BGH, Beschluss vom 04.08.2011, Az.: 3 StR 99/11
Das Landgericht Oldenburg hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt, im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
Dabei hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte an der Scheide der Nebenklägerin leckte und diese sodann veranlasste, seinen Penis in den Mund zu nehmen. Dadurch hat er sich einem Verbrechen nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
In der Anklage war das Geschehen etwas anders dargestellt und die Staatsanwaltschaft klagte ein Vergehen nach § 176 Abs. 1 StGB an.
Der Angeklagte rügte hier, dass das Landgericht den Sachverhalt ohne eine Nachtragsanklage aburteilte. Zudem beanstandete er, dass das Landgericht den Angeklagten nicht ausreichend auf straferhöhende Umstände (§ 265 Abs. 2 StPO) hingewiesen hat. Es erging lediglich ein Hinweis.
Der Strafsenat führte dazu aus:
„Die hiergegen vom Beschwerdeführer erhobene – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts zulässige – verfahrensrechtliche Beanstandung hat Erfolg. Der erteilte Hinweis ermöglichte es dem Angeklagten nicht, seine Verteidigung hinreichend auf den verschärften Tatvorwurf einzustellen; denn er stellte nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen das Landgericht den Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB als möglicherweise verwirklicht ansah (siehe dazu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 265 Rn. 31 mwN).“
Folglich muss das Tatsachengericht einem Angeklagten die Möglichkeit lassen, sich dem Tatvorwurf entsprechen zu verteidigen. Hier hat der Hinweis des Landgerichts nach Ansicht des BGH es dem Angeklagten nicht ermöglicht, sich angemessen auf den verschärften Tatvorwurf – welcher nicht angeklagt war – einzustellen. Der Hinweis hätte zumindest die Tatsachen enthalten müssen, auf welche das Gericht seinen Vorwurf stützt. Da dies nicht der Fall war, war dem Angeklagten keine angemessene Strafverteidigung möglich.