Der Oppenheim-Prozess zählt wohl zu einem der größten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Angeklagt sind vier ehemalige Führungspersonen des Bankhauses Sal Oppenheim und ein Immobilienmanager. Vorgeworfen wird ihnen teilweise Untreue (§ 266 StGB) in einem besonders schwerem Fall und teilweise die Beihilfe zur Untreue.
Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff sollte nun als Zeuge in diesem Strafprozess aussagen. Zur Überraschung der Verfahrensbeteiligten machte Middelhoff jedoch von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Der Rechtsanwalt Middelhoffs begründete diesen Schritt mit einem aufgetauchten Medienbericht, nach welchem gegen Middelhoff selbst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppungen (§ 15a InsO) laufen würde. Die Insolvenzverschleppung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Für eine rechtstaatliche Verteidigung muss die freie Kommunikation zwischen Strafverteidiger und Mandanten garantiert werden. Dazu gehören nicht nur die persönliche oder schriftliche Kommunikation, sondern auch Gespräche per Telefon oder Handy.
Im Strafprozess wird zwischen dem Aussageverweigerungsrecht und dem Zeugnisverweigerungsrecht unterschieden. Ersteres betrifft den Beschuldigten selbst, Letzteres dagegen potentielle Zeugen. Dabei gelten die Grundsätze sowohl bezüglich eines Vorwurfs bei Straftaten als auch bei Ordnungswidrigkeiten, also beispielsweise auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
Ein 27-Jähriger soll seine eigenen Eltern beraubt haben. Dies warf zumindest die Staatsanwaltschaft dem jungen Mann vor. Der Drogensüchtige soll bei seinen Eltern geklingelt und nach Geld für Essen gefragt haben. Da die Eltern befürchteten, dass der Sohn das Geld in Drogen investieren würde, verweigerten sie die Herausgabe.
Verweigert ein Zeuge aufgrund einer falschen Belehrung die Aussage, führt dieser Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils.
Das Schwurgericht in Flensburg hatte in einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung den an der Tat beteiligten und deswegen bereits abgeurteilten Cousin des Angeklagten als Zeugen geladen. In der Hauptverhandlung belehrte ihn der Richter gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO wegen seines Verwandtschaftsgrades. Während der Zeuge zuerst zur Sache aussagte, berief er sich später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.
Beruft sich ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach erstmaliger Belehrung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, dürfen frühere Vernehmungen nur dann verwertet werden, wenn der Zeuge dem ausdrücklich zustimmt.
Vor dem Landgericht Gera wurde dem Angeklagten schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in 111 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, vorgeworfen. Das Landgericht sah seine Schuld als bewiesen an und verurteilte ihn zu 13 Jahren Freiheitsstrafe.
Das Landgericht hatte dazu auch die drei Töchter des Angeklagten, die nach der Urteilsfeststellung die Geschädigten sind, als Zeuginnen vernommen. Die Töchter beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO. Nach Entlassen der Zeuginnen wurde die richterliche Vernehmung der Zeuginnen verlesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Strafverteidigung.
Das Landgericht Limburg an der Lahn hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und angeordnet, dass drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
Das Kammergericht Berlin hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten über einen Bußgeldbescheid aufgehoben. Das Amtsgericht hatte einen Autofahrer wegen zu schnellen Fahrens zu einer Geldbuße von 200 € verurteilt. Dies entspricht dem Doppelten eines üblichen Bußgeldes. Das Amtsgericht erklärte dazu, dass die Aufklärung des Sachverhalts nicht durch die Aussageverweigerung des Fahrers gescheitert sei. Insofern vermutete das Kammergericht, das der Grund für das erhöhte Bußgeld in der Aussageverweigerung des Fahrers zu sehen sei. Das Aussageverweigerungsrecht sei jedoch ein elementares Recht. Die Beschuldigten dürften nicht befürchten, dass die Ausnutzung dieses ihnen zustehenden Rechtes sich zu ihren Lasten auswirkt.
(Quelle: FAZ vom 01.09.2010 Nr. 202, S. 21)
3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 168/09
Der Angeklagte war vom Landgericht Hannover wegen mehrfachen Verstößen gegen das BtMG (Betäubungsmittelgesetz) zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Hiergegen richtete sich die Revision des Angeklagten, mit der erfolgreich Rechtsfehler im Rahmen der Beweiswürdigung gerügt werden konnten.
Nachdem der Angeklagte am 1.12.2006 in Spanien zwei Kilogramm Kokain einem weiteren Mittäter übergeben und die Polizei den Kurier anschließend festgenommen hatte, konnte der Angeklagte identifiziert und schließlich am 3.04.2008 festgenommen werden. Seitdem befindet sich dieser in Untersuchungshaft (U-Haft). Erst am 29.10.2008 wurde aufgrund eines Beweisantrages durch die Verteidigung die Verlobte des Angeklagten in der Hauptverhandlung vernommen, die als Zeugin zugunsten des Angeklagten aussagte bzw. selbigem ein Alibi verschaffte.
Das Gericht hatte die Alibibekundung der Zeugin bzw. Verlobten des Angeklagten nicht für glaubhaft erachtet, da sie sich erst viele Monate nach dessen Festnahme äußerte und bereits mehrere Verhandlungstage, an denen sie als Zuschauerin teilnahm, verstrichen waren. So ist es nach Ansicht des LG „nicht ersichtlich, warum sie nicht zu sehr viel früherer Zeit an die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder – was naheliegend gewesen wäre – sich an die beiden Verteidiger ihres Verlobten gewandt hat, um dafür Sorge zu tragen, dass ihre entlastenden Angaben gerichtskundig werden“. Das LG machte zudem deutlich, dass die Zeugin erstmals am 9. Verhandlungstag der Hauptverhandlung als Zeugin aussagte und nicht bereits vorher trotz Kenntnis der dem Angeklagten entlastenden Umstände.
Der BGH sieht in dieser Argumentation und Beweiswürdigung des Gerichts einen Rechtsfehler, der gegen den Grundsatz des Zeugnisverweigerungsrechts verstößt.
Hierzu stellt der BGH fest:
„Diese Beweiswürdigung ist rechtfehlerhaft. Sie verstößt gegen den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Grundsatz, dem zufolge die Unglaubwürdigkeit eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen nicht daraus hergeleitet werden kann, dass dieser im Ermittlungsverfahren geschwiegen und erst in der Hauptverhandlung seine entlastenden Angaben gemacht hat; denn selbst die Verweigerung des Zeugnisses hätte nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden dürfen (BGH NStZ 1987, 182 unter Hinweis auf BGHSt 22, 113). Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus später nachteilige Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen würden (BGHSt 34, 324, 327; BGH StV 2002, 4; NStZ 2003, 443; Beschl. vom 27. Januar 2009 – 3 StR 1/09).“
Insgesamt bekräftigt der BGH unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage das Zeugnisverweigerungsrecht. Würde das Schweigen bzw. die fehlende Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhaltes vom Gericht bewertet werden und zu – wie im vorliegenden Fall – einer Unglaubwürdigkeit der Zeugin nach Ansicht des Gerichts führen, wäre der Grundsatz des Zeugnisverweigerungsrechts ausgehebelt, was letztlich dem Rechtschutz zuwiderliefe.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner