Körperverletzung

  • Das Landgericht München hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einem rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

    Daneben hat es den Angeklagten wegen weiterer Taten der Körperverletzung, Sachbeschädigung, Bedrohung und Beleidigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

    Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

  • BGH, Beschluss vom 09.11.2010, Az.: 3 StR 357/10

    Nach Feststellungen des Landgerichts zwangen den Zeuge H. und zwei Mittäter den Angeklagten mit ihnen in einen Wald zu fahren. Dabei hielten sie ihm Waffen vor. Im Wald drohten sie dem Angeklagten, ihn umzubringen. Sie schlugen auf ihn ein, so dass er zwei Zähne verlor. Anschließend zwang H. den Angeklagten, ihn oral zu befriedigen und ihm 20.000 Euro zu zahlen. Der Angeklagte erlitt durch das Geschehen Angstzustände.

    Einige Zeit später trafen der Angeklagte und H. zufällig aufeinander, wobei der Angeklagte ihn erkannte. Daher folgte er ihm in der Absicht ihn zu töten. Er hielt mit seinem Fahrzeug neben dem des H. an und schoss viermal auf den Hals- und Oberkörperbereich des in seinem Fahrzeug sitzenden Geschädigten H., der durch drei der Schüsse potentiell lebensbedrohliche Verletzungen erlitt. Der Angeklagte, der glaubte, den apathisch zusammengesackten Geschädigten getötet zu haben, fuhr mit quietschenden Reifen davon.

    Der Angeklagte gestand das Tatgeschehen. Allerdings sagte er abweichend von den Feststellungen aus, dass H. ihn auch erkannt und ihm gedroht habe. Dadurch habe er geglaubt, H. werde ihm etwas tun und deshalb habe er aus tiefer Verzweiflung den H. kampfunfähig machen wollen.
    Das Landgericht Hannover hat den Angeklagten wegen versuchtenMordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen aus einem rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und einem Monat verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Die Revision hatte mit der ausgeführten Sachrüge (Darlegungsrüge) Erfolg und der BGH hat die Schuldfeststellungen aufgehoben, da das Landgericht Hannover wesentliche Teile der Zeugenaussagen und die darauf beruhender Beweiswürdigung dargelegt hat was zu einem Verstoß gegen § 261 StPO führt:

    „Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte habe den Geschädigten H. an der Kreuzung erkannt, während ihn dieser nicht gesehen habe, auf die gleichlautenden Aussagen der Zeugen H. und I. gestützt. Deren Glaubhaftigkeit hat es damit begründet, die Zeugen hätten ruhig und sachlich ohne Belastungstendenzen ausgesagt, Widersprüche zwischen ihren polizeilichen Aussagen und ihren Angaben in der Hauptverhandlung beträfen nur die Tatvorgeschichte und sie seien erkennbar bemüht gewesen, sich an Details zu erinnern; hinzu komme, dass die Aussagen der Zeugen H. und I. ihrerseits Unterstützung fänden in den Angaben der Zeugen Hi. , E. , B. , S. , He. , K. , So. und Sch. , soweit sie jeweils ihren eigenen Wahrnehmungen unterlagen, in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. , in den in Augenschein genommenen Lichtbildern von den Fahrzeugen sowie in den aufgefundenen Spuren (Einschusslöcher, Glasbruchspuren, Anzahl und Lage der Patronenhülsen) und den weiteren ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen. Die Aussagen der Zeugen H. und I. würden auch nicht durch das Gutachten des Sachverständigen M. in Frage gestellt.“

    Weiter heisst es:

    „Das Landgericht ist indes auch zu dem Tatvorgeschehen den Angaben der Zeugen H. und I. gefolgt, dass sie den Angeklagten vor der Schussabgabe nicht bemerkt hätten; diese seien unter anderem deswegen glaubhaft, weil sie in Teilbereichen durch sonstige Beweisergebnisse bestätigt worden seien. Ob diese Überlegung des Landgerichts rechtsfehlerfrei ist, kann der Senat jedoch nicht überprüfen. Denn das Landgericht hat es unterlassen darzulegen, in welchen Punkten die weiteren Zeugen und sonstigen Beweismittel die Angaben der Zeugen H. und I. zum Tatvorgeschehen bestätigt haben bzw. zu einer derartigen Bestätigung überhaupt in der Lage gewesen sind. Das Urteil teilt das insoweit gewonnene Beweisergebnis nicht einmal in Ansätzen mit. Dies war hier aber unerlässlich. Denn auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann hierzu nichts hergeleitet werden; dieser spricht im Gegenteil dafür, dass die Aussagen der Zeugen H. und I. zum Tatvorgeschehen nicht durch weitere Beweisergebnisse bestätigt worden sind.“

