Pflichtverteidiger

  • Mit Beschluss wurde der Beschwerdeführer dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Dieser ist trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Hauptverhandlungstermin ferngeblieben, ohne dies dem Gericht vorher mitgeteilt zu haben. Daher konnte nicht verhandelt werden, da der Angeklagte nicht ordnungsgemäß vertreten war. Der Beschwerdeführer erklärte auf Nachfrage, dass er den Angeklagten nicht weiter verteidigen wolle. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er zum Pflichtverteidiger bestellt worden sei.

    Durch Beschluss wurde die Bestellung des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger aufgehoben und eine neue Pflichtverteidigerin bestellt.

  • 1. Strafsenat des OLG Köln, Az.: III-1 RVs 213/10

    Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt. Hiergegen legte der Angeklagte Revision ein.

    Nach Ansicht des 1. Strafsenats hat die Revision des Angeklagten Erfolg, da dem Angeklagten kein Pflichtverteidiger bestellt worden sei, obwohl der Nebenkläger durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei. Nach § 140 II StPO sei die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig gewesen.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Nach § 140 II StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers auf Seiten des Angeklagten dann geboten, wenn ersichtlich ist, dass dieser sich nicht selbst verteidigen kann, namentlich, weil dem Verletzten nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass im Strafverfahren kein Ungleichgewicht zwischen Beschuldigtem und Verletztem entstehen soll, wenn ein Opferanwalt auftritt (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum OpferschutzG, BT-Dr 10/6124, S. 12). Eine ausdrückliche Regelung enthält das Gesetz demnach nur für den Fall, dass dem Verletzten durch das Gericht tatsächlich ein Anwalt beigeordnet worden ist. Ein Ungleichgewicht kann aber im Einzelfall auch durch einen auf eigene Kosten des Verletzten tätig werdenden Anwalt drohen. Kann hierdurch die Verteidigung beeinträchtigt werden, so ist nach dem Grundgedanken der Bestimmung auf Seiten des Angeklagten ebenfalls die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich (OLG Stuttgart NStZ-RR 2008, 312 = StV 2009, 12; OLG München NJW 2006, 789; OLG Saarbrücken NStZ 2006, 718; OLG Zweibrücken StraFo 2005, 28; OLG Hamm StraFo 2004, 242; OLG Koblenz B. v. 17.12.2003 – 2 Ws 910/03; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2002, 112 = StV 2002, 237; OLG Hamm StV 1991, 11). Ein solches Fall ist vorliegend gegeben.“

    Das Urteil wurde durch den Strafsenat aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.


  • 4. Strafkammer des LG Oldenburg, Az.: 4 Qs 182/10

    Das Gericht hatte einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bestellung eines Pflichtverteidigers abgelehnt, der nach Abschluss der Ermittlungen gestellt wurde.
    Eine solche Ablehnung kann jedoch nicht erfolgen, da die Bestellung nach dem Willen des Gesetzgebers und dem eindeutigen Wortlaut des § 141 III 3 StPO für das Gericht auch dann bindend ist, wenn nach seiner Auffassung die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung fehlen.


  • 1. Strafsenat des OLG Düsseldorf, Az.: III 1 Ws 290/10

    Dem Angeklagten wird vorgeworfen Kokain in nicht geringer Menge in das Bundesgebiet eingeführt zu haben, um hiermit Handel zu treiben. Die Anklage wurde zugelassen.
    Durch Beschluss wurde abgelehnt, dem Angeklagten den Rechtsanwalt A als Pflichtverteidiger zu bestellen, da kein wichtiger Grund für die Entpflichtung des Rechtsanwalts B bestehe. Dagegen wendet sich der Angeklagt mit einer Beschwerde.

