuen Straftaten auf eine sämtliche Straftaten gerecht werdende Rechtsfolge zu erkennen (vgl. Eisenberg aaO Rdn. 38 m.N.).“

    Der Angeklagte war von der Beweisaufnahme in dem Verfahren wegen der gefährlichen Körperverletzung betroffen und insofern musste die Möglichkeit des Angeklagten bzw. seines Verteidigers bestanden haben, die Beweisaufnahme zu verfolgen und sich hierzu in der Hauptverhandlung äußern zu können.

    Somit war nach Auffassung des Strafsenats die Anwesendheit des Angeklagten und seines Strafverteidigers während diesem Teil der Verhandlung zwingend erforderlich. Dieses führt zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO und folglich zur Aufhebung des Strafausspruchs.

    4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 609/08

  • Im Kachelmann-Prozess sollte an diesem Verhandlungstag die Sachverständigenanhörung stattfinden, jedoch kam es nicht dazu.
    Der neue Verteidiger von Kachelmann Johann Schwenn widmete sich zunächst dem Thema des Ausschlusses der Öffentlichkeit. Dabei ging es insbesondere darum, dass der Therapeut des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers, der Heidelberger Traumatologe Günter Seidler, als sachverständiger Zeuge vernommen werden sollte. Auch hier sollte ein Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen. Schwenn forderte die Kammer des Landgerichts Mannheim zu einer Änderung dieses Beschlusses auf.
    Seidler habe nach Aussage von Schwenn „scharlataneskes Verhalten“ an den Tag gelegt. Er habe beispielsweise seiner Patientin zur Bewältigung des möglicherweise Geschehenen unter anderem empfohlen, „sich nackt vor den Spiegel zu stellen, um den eigenen Körper zu erkunden“. Zudem habe er behauptet er könne „Todesangst riechen“. „Das ist dann doch eine Fertigkeit, die überrascht.“ so Schwenn dazu.
    Trotz dieses seltsamen Gebarens habe die Staatsanwaltschaft dennoch Anklage erhoben. Auch das Gericht wird von Schwenn angegriffen, da die Kammer das Hauptverfahren trotz dieser Umstände eröffnet habe.
    Aus diesem Grunde müsse sich auch die Öffentlichkeit ein Bild von dem Prozess und dem Geschehen im Gerichtssaal machen können, so Schwenn.

    Das Gericht ging auf den Antrag jedoch nicht ein. Man wolle sich ausschließlich mit Fragen geschäftigen, die das Arzt-Patienten-Verhältnis beträfen.
    (Quelle: www.spiegel-online.de vom 03.12.2010; www.welt.de vom 03.12.2010)

  • Der Angeklagte ist wegen Betrugs in insgesamt 19 Fällen, versuchten Betrugs und Beihilfe zum Betrug in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen und Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten vom Landgericht verurteilt worden. Zudem wurde ein Notebook des Angeklagten eingezogen.

    Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Mit der Rüge vorschriftswidriger Abwesendheit eines notwenigen Verteidigers in der Hauptverhandlung hat er Erfolg.

  • Das Amtsgericht Witten hatte sich im folgenden Beschluss mit der Frage nach dem Ersatz der Reisekosten seines auswärtig tätigen Wahlverteidigers zu beschäftigen.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Witten ist dem Rechtsanwalt, der als Wahlverteidiger des Beschuldigten zum Gerichtstermin reiste, der Ersatz der notwendigen Auslagen in Höhe von 947,72 Euro als erstattungsfähig zuerkannt worden. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Bochum legte hiergegen Beschwerde ein. Seiner Auffassung nach seien die Kosten für den auswärtigen Verteidiger nicht erstattungsfähig.

  • OLG Koblenz, Az.  2 SsRs 54/09

    Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Koblenz wegen „wegen verspäteter Einlegung der Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tageslenkzeitüberschreitung sowie wegen eines weiteren Falles der verspäteten Einlegung der Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tageslenkzeitüberschreitung zu Geldbußen von 90 Euro bzw. 135 Euro“ verurteilt worden. Hinzu kamen zwei weitere, vom Gericht verhängte Geldbußen in Höhe von 150 Euro und 135 Euro.

    Aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung konnte der vom Angeklagten beauftrage Wahlverteidiger nicht zum Termin der Hauptverhandlung erscheinen. Zwei weitere Anwälte der Kanzlei seien ebenso verhindert gewesen. Aus diesem Grund wurde um eine Terminverlegung gebeten. Den Antrag auf die Terminverlegung wies das Amtsgericht jedoch ab und begründete diesen Beschluss damit, dass die Erkrankung in „keiner Weise glaubhaft gemacht worden“ und eine Vertretung aus der Kanzlei zu erwarten sei. Auch handele es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt.

    Die gegen die Terminverlegung gerichtete Verfahrensrüge des Angeklagten hatte nun vor dem OLG Koblenz Erfolg. Das Gericht sieht in der Ablehnung der Terminverlegung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen.

    Der Senat führt hierzu in seinem Beschluss aus:

    „Aufgrund der konkreten Verfahrenssituation konnte der Betroffene, der auf Antrag seines Verteidigers vom persönlichen Erscheinen entbunden worden war, darauf vertrauen, dass er in der Hauptverhandlung von diesem vertreten werde. Es war für den Betroffenen im vorliegenden Falle nicht zumutbar, sich auf eine Hauptverhandlung ohne seinen gewählten Verteidiger einzulassen. Zwar gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG nicht den Beistand durch einen bestimmten Verteidiger (vgl. Göhler a.a.O., § 80 Rdnr. 16a m.w.N.). Zudem hat ein Betroffener gem. § 228 Abs. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG keinen Anspruch darauf, im Falle der Verhinderung des Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Andererseits kann gem. § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes durch einen Verteidiger bedienen. Das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung durch einen Rechtsanwalt einerseits und das Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens andererseits sind gegeneinander abzuwägen, wobei dem Verteidigungsinteresse im Zweifel Vorrang gebührt (Göhler a.a.O., § 71 Rdnr. 30 m.w.N.). Das gilt insbesondere dann, wenn der Verteidiger wie im vorliegenden Fall wegen einer plötzlichen Erkrankung, die im Übrigen über die anwaltliche Versicherung hinaus nicht weiter glaubhaft zu machen ist, an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen kann. Dadurch ist das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs in der Hauptverhandlung beschnitten worden.“

    Angesichts dessen ist die Rechtsbeschwerde zulässig und das angefochtene Urteil wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

  • Dem Beschuldigten wurde am 17.12.2009 der Haftbefehl des AG Frankfurt (Oder) verkündet, er befindet sich derzeit in der JVA Cottbus-Dissenchen. Davor war er in der JVA Kempen und anschließend in der JVA Frankfurt (Oder) ansässig. Nach Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wurde der Beschuldigte durch den Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger vertreten. Hiergegen erhob er später eine Beschwerde, mit der er die Beiordnung des Pflichtverteidigers rügt.

    Die entscheidende Frage war, ob dem Beschuldigten die Gelegenheit gegeben worden ist bzw. er sich dessen bewusst war, in einem bestimmten Zeitraum einen Anwalt für seine Verteidigung zu benennen. Eine solche Möglichkeit entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und ist gesetzlich ausdrücklich normiert.

  • Mangels Ladung aller Strafverteidiger war der Angeklagte mit unvollständiger Strafverteidigung verurteilt worden, in Abwesenheit seines für die Verteidigung hinzu gewählten Anwalts.

    Der Angeklagte rügte das augenscheinlich rechtsfehlerhafte Urteil des LG Naumburg mit der Revision. Das OLG Naumburg gab der Revision statt und hob das angefochtene Urteil auf. Als Begründung führt das OLG an, dass das vorinstanzliche Urteil auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhe, da der ordnungsgemäß bevollmächtigte Wahlverteidiger (hier als zusätzlicher Strafverteidiger) des Angeklagten J.F. nicht zum Fortsetzungstermin geladen worden ist.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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