Strafrecht Blog

  • 1. Strafsenat des BGH, Az. 1 StR 52/10

    Der Angeklagte war vom Landgericht München I wegen Steuerhinterziehung verurteilt Die hiergegen eingewandte Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) wird zwar vom 1. Strafsenat als unbegründet verworfen, jedoch von folgenden, ergänzenden Bemerkungen (sog. „obiter dictum“) bezüglich der fehlenden, eigenen Bemessung der Höhe der Tabaksteuer in der Beweiswürdigung durch die Strafkammer begleitet:

    Wortlaut des Senats:

    “Die Strafkammer hat sich bei der Feststellung der Höhe der hinterzogenen Tabaksteuer pro Zigarette auf die Angaben der als Zeugin gehörten Zolloberinspektorin G. gestützt. Diese habe den Steuerbescheid erstellt und den Mindeststeuersatz auf 13,64 Cent pro Zigarette zu Grunde gelegt. Dies ist keine zureichende Beweiswürdigung. Der Senat kann nicht nachvollziehen, wie die Strafkammer den Mindeststeuersatz pro Zigarette berechnet hat, und vermag nicht zu beurteilen, ob dies rechtsfehlerfrei geschehen ist.
    Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08 – Rdn. 20; vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 399/00; vom 15. Mai 1997 [BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 9]). Den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben kann nicht durch Bezugnahmen auf Steuerbescheide oder Betriebs- oder Fahndungsprüfungsberichte entsprochen werden. Das Tatgericht ist zwar nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige – weil ihm obliegende Rechtsanwendung – Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. BGH, Beschl. vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08 – Rdn. 21; Jäger StraFo 2006, 477, 479 m.w.N.).“

    Allerdings macht der Senat deutlich, dass hier eine Fehlberechnung zu Lasten des Angeklagten ausgeschlossen werden kann.

    Ferner schließt sich der Senat den Ausführungen des Generalbundesanwalts (GBA) an. Dieser hält zwar die Feststellungen des Gerichts bezüglich der Höhe der hinterzogenen Tabaksteuer für unzureichend, da die Kammer keine Schätzung der tatsächlichen Tabaksteuer bei ausländischen Markenzigaretten mittels Quervergleich vornimmt, sondern sich lediglich auf die Angaben der als Zeugin vernommenen Zolloberinspektorin stützt, sieht darin jedoch keinen Nachteil für den Angeklagten.

    Auszug aus den Ausführungen des Generalbundesanwalts:

    “Jedoch lässt sich ausschließen, dass der Angeklagte hierdurch beschwert ist. Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Bekanntmachung vom 12. Januar 2009 (BAnz. S. 284) nach § 4 Abs. 1 Satz 4 TabStG die gängigste Preisklasse für Zigaretten des Jahres 2008 mit 4,00 EUR je 17 Stück Zigaretten angegeben; dies entspricht 23,529 Cent je Stück. Bei diesem Kleinverkaufspreis errechnet sich die Tabaksteuer mit 14,072 Cent und die Umsatzsteuer mit 3,756 Cent je Stück, die Gesamtsteuerbelastung durch die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer für solche Zigaretten beträgt somit 17,828 Cent je Stück. Daraus ergibt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TabStG ein Mindeststeuersatz von 17,114 Cent abzüglich der Umsatzsteuer, höchstens 14,07 Cent. Wie sich durch einfache mathematische Überlegungen zeigen lässt, entspricht der von der Strafkammer – ohne nähere Erläuterung – angenommene Satz der Tabaksteuer von 13,64 Cent je Stück dem niedrigsten überhaupt möglichen Satz der Tabaksteuer. Dieser Satz wird bei einem Kleinverkaufspreis von etwa 21,769 Cent je Stück erreicht, was einem Preis von etwa 3,70 EUR für eine Packung von 17 Stück entspricht. Bei einem niedrigeren Kleinverkaufspreis errechnet sich ein höherer Mindeststeuersatz, weil der Abzugsposten für die Umsatzsteuer geringer ausfällt; bei einem höheren Kleinverkaufspreis liegt hingegen die tarifmäßige Tabaksteuer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TabStG über dem Mindeststeuersatz. Aufgrund der Ausgestaltung des Steuertarifs lässt sich daher rechnerisch ausschließen, dass ein geringerer Hinterziehungsbetrag hätte festgestellt werden können. Außerdem beträgt der Unterschied zum Steuersatz der gängigsten Preisklasse ohnehin weniger als einen halben Cent pro Stück und ist damit im Vergleich so geringfügig, dass sich ein Einfluss auf die Strafzumessung ausschließen lässt.“

    Auch wenn sich dieser Fehler in diesem Fall nicht ausgewirkt hat, macht der BGH durch die Erwähnung dieser unzureichenden Beweiswürdigung der Strafkammer die Anforderungen der Darlegung von Berechnungsgrundlagen in den Urteilsgründen im Hinblick auf die Revision deutlich.