    Nach Ansicht des 1. Strafsenats ist die Beschwerde begründet, da konkrete Anhaltspunkte für eine im Mandatsverlauf eingetretene tiefgreifende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem Rechtsanwalt B bestanden hätten und so ein Widerruf der Verteidigerbestellung aus wichtigem Grund vorläge.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Der durch das Gericht ausgewählte Pflichtverteidiger hat den Angeklagten zunächst weder in der JVA aufgesucht noch schriftlich kontaktiert. Bei Stellung des Entpflichtungsantrags befand sich der Angeklagte bereits seit über zwei Monaten in U-Haft, ohne von seinem Pflichtverteidiger gehört zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es aus der Sicht eines vernünftigen und verständigen Betrachters nachvollziehbar, dass sich der Angeklagte durch den gerichtlich bestellten Verteidiger nicht hinreichend vertreten sieht die erstmals angebotene Kontaktaufnahme zu Rechtsanwalt B ablehnt. Dem Entpflichtungsgesuch ist daher bei der hier gegebenen Sachlage zu entsprechen.“

    Der Strafsenat ordnete daher die Bestellung des Rechtsanwalts A als Pflichtverteidiger für den Angeklagten an.


  • Dem Angeklagten wurde mit Beschluss des AG sein früherer Wahlverteidiger gem. § 140 I Nr. 5 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt. Das LG Hannover verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung.

    Hiergegen hat der Angeklagte die Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung ist die Beiordnung des Verteidigers aufgehoben worden. Dies wurde damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 140 I Nr. 5 StPO nicht mehr vorliegen würden, da der Angeklagte, der sich bis dahin in Strafhaft befunden hatte, wieder frei sei. Der Verteidiger setzte die Verteidigung dennoch fort. Die Berufung des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

    Der Angeklagte richtet sich nun mit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Verteidigerbestellung.

  • Das Amtsgericht Witten hatte sich im folgenden Beschluss mit der Frage nach dem Ersatz der Reisekosten seines auswärtig tätigen Wahlverteidigers zu beschäftigen.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Witten ist dem Rechtsanwalt, der als Wahlverteidiger des Beschuldigten zum Gerichtstermin reiste, der Ersatz der notwendigen Auslagen in Höhe von 947,72 Euro als erstattungsfähig zuerkannt worden. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Bochum legte hiergegen Beschwerde ein. Seiner Auffassung nach seien die Kosten für den auswärtigen Verteidiger nicht erstattungsfähig.

  • Der Angeklagte ist wegen Hehlerei und Diebstahl von geringwerten Sachen angeklagt. Um sich vor dem Amtsgericht zu Verteidigen, beantragte er die Bestellung eines Pflichtverteidigers, welche vom Gericht abgelehnt wurde. Daraufhin erhob der Angeklagte eine Beschwerde vor dem LG Kassel.

    So ist nach § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger zu bestellen, „wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder ersichtlich ist, dass die Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann.“ Im vorliegenden Fall wird dem Angeklagten unter anderem die Hehlerei und Diebstahl vorgeworfen. Eine Freiheitsstrafe von länger als einem Jahr erscheint möglich.
    Die Vorraussetzungen nach § 140 Abs. 2 StPO sind im vorliegenden Fall somit gegeben.

    Auszug aus dem Beschluss des LG Kassel:

    „Zwar wird dem Angeklagten A. lediglich Hehlerei und Diebstahl geringwertiger Sachen vorgeworfen, so dass insoweit weder eine Freiheitsstrafe von längerer Dauer als Strafe zu erwarten wäre noch die Sach- bzw. Rechtslage grundsätzlich als schwierig einzustufen wären. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist jedoch dennoch geboten, da dem Mitangeklagten B. ein Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, so dass aus Gründen des fairen Verfahrens auch der Angeklagte A. über einen Verteidiger verfügen sollte (vgl. LG Kiel vom 10.10.2008, StV 2009, 236; LG Oldenburg vorn 07.08.2000, StV 2001, 107; BeckOK/Wessing § 140 StPO, Rdn. 17), zumal der Angeklagte A. von dem Mitangeklagten B. belastet wird. Ob darüber hinaus erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Angeklagten A. zur sachgemäßen Verteidigung ohne Verteidiger vorliegen (vgl. OLG Frankfurt/Main, 2.Strafsenat, Beschluss vom 17.04.1984, Az 2 Ss 82/84), welche sich auf seiner langjährigen Abhängigkeit von Drogen gründen, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen bleiben. Die Kostenentscheidung folgt aus dem Erfolg der Beschwerde.“

