LG Wuppertal: Zur Strafbarkeit des „Schwarz-Surfens“

Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeschuldigten vorgeworfen, im Jahre 2008 ein Haus aufgesucht zu haben, um sich mit seinem Laptop mittels einer drahtlosen Netzwerkverbindung in das offene und über einen WLAN-Router betriebene Funknetzwerk des Zeugen J einzuwählen. Dabei habe er beabsichtigt, die Internetnutzung ohne Zahlung eines Entgeltes zu erlangen.
Das Amtsgericht Wuppertal hat die Eröffnung der Hauptverhandlung aus rechtlichen Gründen abgelehnt, da ein hinreichender Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO mangels strafbaren Verhaltens des Angeschuldigten nicht gegeben sei.

Zur Begründung führte das Gerichts aus, dass das Verhalten des Angeschuldigten weder den Tatbestand des unbefugten Abhörens von Nachrichten nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 TKG noch des unbefugten Abrufens oder Verschaffens personenbezogener Daten nach §§ 44, 43 Abs. 2 Nr. 3 BDSG erfülle. Auch eine Strafbarkeit nach § 202b StGB liege nicht vor.
Gegen den Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der eingelegten sofortigen Beschwerde.
Im Jahr 2007 hatte das Amtsgericht (AG Wuppertal, Urteil vom 03.04.2007, Az: 22 Ds 70 Js) in einem vergleichbaren Sachverhalt noch eine Strafbarkeit nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG angenommen.

Dazu das Landgericht Wuppertal:

„Das vorgeworfene Einwählen in das unverschlüsselt betriebene Funknetzwerk des Zeugen J erfüllt nicht den Tatbestand des unbefugten Abhörens von Nachrichten nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG. Jeder Computer, der sich in ein unverschlüsselt betriebenes WLAN einwählt, erhält von dem im WLAN-Router befindlichen DHCP (dynamic host configuration protocol) Server automatisch eine freie, interne (private) IP-Adresse zugeteilt. Dieser von dem Angeschuldigten ausgelöste Vorgang erfüllt nicht die Voraussetzungen eines strafbaren Abhörens von Nachrichten nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG.
Hierzu hat das Amtsgericht ausgeführt, ein Abhören im Sinne des § 89 TKG liege nicht vor. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Unter Abhören sei das unmittelbare Zuhören oder das Hörbarmachen für andere, aber auch das Zuschalten einer Aufnahmevorrichtung zu verstehen. Dies erfordere jedenfalls einen zwischen anderen Personen stattfindenden Kommunikationsvorgang, den ein Dritter als Täter mithöre ( vgl. Bär MMR, 2005, 434, 440 ). Es müsse ein bewusster und gezielter Empfang durch den Täter gegeben sein, um von einem Abhören von Nachrichten sprechen zu können. Für einen solchen bewussten und gezielten Empfang von Nachrichten durch den Angeschuldigten gebe es keine Anhaltspunkte. Dem Angeschuldigten sei es ausweislich der Anklage und des Ermittlungsergebnisses nur darauf angekommen, durch Einwählen in das Netzwerk des Zeugen dessen Internetzugang mitbenutzen zu können. Das dabei notwendige Empfangen der IP-Adresse stelle kein Abhören fremder Nachrichten dar, denn hierdurch werde die Vertraulichkeit fremder Kommunikation nicht angegriffen ( vgl. Popp, jurisPR-ITR 16/2008 Anm. 4 ).“

Damit schließt sich das Landgericht der Auffassung des Amtsgerichts an. Dabei verweist das Landgericht insbesondere darauf, dass der Nutzer eines fremden Funknetzwerks selbst den Kommunikationsprozess auslöst und gerade Teilnehmer des Prozesses ist. Schutzgut das § 89 TKG sei allerdings die Vertraulichkeit fremder Kommunikation. Diese sei beim „Schwarz-Surfen“ nicht betroffen. Somit erfüllt das Einwählen in ein unverschlüsseltes Netzwerk nicht den Tatbestand des unbefugten Abhörens von Nachrichten nach §§ 89 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG. Zudem stellt das Landgericht klar, dass auch eine Strafbarkeit wegen des Ausspähens von Daten nach § 202a StGB ausscheidet, da die Daten im vorliegenden Fall gerade nicht gegen einen unberechtigten Zugang gesondert gesichert waren.


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