  • 5. Strafsenat des BGH, Az. 5 StR 7/10

    Der Angeklagte war vom Landgericht Braunschweig wegen Betruges in insgesamt sechs Fällen, darunter in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.

    Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und kann einen Teilerfolg erzielen:

    Wie das Landgericht feststellt, hatte sich der vorbestrafte und einkommens- und vermögenslose Angeklagte von mehreren Bekannten unter Vorspiegelung gewisser Umstände mehrmals erhebliche Geldbeträge geliehen. Er war jedoch nicht zur Rückzahlung bereit und fähig.

    Hierfür stellte er aus verschiedenen Kopien von echten Urkunden einen vermeintlich notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag, „der ihn selbst als Verkäufer, zwei Käufer und einen Kaufpreis von 1.580.000 € auswiesen“. Damit wollte der Angeklagte über mögliche Darlehensgeber und auch seine baldige Zahlungsfähigkeit täuschen. Zum Einsatz kam dieser Vertrag jedoch nicht.

    Das Landgericht nahm hierdurch eine Urkundenfälschung an. Der 5. Strafsenat des BGH ist jedoch anderer Auffassung, aus folgenden Erwägungen:

    Der Angeklagte hat keine unechte Urkunde hergestellt. Urkunden im Sinne des Strafrechts sind verkörperte Erklärungen, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGHSt 4, 60, 61; 24, 140, 141; Fischer, StGB 57. Aufl. § 267 Rdn. 2 m.w.N.). Soweit der Angeklagte den vermeintlich zustande gekommenen Grundstückskaufvertrag lediglich mit dem eigenen Namenszug unterschrieben hat, liegt eine Täuschung über den Aussteller der Gedankenerklärung nicht vor. Insofern handelt es sich um eine schriftliche Lüge (vgl. Fischer aaO Rdn. 18a), weil aus dem so geschaffenen Schriftstück der Angeklagte als Aussteller zu ersehen ist und lediglich der (fotokopierte) Bezugstext falsch ist. Mitaussteller sind hier auch nicht etwa die anderen Vertragsbeteiligten; deren Namenszüge sind lediglich einkopiert, ihnen fehlt die Authenzität einer Originalunterschrift. Durch das Zufügen von Kopien der Unterschriften der angeblichen Vertragspartner erfüllt der „Grundstückskaufvertrag“ nicht die Merkmale einer Urkunde, da das Schriftstück insoweit nach außen als Reproduktion erscheint (Fischer aaO Rdn. 12b m.w.N.). b) Der Angeklagte hat auch keine echte Urkunde verfälscht, da er für die Herstellung der Kopie des vermeintlichen Grundstückskaufvertrages lediglich Kopien von echten Urkunden verwendete.

    Aber auch die Täuschungsabsicht begründet nicht zwangsläufig die Strafbarkeit wegen eines Versuchs.

    Hierzu der Wortlaut des BGH:

    Die vom Landgericht festgestellte Täuschungsabsicht legt es zwar nahe, dass der Angeklagte von der hergestellten Vorlage eine weitere Kopie zumindest fertigen wollte, um das Werk insgesamt als Kopie eines unterschriebenen Originals erscheinen zu lassen. Dies begründet indes auch keine Strafbarkeit wegen eines Versuchs des Gebrauchens einer gefälschten Urkunde (vgl. Fischer aaO), weil zu keinem Zeitpunkt eine (falsche) Urkunde vorgelegen hat. 6 7 2. Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung im Fall II.7 der Urteilsgründe kann daher keinen Bestand haben.

