Nachdem in einem Strafprozess die grundsätzliche Schuldfrage geklärt ist, geht es zumeist um die Strafzumessung. Die meisten Straftatbestände besitzen einen weiten Strafrahmen. Beispielsweise erlauben Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) eine Strafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder „nur“ eine Geldstrafe. Delikte wie zum Beispiel der Meineid (§ 154 StGB) ordnen gar eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.
Die Strafwürdigkeit der Delikte, die im Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe gestellt werden, gilt grundsätzlich für alle strafmündigen Menschen. Nach dem StGB ist strafmündig, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat.
Wird ein Urteil zugunsten des Angeklagten zurückverwiesen und trifft der neue Tatrichter Feststellungen, die die Tat in milderem Licht erscheinen lässt, so muss er es besonders begründen, wenn er bei der gleichen Strafhöhe bleibt.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Wuppertal wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht.
Ein junges Alter des Tatopfers rechtfertigt alleine noch keine Strafschärfung beim sexuellen Missbrauch von Kindern.
Die Strafkammer des Landgerichts Koblenz hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht strafschärfend, dass das geschädigte Mädchen erst 12 Jahre alt war. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.
Die Sicherungsverwahrung bietet keinen zusätzlichen Schutz über der lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Stade wegen Mordes in drei Fällen und mehreren Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Zusätzlich stellte das Landgericht die besondere Schwere der Schuld fest.
Darüber hinaus ordnete das Gericht auch noch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.
Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten unter anderem wegen Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Mitglied der „Hells Angels“. Ihm wurde bekannt, dass es zu einem Angriff des verfeindeten Rockerclubs „Bandidos“ kommen sollte.
Zeitgleich ermittelten Strafverfolgungsbehörden gegen Mitglieder der Hells Angels, wobei Durchsuchungsbeschlüsse – unter anderem gegen den Angeklagten – erlassen wurden.
Vor dem Landgericht Oldenburg muss sich ein 58-jähriger Mann wegen Mordes verantworten.
Ihm wird vorgeworfen, seine Tochter und deren Ehemann im Jahr 2003 getötet zu haben, weil die beiden ohne seine Zustimmung heirateten. Dabei geht die Staatsanwaltschaft von niedrigen Beweggründen und Heimtücke aus.
Der Angeklagte war nach der Tat nach Pakistan geflohen und werde erst im vergangenen Jahr ausgeliefert. Der Mann hat sich bisher nicht zu den Tatvorwürfen geäußert.
Das Landgericht Hildesheim hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Er war zur Tatzeit 17 Jahre alt.
Seine Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
Das Landgericht Lübeck hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Der Angeklagte W. wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, der Angeklagte P. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Das sichergestellte Rauschgift wurde eingezogen. Gegen die Entscheidung legten die Angeklagten Revision ein.
Dazu der BGH:
Das Landgericht hat im Rahmen seiner sehr knappen Strafzumessungserwägungen nicht ausreichend den Gesichtspunkt beachtet, dass gegen Mittäter verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93 mwN, insoweit in BGHSt 40, 73 nicht abgedruckt; Beschluss vom 28. Juni 2011 – 1 StR 282/11 Rn. 4 und 6 mwN, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, ist für jeden von ihnen die Strafe in individueller Würdigung des Maßes der eigenen Schuld zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 8/09, NStZ 2009, 382). Dem Urteil kann kein hinreichender Grund für die nahezu gleichen Strafaussprüche entnommen werden: Im Verhältnis zum vielfach vorbestraften, zur Tatzeit unter Bewährung stehenden Angeklagten W. sprechen erhebliche Umstände deutlich zugunsten des Angeklagten P., namentlich das Fehlen von Vorstrafen, seine besondere Haftempfindlichkeit sowie sein voll umfänglich glaubhaftes Geständnis. Darüber hinaus ergeben sich aus den Feststellungen auch Hinweise auf einen geringeren Tatbeitrag des Angeklagten P. gegenüber dem Angeklagten W.; letzterer war es nämlich, der in der Zeit zwischen der Bestellung der Rauschmittel und deren Lieferung den Kontakt zu dem Lieferanten hielt. Erkennt das Tatgericht trotz dieser erheblichen Unterschiede gegen Mittäter auf nahezu gleich hohe Strafen, so bedarf dies jedenfalls einer ausdrücklichen Begründung, die dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht, ob die Strafzumessung auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH aaO).
Mithin ist nach Auffassung der Richter nicht erkennbar, warum die beiden Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe nahezu gleicher Höhe verurteilt wurden.
Nach Ansicht des BGH sprechen viele Argumente für eine wesentlich mildere Strafe des Angeklagten P. – er habe keine Vorstrafen, sei besonders haftempfindlich und habe zudem ein Geständnis abgelegt. Der BGH betont, dass die Strafe bei Mittätern individuell bestimmt werden und insbesondere in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen muss. Daher hat der BGH das Urteil im Strafausspruch, soweit es den Angeklagten P. betrifft, aufgehoben.
BGH, Beschluss vom 16.08.2011, Az.: 5 StR 237/11
BGH, Beschluss vom 20.07.2011, Az.: 2 StR 293/11
Das Landgericht Meiningen hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in sechs Fällen unter Einbeziehung zweier weiterer Strafen aus einer aufgelösten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Mann hatte nach den Feststellungen des Gerichts mit dem 13-jährigen Tatopfer ungeschützten Geschlechtsverkehr. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.
Der BGH bestätigte den Schuldspruch, äußerte aber Bedenken gegen die Strafzumessung.
„Dagegen begegnet die Strafzumessung rechtlichen Bedenken, soweit die Strafkammer für die einzelnen Taten Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten verhängt hat. Diese Differenzierung im konkreten Strafmaß hat die Strafkammer, die lediglich allgemeine, für alle Taten gleichermaßen geltende Strafzumessungserwägungen angestellt hat, nicht begründet; sie ergibt sich – sieht man von der Tat ab, die zur Schwangerschaft geführt hat und bei der ein erhöhter Unrechts- und Schuldgehalt anzunehmen ist – auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Senat kann daher nicht überprüfen, wie das Landgericht zu den verhängten Strafen gekommen ist, und hebt alle Einzelstrafen auf.“
Der BGH sah es folglich als problematisch an, dass das Landgericht die Strafhöhe der sechs Taten des Angeklagten so differenziert bewertet hat. Die Berechnung der jeweiligen Strafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten sind für den BGH nicht nachvollziehbar, da (abgesehen von einer Tat) alle Taten einen ähnlichen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen. Daher hat der BGH die Einzelstrafen aufgehoben, was zum Wegfall der Gesamtstrafe führt. Die Sache wurde aufgrund der insweit erfolgreichen Revision im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner