BGH: Keine Bindung an eine informelle Verständigung

BGH, Beschluss vom 12.07.2011, Az.: 1 StR 274/11

Das Landgericht Hildesheim hatte die Angeklagte wegenSteuerhinterziehung verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

Der BGH stellte fest, dass das Urteil – ausweislich der Urteilsgründe – „auf einer in einer Vorbesprechung nach § 202a StPO informell getroffenen, verfahrensverkürzenden Verständigung“ beruht.

Dazu führt der BGH aus:

„Informelle Verständigungen“ widersprechen der Strafprozessordnung. Zwar ist es zulässig, auch schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens Erörterungen zur Vorbereitung einer Verständigung zu führen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 202a Rn. 2). Solche Gespräche können – bei gründlicher Vorbereitung auf der Basis der Anklageschrift und des gesamten Akteninhalts – im Einzelfall sinnvoll sein. Sie lösen aber weder eine Bindung des Gerichts an dabei in Aussicht gestellte Strafober- oder -untergrenzen aus, noch kann durch sie ein durch den fair-trial-Grundsatz geschützter Vertrauenstatbestand entstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 1 StR 458/10; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10; BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10). Die Annahme einer solchen Bindung ist rechtfehlerhaft und könnte u.U. sogar den Bestand eines Urteils gefährden. Die Staatsanwaltschaft, der neben dem Gericht die Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens obliegt, hat hier indes kein Rechtsmittel eingelegt; eine von der Strafkammer angenommene Bindung an den Inhalt geführter Vorgespräche könnte hier die Angeklagte, die dies auch nicht mit einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3 StR 528/09) geltend macht, nicht beschweren.“

Danach widersprechen informelle Verständigungen der Strafprozessordnung. Es sei lediglich zulässig, Erörterungen zur Vorbereitung einer Verfahrensabsprache zu treffen. Diese seien aber nicht bindend. Ansonsten müssen Absprachen im Rahmen von § 257c StPO getroffen werden.


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