    Insgesamt führen die Feststellungen des Strafsenats zum Wegfall der Einzelstrafe von neun Monaten und dadurch zu einer Änderung der Gesamtstrafe. Der Senat entscheidet in diesem Fall gemäß §354 Abs. 1 StPO selber über die Straffrage, da eine Aufhebung und Zurückweisung des Urteils zur Festsetzung einer neuen Gesamtstrafe zu einer – hier vorliegenden – unvertretbaren Verfahrensverzögerung führen würde. Der Angeklagte ist angesichts der weiteren verbleibenden sechs Taten zu einer geringeren Freiheitsstrafe von nunmehr 4 Jahren verurteilt.

  • 5. Strafsenat des BGH., Az. 5 StR 88/10

    Die Angeklagten war vom Landgericht Leipzig wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe und Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten sowie fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Die gegen das Urteil gerichtete Revision der beiden Angeklagten erzielte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Erfolg.

    Das Landgericht hatte nach den Feststellungen den minder schweren Fall nach §250 Abs. 3 StGB verneint, obwohl es in seinen Erwägungen von einigen Milderungsgründen ausgegangen war. Dieses hält nach Ansicht des 5. Strafsenats des BGH einer rechtlichen Nachprüfung aus den Gesichtspunkten einer vorzunehmenden Gesamtwürdigung nicht stand.

    Aus dem Wortlaut des Strafsenats:

    „Das Landgericht führt für die Angeklagten eine Reihe gewichtiger Milderungsgründe auf (UA S. 34 f.; 37). Zu den Voraussetzungen des § 250 Abs. 3 StGB beschränkt es sich dann auf den hinsichtlich beider Angeklagter gleichlautenden Hinweis, die mildernden Umstände würden von einer „insgesamt negativen Persönlichkeitsentwicklung – insbesondere zunehmender Tatfrequenz und ansteigender krimineller Energie – überwogen“ (UA S. 35; 38). Angesichts dieser formelhaften Wendung, die durch die Feststellungen zu den – vergleichsweise geringen und größtenteils nicht einschlägigen – Vorbelastungen der Angeklagten überdies nicht gedeckt ist (UA S. 4 bis 6; 7 bis 9), besorgt der Senat, dass das Landgericht die notwendigen Abwägungen in der Sache nicht vorgenommen hat.“

    Außerdem habe die Strafkammer des Landgerichts Leipzig bei der Strafzumessung den Umstand, dass das Opfer der Vater des 8-jährigen Sohnes des Angeklagten W. war, nicht berücksichtigt und somit weitere Wertungsfehler vollzogen. Zur Bedeutung eines solchen Strafzumessungsgrundes führt der Strafsenat im Folgenden aus:

    „Hinzu kommt, dass die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung einen die Tat hinsichtlich beider Angeklagter prägenden Umstand völlig außer Acht lässt. Bei dem Opfer handelt es sich um den Vater des 8-jährigen Sohnes der Angeklagten W. , für den der Kindsvater bislang keinerlei Unterhalt gezahlt hat. Deswegen gab es in der Vergangenheit und auch un-mittelbar vor der Tat Streit (UA S. 18 f.). Der Angeklagten drohte die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnte. Um den Haftantritt und die damit verbundene Trennung von ihrem Sohn abwenden zu können, bat sie den Geschädigten um finanzielle Unterstützung. Auch wenn mangels Leistungsfähigkeit des Geschädigten kein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf die erpresste Geldsumme in Höhe von 330 Euro bestand, die allein diesem Zweck dienen sollte, konnte die Angeklagte der Meinung sein, der Geschädigte sei ihr unter den gegebenen Umständen ethisch zu finanzieller Unterstützung verpflichtet. Es handelt sich um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, mit dem sich das Urteil ausdrücklich hätte auseinandersetzen müssen.“

    Insgesamt führen diese Fehler in der Begründung und Wertung zu einem fehlerhaften Strafausspruch, jedoch hat dieses auf die vorangegangenen Feststellungen des LG Leipzig keinen Einfluss. Das neue Tatgericht wird die Sache erneut zu verhandeln und bezüglich der Zurechnung der Faustschläge im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans neue Feststellungen vorzunehmen haben:

    „Weil der Strafausspruch lediglich wegen Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben. Allerdings vermag der Senat – anders als der Generalbundesanwalt – den Gründen des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, dass die beiden Faustschläge, die der Angeklagte H. dem Geschädigten kurz vor Beendigung der Tat versetzte (UA S. 13 f.), noch vom gemeinsamen Tatplan gedeckt waren und der Angeklagten W. deshalb nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können. Hierzu wird das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen vorzunehmen haben. Es ist auch sonst nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.“


  • Der Angeklagte S. wurde vom Landgericht Oldenburg wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt, Angeklagter B zu einer solchen von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

    Weitere Angeklagte wurden zu einer Geldstrafe und zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurden.

