Der zornige Angeklagte – kein Strafschärfungsgrund

Nachdem in einem Strafprozess die grundsätzliche Schuldfrage geklärt ist, geht es zumeist um die Strafzumessung. Die meisten Straftatbestände besitzen einen weiten Strafrahmen. Beispielsweise erlauben Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) eine Strafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder „nur“ eine Geldstrafe. Delikte wie zum Beispiel der Meineid (§ 154 StGB) ordnen gar eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.

Wie erfolgt die Strafzumessung?

Diese großen Strafrahmen erlauben dem Richter die konkrete Tat zu würdigen und die Schwere des Unrechts im Einzelfall festzustellen. Die Strafhöhe darf der Richter jedoch nicht frei aus dem Bauch heraus bestimmen. Der Richter muss anhand der strafschärfenden und strafmildernden Umstände des einzelnen Strafurteils den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat bewerten und die schon schuldangemessene, also die Mindeststrafe, und die noch schuldangemessene, also die Höchststrafe, feststellen. Innerhalb dieses Spielraumes kann anschließend noch die präventive Wirkung der Strafe berücksichtigt werden.
Bei einem Betrug könnte beispielsweise bei einem hohen Unrechts- und Schuldgehalt dem Richter ein Spielraum zwischen drei und fünf Jahren Freiheitsstrafe zur Verfügung stehen. Bei einem besonders schweren Betrug ist ein noch höherer Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren eröffnet. Bei einem Betrug mit einem sehr geringen Unrechtsgehalt kann dagegen lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren in Frage kommen.

Wie kann ein Strafverteidiger eine „milde“ Strafe bewirken?

Es ist daher sehr wichtig, dass dem Gericht alle relevanten Umstände bekannt sind. Obwohl auch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich die entlastenden und strafmildernden Umstände in das Verfahren einbringen muss, kann hier vor allem ein Strafverteidiger dabei helfen, dass dem Gericht die strafmildernden Umstände näher gebracht werden. Dabei kann der Rechtsanwalt auch abschätzen, welche Umstände tatsächlich strafmildernd und welche, vielleicht sogar unbeabsichtigt, strafschärfend wirken könnten. Häufig werden Faktoren zu Lasten des Angeklagten im Urteil gewertet, die gar nicht gewertet werden dürfen wie z.B. das Schweigen des Angeklagten, das Fehlen eines Geständnisses oder ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot.

Was sind strafzumessungsrelevante Umstände?

Es gibt eine große Bandbreite an Umständen, die in der Strafzumessung, also bei der Bestimmung der Strafe eine Rolle spielen. Wird es noch eine Geldstrafe oder eine schon eine Freiheitsstrafe? Wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt?
Das Gericht kann Vorleben, Tatmotiv, Tatausführung, Folgen der Tat, Nachtatverhalten und Ähnliches bei der Strafzumessung berücksichtigen. Das nicht Vorhandensein von Vorstrafen wirkt beispielsweise regelmäßig strafmildernd. Auch ein Geständnis, welches jedoch immer zuvor mit seinem Anwalt abgesprochen sein soll, kann erheblich strafmildernd wirken. Strafschärfend kann dagegen eine hohe Rückfallgeschwindigkeit oder eine besondere Rücksichtslosigkeit bei der Tatausführung sein sowie ein hoher Vermögensschaden bei Betrug oder Untreue sowie schwerwiegende Verletzungen bei einer Körperverletzung. Ebenso spielt das Motiv für die Tat eine Rolle.

Prozessverhalten als strafschärfender Umstand?

Problematisch ist immer, wie weit das Verhalten des Angeklagten im Prozess strafschärfend berücksichtigt werden darf. Im konkreten Fall bewertete es das Landgericht als strafschärfend, dass der Angeklagten „mit zornerfüllter, lauter Stimme“ ausführte, dass er selbst im Falle eines Freispruches aus Zweifelsgründen Rechtsmittel einlegen werde, um klarzustellen, dass die Nebenklägerinnen lügen würden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) griff in der Revision diesen Strafzumessungsgrund auf und merkte an, dass dies für die Wertung zu Lasten des Angeklagten „nicht unbedenklich“ sei (BGH, Beschluss vom 13. August 2013, Az.: 2 StR 108/13). Da es im konkreten Verfahren aber darauf nicht mehr ankam, hat es der BGH bei dieser Anmerkung belassen. Trotzdem kann daraus wohl gefolgert werden, dass ein lautes und zorniges Auftreten des Angeklagten nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf.

Siehe dazu: BGH, Beschluss vom 13. August 2013, Az.: 2 StR 108/13

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