    Das Landgericht hat sich bei seiner Entscheidung maßgeblich von den Aussagen des zentrale Zeugen leiten lassen. Diese wurde von weiteren Zeugen bestätigt. Dabei ist das Landgericht von der Glaubhaftigkeit der Zeugen ausgegangen. Allerdings ist es erforderlich, dass das Urteil diese Aussagen wiedergibt, sodass das Revisionsgericht sich ein Bild davon machen kann. Daher hat der BGH das Urteil des Landgerichts mit den Feststellungen aufgehoben.


  • OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.04.2011, Az.: 1 Ss 66/11

    Das Amtsgericht Westerstede hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt.
    Auf die dagegen eingelegte Berufung hatte das Landgericht Oldenburg den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung wiederum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.
    Die zulässige Revision führt lediglich zu der sich aus dem Tenor ergebenden Änderung des Schuldspruchs.

    Das Landgericht hatte zuvor festgestellt:

    „Der Angeklagte weigerte sich, in den Streifenwagen einzusteigen, wand und wehrte sich und hielt sich am Türrahmen fest. Schließlich gelang es dem Polizeibeamten K…, den Angeklagten auf die Rückbank zu drängen, sich auf ihn zu legen und ihn mit Handschellen an die Kopfstütze anzuschließen. Während der Zeuge K… um den VW Touran herum zur Fahrertür ging, trat der Angeklagte von innen gegen die Seitenverkleidung und schließlich gegen die hintere rechte Scheibe, so dass diese zersplitterte. Die dort anwesende Polizeibeamtin K… wurde, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte, durch herumfliegende Splitter am Auge verletzt und musste ärztlich behandelt werden. Während der anschließenden Fahrt zum Kommissariat trat der weiterhin aggressive Angeklagte nach vorheriger Ankündigung auch die andere hintere Seitenscheibe des Polizeifahrzeugs heraus. Auf der Wache in W… angekommen, betitelte er den anwesenden Polizeibeamten D… als „Scheißbulle“ und „Wichser“ und kränkte ihn dadurch in seiner Ehre.
    Durch das zu diesem Fall festgestellte Verhalten hat sich der Angeklagte nach Ansicht der Strafkammer des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung gemäß §§ 113, 305a Abs. 1 Nr. 2, 223, 185, 52 StGB strafbar gemacht.“

    Als problematisch sah das OLG die Verurteilung wegen der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und wegen Körperverletzung:

    „Die Verurteilung wegen Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gemäß § 305a Abs. 1 Nr. 2 StGB kann indessen keinen Bestand haben. Denn ein jedenfalls „teilweises Zerstören“ im Sinne dieser Vorschrift hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein solches ist mehr als ein „Beschädigen“ und nur dann anzunehmen, wenn durch die Substanzverletzung einzelne, funktionell selbständige Teile der Sache, die für die zweckentsprechende Nutzung des Gesamtgegenstandes von Bedeutung sind, unbrauchbar gemacht werden (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl, § 305 Rz. 5). Diese Teile müssen für die bestimmungsgemäße Verwendung wesentlich sein (vgl. Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl., § 305 Rz. 5). Eine nicht nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit wie etwa die Zerstörung eines Reifens eines Kraftfahrzeuges (vgl. Fischer, a.a.O., § 305a Rz. 10) reicht hierfür nicht aus. Dem steht das Eintreten von Scheiben eines Fahrzeuges gleich.“
    „Soweit die Strafkammer den Angeklagten in diesem Falle auch wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hat, übersieht sie, dass die durch die Zerstörung der Seitenscheiben durch Fußtritte entstandenen, in Gesichtshöhe unkontrolliert herumfliegenden Glassplitter als gefährliche Werkzeuge gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen sind (vgl. OLG Köln, Urteil v. 17.09.1985, 1 Ss 424/85, VRS 70, 273), und der Angeklagte sich somit auch in diesem Fall der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat.“

    Folglich sag das OLG durch das Eintreten der Scheiben im Polizeiwagen den Tatbestand der Sachbeschädigung verwirklicht und durch die dadurch verursachten Glassplitter den der gefährlichen Körperverletzung.
    Daher wurde das Urteil des Landgerichts Oldenburg im Schuldspruch dahingehend zu geändert,  dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon einem Falle in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Beleidigung verurteilt wird.