    Die Angeklagten S. und B wenden sich gegen das Urteil mit ihrer Sachrüge innerhalb der Revision. Diese haben in der Sache Erfolg und sind gemäß §357 StPO auf weiteren, nicht revidierenden Angeklagten zu erstrecken.

  • Der Angeklagte war vom Landgericht Oldenburg wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in drei Fällen in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in fünf Fällen als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte“ zu einer Gesamtstrafe von 8 Jahren verurteilt. Hinzu hat das Gericht den Verfall (Wertersatz 5000 Euro) angeordnet. Zudem wurde die Einziehung verschiedener Gegenstände und Bargeld vom Gericht vorgenommen.

    Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, über die der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte. Hauptaugenmerk der Revision des Angeklagten war die Strafzumessung des Landgerichts Oldenburg. Dieses hatte im Strafrahmen und bei der Strafzumessung für den Angeklagten nachteilig berücksichtigt, inwiefern das Handeltreiben mit den Drogen vom persönlichen Gewinnstreben getragen wurde und nicht der Finanzierung der eigenen Abhängig diente. Diese gewinnorientierte Motivation des Angeklagten gab nach Feststellung des Gerichts den Ausschlag für das hohe Strafmaß.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 455/09

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Hamburg wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von BtM in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

    Der Entscheidung liegt folgendem Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte begleitete den Mitangeklagten auf dessen Wunsch bei einer Autofahrt von Utrech nach Düsseldorf. Aufgrund der langjährigen Freundschaft zwischen den Beiden erhoffte sich der Mitangeklagte durch die Gesellschaft des Angeklagten bei dieser Fahrt eine gewisse Sicherheit und Unterstützung. Dass der Mitangeklagte tatsächlich 827 Gramm Kokain im Kofferraum zum gewinnbringenden Handeltreiben in Deutschland transportiere, erfuhr der Angeklagte erst nach ca. 30 Minuten Autofahrt. Bei Antritt der Fahrt gab der Mitangeklagte als Ziel der Reise allein eine Feier in Düsseldorf zu dem Zweck „leichte Mädchen“ zu besuchen an, zu denen er den Angeklagten einladen wollte.

    Dabei nahm der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg im späteren Verlauf der Autofahrt den Transport der Drogen, dessen Menge und auch das gewinnorientierte Handeltreiben des Mitangeklagten sowie dessen psychische Beihilfe in Form seiner Anwesendheit billigend in Kauf.

    Der Strafsenat des Bundesgerichtshofs bewertet die reine Anwesendheit des Angeklagten jedoch nicht als ausreichend für die Verwirklichung einer strafbaren Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln an:

    “Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Als der Angeklagte in Utrecht in das Fahrzeug stieg, um den Mitangeklagten nach Düsseldorf zu begleiten, und dadurch objektiv zu einer Steigerung dessen Sicherheitsgefühls während der Fahrt beitrug, hatte er noch keinen Vorsatz, durch seine Präsenz im Fahrzeug den Mitangeklagten bei der Verwirklichung von dessen Betäubungsmittelstraftat zu unterstützen. Allein dass er einen entsprechenden Vorsatz später während der Fahrt aufgrund der erlangten Informationen fasste, begründet seine Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht (BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; BGH NStZ 1983, 452). Eine solche käme vielmehr nur in Betracht, wenn er nach Kenntnis von dem wahren Zweck der Fahrt die weitere Tatbestandsverwirklichung des Mitangeklagten durch ein strafrechtlich relevantes Verhalten gefördert hätte; denn die bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und deren subjektive Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen (BGH NStZ 1993, 233, 385; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 827 f.). An einem solchen Tatbeitrag fehlt es indes.“

    Insbesondere fehlt es an nach Auffassung des Strafsenats an einem aktiven Tun des Angeklagten. Die Tat als solche wird durch sein bloßes „Dabeisein“ weder erleichtert noch gefördert:

    „Ein aktives Tun des Angeklagten zur Unterstützung des Mitangeklagten ist nicht festgestellt. Ein solches liegt nicht allein darin, dass der Angeklagte die Fahrt nach Kenntnisnahme von deren Zweck als Beifahrer fortsetzte. Anders als der ursprünglich nicht eingeweihte Lenker eines Kraftfahrzeuges, der weiterfährt, nachdem er die Vornahme einer strafbaren Handlung in dem Fahrzeug bemerkt hat und diese durch die wahrnehmbare körperliche Tätigkeit der stetigen Einwirkung auf den Antriebs- und Lenkmechanismus des Fahrzeugs fördert (BGH VRS 61, 213 f.), entfaltet der passiv bleibende Beifahrer lediglich durch die weitere Mitfahrt keine vergleichbare Aktivität, die als Unterstützungshandlung durch positives Tun gewertet werden könnte. Zwar ist anerkannt, dass Beihilfe auch durch bloße Anwesenheit im Sinne eines „Dabeiseins“ oder „Zugegenseins“ bei der Haupttat geleistet werden kann, wenn dadurch die Tatbegehung gefördert oder erleichtert wird (offengelassen in BGH StV 1982, 516 f., bejahend BGH StV 1982, 517, 518 jeweils m. Anm. Rudolphi; Weber aaO Rdn. 829). Jedoch setzt jede Beihilfe durch positives Tun – auch die so genannte psychische – einen durch aktives Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus (BGHR § 27 StGB Hilfeleisten 14).“

    Einen derartigen Tatbeitrag hat der Angeklagte jedoch durch seine Anwesendheit nicht geleistet.  Ferner billigte er nicht gegenüber dem Angeklagten ausdrücklich den strafbaren Transport der Drogen. Ein aktives Handeln sowie eine konkludente Billigung liegt nach der Entscheidung des Senats nicht vor. In Betracht kommt lediglich ein Unterlassen des Angeklagten. Allerdings ist dieses nicht strafbar, „weil den Angeklagten keine Garantenpflicht traf, die Betäubungsmitteleinfuhr zu verhindern oder sich von ihr räumlich oder in der Sache zu distanzieren (vgl. BGH StV 1982, 516, 517)“

    Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass die vom BGH festgestellten Umstände bei einer neuen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis und Urteil gelangen könnten. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurückzuverweisen und die Revision gegen das Strafurteil erfolgreich.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 322/09

    Der Angeklagte wurde wegen gemeinschaftlichen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gemeinschaftlicher unerlaubter bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ vom Landgericht Düsseldorf zu einer Gesamtstrafe von 8 Jahren verurteilt.

    Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte im Jahr 2006 anfänglich rund 1 Kilogramm, später 3 KG Marihuana mit gewinnorientierter Motivation nach Deutschland einführte. Der Angeklagte sowie sein Bruder kümmerten sich um die Beschaffung und Verkäufe der Drogen. Der Transport der Betäubungsmittel aus den Niederlanden sowie die Veräußerung selbiger an entsprechende Kunden wurden jeweils von einem anderen Bandenmitglied vorgenommen. Das Landgericht Düsseldorf nahm somit den Bandenhandel mit Betäubungsmitteln an, ohne dabei die einzelnen Teilakte der Einfuhr und des Handeltreibens einzeln zu bewerten und vor dem Hintergrund des Merkmales der gemeinschaftlich begangenen Tat zu berücksichtigen.

    Der 3. Strafsenat hierzu im Wortlaut:

    „Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die jeweils tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat neben der – rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) keinen Bestand. Der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30 a BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (vgl. BGHSt 30, 28, 31 [für das Handeltreiben im allgemeinen]; BGH NStZ 1994, 496; BGH, Beschl. vom 8. November 2006 – 1 StR 506/06 – Rdn. 2; anders [Subsidiarität]: BGHR BtMG § 30 a Bande 8; BGH, Beschl. vom 4. April 2006 – 3 StR 47/06 – Rdn. 1). Insoweit kommt der bandenmäßigen Einfuhr neben dem Bandenhandel keine selbständige rechtliche Bedeutung zu. Der Angeklagte ist deshalb jeweils nur des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig zu sprechen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und dabei auch die unnötige Bezeichnung der Tat als „gemeinschaftlich begangen“ entfallen lassen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 24).“

    Insgesamt führte dies zur Aufhebung des Strafausspruchs und zur Zurückweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 452/09

