Dem Beschuldigten wurden mehrere Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgeworfen.
Die Jugendkammer des Landgerichts Frankenthal setzte den Haftbefehl außer Vollzug, mit der Auflage, dass sich der Beschuldigte regelmäßig bei einer Polizeidienststelle zu melden und Kindergärten und Schulen zu meiden habe.
Auch nachdem das Hauptverfahren vor dem Landgericht Frankenthal startete und dem Angeklagten eröffnet wurde, dass auch eine Anordnung zur Unterbringung in der Sicherungsverwahrung möglich wäre, wurde der Haftbefehl weiter außer Vollzug gesetzt.
Im Verfahren wurde der Angeklagte dann zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Aufgrund der hohen Strafe bejahte das Landgericht die Fluchtgefahr und setzte den Haftbefehl nun nicht mehr außer Vollzug. Der Angeklagte wehrte sich gegen das Urteil im Wege der Revision und legte durch die Strafverteidigung Beschwerde bezüglich der Inhaftierung ein.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken entschied über den neuen Haftbefehl und gab der Beschwerde statt.
Da der Angeklagte die Meldeauflagen eingehalten habe, komme lediglich das Vorliegen neuer hervorgetretener Umstände nach § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO in Frage. Hier hat das OLG Zweibrücken jedoch bedenken:
Dem insoweit von der Kammer herangezogenen Umstand, dass durch die ausgesprochene Strafe und die angeordnete zeitlich unbefristete Sicherungsverwahrung nunmehr von einem äußerst hohen Fluchtanreiz auszugehen sei, kann unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Im Zeitpunkt der Haftverschonung lagen dem Haftbefehl des Senats erhebliche Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in mehreren tatmehrheitlichen Fällen mit entsprechend hoher Straferwartung zugrunde. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat die durch den Senat zum damaligen Zeitpunkt angenommenen Straftaten in ihrer Anklageschrift noch um zwei weitere Taten erweitert. In der Eröffnungsentscheidung der Kammer wurden die Verfahrensbeteiligten – mithin auch der Angeklagte – darauf hingewiesen, dass neben einer zu verhängenden Strafe die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Betracht kommen kann. Zeitgleich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens hat die Kammer die Voraussetzungen der Untersuchungshaft unter Berücksichtigung des erfolgten Hinweises geprüft. Sie hat dabei den dringenden Tatverdacht bejaht, den Haftbefehl jedoch lediglich nach Maßgabe des Außervollzugsetzungsbeschlusses vom 22. Juni 2011 aufrechterhalten. Der neu hinzugetretene Umstand der Sicherungsverwahrung bot der Kammer somit keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Der Angeklagte wusste somit, dass neben einer Freiheitsstrafe noch die Verhängung der Sicherungsverwahrung in einem hohen Maße wahrscheinlich sein würde. Dennoch hat er sich an mehreren Verhandlungstagen dem Verfahren gestellt. Auch nach dem Plädoyer des Staatsanwaltes und somit in Kenntnis des jeweils beantragten Schuldspruchs, der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung sowie im Bewusstsein, dass der Staatsanwalt beantragt hatte, den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen, hat er sich dem Verfahren weiter gestellt und ist zur Urteilsverkündung erschienen. Durch den Teilfreispruch in 8 Anklagepunkten hat sich zudem eine dem Angeklagten günstigere Situation hinsichtlich der ausgeurteilten Freiheitsstrafe ergeben.
Gründe zur Invollzugsetzung des Haftbefehls liegen mithin nicht vor.“
Somit reiche die reine Verurteilung zu einer hohen Strafe nicht aus, um den Haftbefehl nicht mehr außer Vollzug zu setzen. Vielmehr spräche es für den Angeklagten, dass er sich auch nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft noch dem Verfahren stellte.
Die Beschwerde der Strafverteidigung hatte somit Erfolg und der Haftbefehl wurde erneut außer Vollzug gesetzt.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.03.2012, Az.: 1 Ws 58/12