  • Ein 26-jähriger Mann war vor dem Amtsgericht wegen des Verdachts der Körperverletzung und des Betrugs angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, einen Taxifahrer nach der Fahrt angegriffen zu haben und sodann das Taxi – ohne zu bezahlen – verlassen zu haben.

    Laut Aussage des Fahrers habe der Angeklagte ihm während der Fahrt sogar von seinem Beruf erzählt. Als das Taxi am gewünschten Ort anhielt, wollte der Angeklagte zunächst aussteigen, um Geld aus seiner Wohnung zu holen. Der Taxifahrer wurde skeptisch und fuhr mit dem Angeklagten zu einer Bank, um dort an seine 40 Euro zu kommen. Dort angelangt sprühte der 26-jährige dem Mann Reizgas ins Gesicht und flüchtete. Der Taxifahrer allerdings erhielt durch Passanten, denen er den Mann beschrieb seinen Namen und rief die Polizei. Es wurde ein Mann ermittelt, der sodann angeklagt wurde. Allerdings passte der Beruf, den der Fahrgast im Taxi nannte nicht.

    Im Prozess stellt sich heraus, dass ein anderer Mann mit entsprechendem Namen als Täter in Betracht käme, welcher auch dem „zutreffenden“ Beruf nachgeht. Beide Männer bestritten die Tat. Der Taxifahrer war sich den ganzen Prozess über sicher, dass der Angeklagte in seinem Taxi saß und die Tat begangen habe.

    Die Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe für den Angeklagten, die Verteidigung einen Freispruch.

    Das Gericht folgte dem Antrag der Verteidigung, da Zweifel an der Tat bestünden. Hauptargument für den Freispruch war, dass der Beruf des Angeklagten nicht dem in der Tatnacht genannten entspricht.

    ( Quelle: Schaumburger Nachrichten online vom 25.08.2011 )

  • BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011, Az.: 3 StR 44/11

    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und den Maßstab für die Anrechnung in den Niederlanden erlittener Untersuchungshaft auf 1:1 bestimmt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Das Urteil wird aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    Der Angeklagte beanstandet in der Revision, dass das Landgericht über einen Beweisantrag nicht in der Hauptverhandlung, sondern erst im Urteil entscheiden hat. Dies verstößt gegen § 244 VI StPO.

    Der BGH hat in der Entscheidung klargestellt, dass es Entscheidungen gegeben hat, bei denen Beweisanträge nach einer gesetzten Frist als Indiz für eine Verschleppungsabsicht gewertet worden sind. Allerdings ermöglicht auch das in aller Regel nicht, über die Beweisanträge in der vorgeschriebenen Weise zu entscheiden. Eine Ausnahme bestünde lediglich im Fall unzähliger Beweisanträge, die eindeutig der Prozessverschleppung dienen sollen. Die Voraussetzungen für eine solche Annahme müssen aber eng sein.

    Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich:

    „Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler, da die Entscheidung ohne die Gesetzesverletzung möglicherweise anders ausgefallen wäre. Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte und sein Verteidiger den Vorwurf der Prozessverschleppung hätten entkräften oder weitere Anträge hätten stellen können, wenn sie den Ablehnungsgrund gekannt hätten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 1986 – 4 StR 161/86, NStZ 1986, 372; vom 7. Dezember 1979 – 3 StR 299/79 (S), BGHSt 29, 149, 152). Da sich die Kammer in ihren Beschlüssen im Wesentlichen mit der Verschleppungsabsicht der Verteidigung des Mitangeklagten befasste, konnten der Angeklagte und sein Verteidiger in der Hauptverhandlung nicht auf die erst in den Urteilsgründen genannten Gesichtspunkte, die sie betrafen, reagieren.“

    Damit stellt der BGH klar, dass Beweisanträge des Angeklagten und seines Strafverteidigers im Regelfall gemäß § 244 VI StPO durch einen in der Hauptverhandlung bekannt gemachten Gerichtsbeschluss beschieden werden müssen.

    Eine Ausnahme von § 244 VI StPO muss an enge Voraussetzungen geknüpft werden, die hier nicht vorlagen. Damit ist die Ablehnung des Beweisantrags durch Urteil nicht zulässig.


  • BGH, Beschluss vom 28.Juni 2011, Az.: 3 StR 167/11

    Das Landgericht Kleve hat den Angeklagten S. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es den Mitangeklagten P. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten S.

    Der BGH hat daraufhin das Urteil,  auch soweit es den Mitangeklagten P. betrifft, aufgehoben.

    Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

    Die Angeklagten wollten dem Opfer eine Lehre erteilen, da dieser seine Drogenschulden nicht beglichen hatte. Dazu fuhren sie mit dem Opfer in ein Waldgebiet, um ihn mit Gewalt dazu zu bringen. Dieser hatte allerdings kein Geld bei sich, woraufhin die Angeklagten den Mann wieder freigelassen haben.

    Das Landgericht nahm gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung an. Dazu der BGH:

    „Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung fehlgeschlagen und damit ein Rücktritt des Angeklagten vom (unbeendeten) Versuch dieser Tat ausgeschlossen war. Denn ein Versuch ist nicht – wovon das Landgericht möglicherweise rechtsfehlerhaft ausgegangen ist – bereits dann fehlgeschlagen, wenn der Angeklagte – wie hier – seinen Tatplan nicht verwirklichen konnte. Maßgeblich ist hierfür vielmehr, ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmnisse das Erreichen seines Ziels nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte hingegen noch Herr seiner Entschlüsse und hielt er – wenngleich mit anderen Mitteln – die Ausführung seiner Tat noch für möglich, liegt ein unbeendeter und kein fehlgeschlagener Versuch vor. Entscheidend ist dabei die Sicht des Täters nach Ende der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 24 Rn. 6 ff.). Zu dem für die Abgrenzung eines fehlgeschlagenen von einem unbeendeten Versuch maßgeblichen Rücktrittshorizont des Angeklagten im Zeitpunkt seiner letzten Ausführungshandlung verhält sich das Urteil nicht. Mit Blick auf die Drohung des Angeklagten, erneut gewaltsam gegen das Tatopfer vorzugehen, wenn es seine Schulden nicht alsbald begleichen sollte, erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte die Ausführung der Tat noch für möglich hielt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte an einer Fortführung seines Vorhabens, die Bezahlung der Drogenschulden beim Tatopfer zu erzwingen, gehindert sah, enthalten die Urteilsgründe nicht.“

    Der BGH beanstandet folglich, dass das Landgericht einen Rücktritt vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung nicht geprüft hat. Dies betreffe auch den Mitangeklagten und Tatbeteiligten P., da die beiden einvernehmlich nach dem unbeendeten Versuch mit den Handlung aufhörten.


  • BGH, Beschluss vom 26.05.2011, Az.: 3 StR 318/10

    Das Landgericht Wuppertal hat die Angeklagten jeweils wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

    Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
    Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten im Autohandel tätig. Die Geschädigten betrieben einen Kfz-Ersatzteilhandel. Die Beteiligten kannten sich über ihre Geschäftsbeziehungen.
    Die Angeklagten suchten die Geschädigten auf, um einen von ihnen für 250 Euro erworbenen defekten Airbag umzutauschen. Zudem wollten sie sich aus einem anderen Geschäft 100 Euro zurückzahlen lassen. Dabei gab es Probleme, sodass die Angeklagten stattdessen ein Lenkgetriebe im Wert von 450 Euro mitnehmen wollten. Sodann gingen die Angeklagten zu ihrem Auto, angeblich um die fehlenden 100 Euro zu holen. Die Geschädigten vertrauten auf den Zahlungswillen. Als die Geschädigten feststellten, dass die Angeklagten das Gelände ohne zu zahlen verlassen wollen, wollten sie diese daran hindern. Sie gingen zu dem Auto der Angeklagten und es entstanden neue „Verhandlungen“. Dabei allerdings zog einer der Angeklagten während der Drehbewegung sein Messer, mit dem er in Kopfhöhe in Richtung eines Geschädigten stach.

