Beruft sich ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach erstmaliger Belehrung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, dürfen frühere Vernehmungen nur dann verwertet werden, wenn der Zeuge dem ausdrücklich zustimmt.
Vor dem Landgericht Gera wurde dem Angeklagten schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in 111 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, vorgeworfen. Das Landgericht sah seine Schuld als bewiesen an und verurteilte ihn zu 13 Jahren Freiheitsstrafe.
Das Landgericht hatte dazu auch die drei Töchter des Angeklagten, die nach der Urteilsfeststellung die Geschädigten sind, als Zeuginnen vernommen. Die Töchter beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO. Nach Entlassen der Zeuginnen wurde die richterliche Vernehmung der Zeuginnen verlesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Strafverteidigung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt fest, dass sich aus § 252 StPO ein Verwertungsverbot für frühere Vernehmungen ergibt, wenn der Zeuge erst in der Hauptverhandlung über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Zeuge ausdrücklich der Verlesung und Verwertung zustimmt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Gericht den Zeugen mitteilt, dass die Vernehmung verlesen wird:
Diese Verfahrenstatsachen werden auch nicht dadurch ersetzt, dass das Landgericht in den Urteilsgründen ausgeführt hat, den Zeuginnen sei „bewusst und bekannt“ gewesen, dass ihre frühere Vernehmung verwertet werden würde (UA S. 17). Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Zulässigkeit einer Verwertung früherer Aussagen trotz gegenwärtiger Zeugnisverweigerung wäre es nicht angezeigt, die für diesen Fall von der Rechtsprechung entwickelten strengen Förmlichkeiten aufzuweichen und schon ein allgemeines, vom Tatrichter in den Urteilsgründen dargelegtes „Bewusstsein“ des Zeugen von einer Verwertungsmöglichkeit ausreichen zu lassen.
Aus diesem Grund hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg.
Der BGH hebt das Urteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurück.
BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012, 2 StR 112/12