OLG Koblenz: Der sexuelle Missbrauch widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB

Tatopfer im Sinne des § 179 StGB („Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen“) kann nur sein, wer unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen.

Der Angeklagte wohnte mit der Geschädigten in einer gemeinsamen Wohnung. Ohne dass sie ein Paar waren, schliefen sie gelegentlich einvernehmlich miteinander. Ebenfalls konsumierten sie regelmäßig gemeinsam Drogen und Psychopharmaka. Dabei wirkte ein Psychopharmakon besonders einschläfernd.

Als die Geschädigte durch die Medikamente nachts besonders fest schlief, soll der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen haben. Dabei sei sie wohl aufgewacht, hätte sich jedoch aufgrund der Drogen und der Tabletten nicht dagegen wehren können und schlief wieder ein.

Das Landgericht Koblenz verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß §§ 197 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung mit der Revision.

Das Oberlandesgericht Koblenz (OLG Koblenz) hatte bereits Zweifel an der Widerstandsunfähigkeit der Zeugin. Das Landgericht hat nicht hinreichend genug herausgearbeitet, inwieweit sich die Zeugin wegen der Drogen und Medikamente nicht mehr wehren konnte:

Dies liegt vorliegend mit Blick auf die Aussage der Zeugin, sie sei wach geworden, während der Angeklagte „auf ihr gehangen“ und den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchgeführt habe, sie habe nicht sprechen und sich nicht bewegen können, was sie auf die Medikamente zurückführe, auch nicht offen auf der Hand. Mithin hätte es — ggf. durch Hinzuziehung eines Sachverständigen — zur fehlenden Fähigkeit der Zeugin einen Willen zu bilden, eingehender Feststellungen bedurft.

Auch hinsichtlich des Vorsatzes hat das OLG Koblenz seine Bedenken. Denn der Täter muss die Widerstandsunfähigkeit zumindest für möglich halten:

Subjektiv muss der Täter mit zumindest bedingtem Vorsatz handeln und dabei den Zustand des Opfers, die daraus resultierende Widerstandsunfähigkeit und die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausnutzung erfassen (BGH 3 StR 443/92; 5 StR 173/98).

Dieser Vorsatz ergibt sich aus dem Urteilgründen nicht. Außerdem läge kein Ausnutzen vor, wenn die Person vor der Drogen- oder Medikamenteneinnahme eingewilligt hätte. Da vorher einvernehmlicher Geschlechtsverkehr vollzogen wurde, ist nicht offensichtlich, dass die Zeugin dies nicht mehr wollte. Möglicherweise ging der Angeklagte von einer Einwilligung aus.

Aufgrund dieser Mängel wird das Urteil aufgehoben. Die Sache wird an eine andere Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 16. April 2012, Az.: 2 Ss 30/12

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