    Der BGH sah hier entgegen des Landgerichts keine schwere räuberische Erpressung und führte dazu aus:

    „Zwar hat der Geschädigte K. einen Vermögensnachteil erlitten, indes beruhte dieser nicht erst auf der körperlichen Einwirkung durch die Angeklagten. Er war vielmehr schon in dem Augenblick eingetreten, als der Geschädigte irrtumsbedingt den Kaufvertrag abschloss und das Lenkgetriebe übereignete. Erst als er den fehlenden Zahlungswillen entdeckt hatte und die Wegfahrt der Angeklagten zu verhindern suchte, wendeten diese Gewalt an, um ihn zum Verzicht auf seine Forderung zu bewegen. Es liegt deshalb eine so genannte Sicherungserpressung vor, d.h. ein Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) mit anschließender – nach Entdeckung begangener – Nötigung (§ 240 StGB) zum Zwecke der Sicherung des betrügerisch erlangten Vermögensvorteils.“

    „Die Feststellungen legen es vielmehr nahe, dass das Nötigungsmittel erst aufgrund eines nach Abschluss der betrügerischen Handlung und nach Eintritt des Betrugsschadens spontan gefassten Entschlusses eingesetzt wurde. In einem solchen Fall ist die Tat weder von Anfang an durch nötigende Elemente geprägt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1983 – 4 StR 405/83, NJW 1984, 501) noch führt die spätere Nötigungshandlung zu einer Vertiefung des bereits eingetretenen Vermögensnachteils; es fehlt damit an der Kausalität zwischen der Nötigungsfolge und dem Nachteilseintritt, denn der Vermögensschaden ist bereits zuvor durch den Gewahrsamswechsel eingetreten, dem anschließenden (vorläufigen) Verzicht auf die Geltendmachung von (Rück-) Forderungsansprüchen kommt dabei keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, NJW 1984, 500; AG Tiergarten, Urteil vom 16. Oktober 2008 – (257 Ls) 52 Js 4301/08 (16/08), NStZ 2009, 270; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 25 mwN). Die Gewaltanwendung beeinflusste die Vermögenssituation des Geschädigten K. als solche nicht. Da ihm die Person seines Schuldners bekannt war, wurde auch die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung durch die Schläge nicht beeinträchtigt.“

    Somit liegt im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH keine räuberische Erpressung vor. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Gewalt nicht unmittelbar nach der Täuschung eingesetzt worden ist, um das Opfer zu nötigen, die Vermögensschädigung abschließend hinzunehmen.


  • Der Angeklagte wurde vom Landgericht Bielefeld wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

  • Der Angeklagte wurde vom Landgericht Hagen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Urteilsformel beträgt die Strafe drei Jahre, laut Urteilsgründen ist eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten tat- und schuldangemessen.

    Auf diese Divergenz stützt sich die Revisionsbegründung.

  • BGH, Beschluss vom 22.06.2011, Az.: 5 StR 202/11

    Das Landgericht Hamburg hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die vom Angeklagten eingelegte Revision hatte teilweisen Erfolg.

    Der BGH beanstandet, dass das Landgericht den Anforderungen des Jugendstrafrechts nicht gerecht wird. Im Jugendstrafrecht gelten die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts, das heißt diejenigen des StGB, gemäß § 18 I 3 JGG nicht. Vielmehr dienen sie lediglich der Orientierung der Tatschwere, die der Gesetzgeber durch die Strafrahmen festgelegt hat.

    Zudem ist eine Jugendstrafe gemäß § 18 II JGG immer am Erziehungsgedanken auszurichten. Dazu führte der BGH aus:

    „Es hätte eingehender Erörterung bedurft, inwieweit die Verbüßung einer längeren Jugendstrafe zur Behebung der im Urteil festgestellten „Störung des Selbstwertgefühls“ des Angeklagten erforderlich ist. Namentlich wäre in diesem Zusammenhang zu bedenken gewesen, dass der Angeklagte bislang nicht in nennenswertem Umfang straffällig geworden ist und aus einer intakten Familie stammt, die ihn auch nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft gestützt hat und weiterhin stützt. Unter Berücksichtigung des persönlichen und familiären Hintergrundes hätte sich die Jugendkammer mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob entsprechend ihrer Annahme (UA S. 50) die unzweifelhaft schwerwiegende Tat wirklich Ausdruck besonderer krimineller Energie ist, zumal der Eintritt des Todes durch den Faustschlag auf einem eher ungewöhnlichen Kausalzusammenhang beruhte. Sie hätte dabei auch bedenken müssen, ob der Tat nicht vielmehr Ausnahmecharakter zukommt, weil sie in einer besonderen Tatsituation einem durch alkoholbedingte Enthemmung und jugendtypische Solidarisierung mit dem Mitangeklagten I. begünstigten spontanen Tatentschluss entsprungen ist; von dem Mitangeklagten war die erste Provokation ausgegangen.“

    Daher hat der BGH das Urteil vom Landgericht im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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