    Folglich hat der Angeklagte mit seiner Beschwerde Erfolg. Ihm ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

    Siehe dazu: Az.: 3 Qs 27/10

  • Az.: 18 Os 41/10 (Landgericht Rostock)

    Gegen den Angeklagten ist ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis erlassen worden. Zur Feststellung der Trunkenheitsfahrt wurde dem Angeklagten ohne richterliche Anordnung eine Blutprobe entnommen.

    Zur Verteidigung des Angeklagten beantragte der Rechtsanwalt P. seine Beinordnung als Pflichtverteidiger, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.03.2010 zurückwies, da „kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege, es sich um einen sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fall handele und der Angeklagte in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen.“

    Hiergegen legte der Angeklagte Beschwerde vor dem Landgericht Rostock ein, mit der er aus nachstehenden Gründen Erfolg hatte.

    Wie der Senat ausführt, darf dem Angeklagten ein anwaltlicher Beistand nicht verwert werden. Insbesondere die Klärung der Rechtmäßigkeit der Blutentnahme zur Messung des Blutalkoholpegels sei ein komplexes Thema und nicht von einem Laien ohne Verteidigung zumutbar, so dass eine notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vorliegt.

    Hierzu führt der Senat aus:

    „Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung i. S. d. § 140 Abs. 2 StPO vor, da die Schwierigkeit der Rechtslage die Bestellung eines Verteidigers gebietet. Die Rechtslage ist dann als schwierig anzusehen, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt. Dies ist hier Bei der Verwertung der Blutproben angesichts der gegenwärtig in Rechtskreisen geführten Diskussion und der dazu ergangenen aktuellen Rechtsprechung u.a. des Bundesverfassungsgerichts der Fall. [..]
    Diese rechtliche Debatte kann der Angeklagte, der juristischer Laie ist, nicht allein führen. Dem Angeklagten darf eine sachgerechte und folglich anwaltlichen Beistand erfordernde Führung der Diskussion um ein Verwertungsverbot nicht verwehrt werden (siehe dazu die vom Verteidiger eingeführten Entscheidungen des OLG Brandenburg, NJW 2009, 1287 und des Landgerichts Schweinfurth, StV 2008, 642, sowie des OLG Bremen DAR, 2009, 710).“

    Aus diesem Grund hat die Beschwerde vor dem LG Rostock Erfolg. Davon unberührt bleibt der Ausgang des Hauptverfahrens vom Senat weiterhin noch zu prüfen.

  • Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Görlitz wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt worden.

    Hiergegen haben der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, welche allerdings abgelehnt wurde. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die vor dem OLG Dresden aus nachstehenden Gründen Erfolg hat:

  • Dem Beschuldigten wurde am 17.12.2009 der Haftbefehl des AG Frankfurt (Oder) verkündet, er befindet sich derzeit in der JVA Cottbus-Dissenchen. Davor war er in der JVA Kempen und anschließend in der JVA Frankfurt (Oder) ansässig. Nach Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wurde der Beschuldigte durch den Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger vertreten. Hiergegen erhob er später eine Beschwerde, mit der er die Beiordnung des Pflichtverteidigers rügt.

    Die entscheidende Frage war, ob dem Beschuldigten die Gelegenheit gegeben worden ist bzw. er sich dessen bewusst war, in einem bestimmten Zeitraum einen Anwalt für seine Verteidigung zu benennen. Eine solche Möglichkeit entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und ist gesetzlich ausdrücklich normiert.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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