Keine Bindungswirkung eines früheren Urteils

Der Angeklagte war vom Landgericht Bochum wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit solchen in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gewendeten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat der Angeklagte nun Erfolg.

Der Angeklagte hatte, wie vom LG Bochum festgestellt, einen ihm gehörenden Pkw zwei weiteren, bereits anderweitig verfolgten Personen in Kenntnis dessen überlassen, dass diese mit seinem Auto den Transport von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland vornehmen würden. Insgesamt führten diese beiden Personen unter Verwendung des PKW am 7. August 2008 „3.657 g Heroingemisch (Wirkstoffmenge: 2.150 g) und 138 g Kokaingemisch (Wirkstoffmenge: 110 g) nebst ca. 4,5 kg Streckmittel“ ein, die sie in dem Fahrzeug in Hohlräumen versteckten. Nach Ansicht des Landgerichts ist darin eine Beihilfehandlung des Angeklagten zu sehen, die die Richter an die Haupttat der beiden Fahrer – der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln – anknüpften.

Hierzu stellt der 4. Strafsenat des BGH fest:

Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten – für sich gesehen rechtsfehlerfrei – als Beihilfehandlung gewertet. Zur Haupttat hat es im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt: „Die für eine Beihilfehandlung erforderliche Haupttat liegt in der von den Zeugen A. und Sch. begangenen Tat, festgestellt durch das rechtskräftige Urteil 29 KLs 34 Js 468/08 AK 76/08, welches im Schuldspruch Bindungswirkung entfaltet“. A. und Sch. waren in diesem Urteil auf Grund des Tatgeschehens vom 7. August 2008 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge (A. ) bzw. wegen Beihilfe hierzu (Sch. ) verurteilt worden.

Allerdings hält diese Verknüpfung in Gestalt der Annahme einer Bindungswirkung des vorangegangene Urteils einer rechtlichen Nachprüfung nicht statt. Insbesondere binden bereits von einem anderen Gericht erfolgte Feststellungen den neuen Tatrichter nicht.

Auszug aus dem Wortlaut der Entscheidung:

Die Annahme einer Bindungswirkung des früheren Urteils hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Feststellungen rechtskräftiger Urteile zu früheren Tatgeschehen einschließlich der Beweistatsachen, die in einem späteren Verfahren von Bedeutung sein können, binden den neu entscheidenden Tatrichter nicht (BGHSt 43, 106, 107 f.; Senat, Beschl. vom 17. Juni 2008 – 4 StR 77/08, NStZ 2008, 685; Meyer-Goßner 52. Aufl. Einl. Rdn. 170 m.w.N.). Das Landgericht hätte sich daher in Bezug auf das Tatgeschehen vom 7. August 2008 – ohne Bindung an das frühere Urteil – eine eigene Überzeugung verschaffen müssen. Feststellungen aus früheren rechtskräftigen Strafurteilen können zwar gegebenenfalls im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die neue Hauptverhandlung eingeführt und verwertet werden; der neue Tatrichter darf sie jedoch nicht ungeprüft übernehmen (BGH aaO).

Aufgrund dieses Rechtsfehlers ist das Urteil auf die Revision des Angeklagten hin aufzuheben und von einer neuen Strafkammer zu überprüfen.

4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 640/09

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