    Die Angeklagte ist vom Landgericht Düsseldorf wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handel mit diesen Drogen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, über die der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts Düsseldorf erhielt die Angeklagte auf dem Flughafen Montego Bay in Jamaika zwei Bescheinigungen über eingeliefertes Fluggepäck von einem Unbekannten. Die Bescheinigungen bezogen sich auf zwei Koffer Dritter Personen, die bereits für den der Angeklagten Flug über Düsseldorf nach London aufgegeben und bis zum Zielflughafen „durchgecheckt“ waren. Dabei nahm die Angeklagte in Kauf, dass der Inhalt der zwei Koffer auch illegale und für den Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel enthielt. Wie sich später zeigte, waren in den Gepäckstücken insgesamt 30 Kilogramm Marihuana enthalten. Dieses wurde durch eine zollamtliche Kontrolle ohne das Wissen der Angeklagten am Flughafen in Düsseldorf festgestellt, die zur Sicherstellung der Drogen führte.

    Zur Frage der Voraussetzungen einer Beihilfe beim Handel mit Betäubungsmitteln nach dem BtMG führt der 3. Strafsenat des BGH aus:

    „Befördert der Täter während eines Fluges zwischen zwei im Ausland gelegenen Orten, der durch einen Transitaufenthalt in einem deutschen Flughafen unterbrochen wird, Betäubungsmittel in seinem Fluggepäck, so erfüllt dies den Tatbestand der (versuchten) Einfuhr im Sinne der § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG in subjektiver Hinsicht nur, wenn der Täter weiß oder wenigstens damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, er werde das betreffende Gepäckstück während des Zwischenaufenthalts jedenfalls auf Verlangen ohne Schwierigkeiten erhalten (BGHSt 31, 374, 376 ff.; BGH NStZ 2003, 92; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 780). Nimmt er dagegen eine solche tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel während der Flugunterbrechung in Deutschland nicht spätestens im Zeitpunkt der Landung (vgl. BGH, Beschl. vom 4. März 1994 – 2 StR 49/94) in seinen Vorsatz auf, so begeht er lediglich eine (versuchte) Durchfuhr nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 BtMG.“

    Das Landgericht Düsseldorf ist in den Urteilsfeststellungen davon ausgegangen, dass der Angeklagten der mögliche Zugriff auf die zwei in Rede stehenden Gepäckstücke und den damit einhergehenden strafrechtlichen Konsequenzen bewusst gewesen ist. Der BGH sieht dies jedoch anders und gelangt unter Berücksichtung des Einzelfalls und aller Umstände zu einem abweichenden Ergebnis:

    „Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Es hat festgestellt, dass der Angeklagten bereits bei Antritt des Fluges bewusst war, sie werde mit den ihr übergebenen Gepäckabschnitten während des – mindestens dreistündigen – Zwischenaufenthalts in Düsseldorf Zugriff auf die beiden Koffer haben. Indes fehlt es an einer diese Feststellung tragenden Beweiswürdigung. Worauf der Schluss auf die Vorstellungen der Angeklagten insoweit beruht, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Die Kenntnis von den Möglichkeiten, bei einem Transit an das Fluggepäck zu gelangen, versteht sich auch bei einem erfahrenen Flugreisenden nicht von selbst, sondern bedarf der Feststellung auf Grund einer fehlerfreien Würdigung aller Umstände des Einzelfalles (BGH NStZ 2003, 92; StV 1987, 105; Weber aaO).“

    Die weiteren Feststellungen des LG Düsseldorf bezüglich der Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter Durchfuhr von Betäubungsmittel in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit eben solchen in nicht geringer Menge sind nicht von diesem Rechtsfehler erfasst und bleiben daher unberührt.

    Der Senat ändert jedoch den Schuldspruch ab, was zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch führt. Die Revision war insoweit erfolgreich.

  • 2. Strafsenat des BGH, Az. 2 StR 329/09

    Die Angeklagte war vom LG Aachen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handelstreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge gem. § 29, § 29a BtMG (Drogenhandel) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Deren Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt.

    Gegen das Urteil wandte sich die Angeklagte mit dem Rechtsmittel Revision.
    Die auf die Verletzung des formellen und materiellen Rechts gestützte Sachrüge hatte nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in der Sache Erfolg.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Strafverteidiger)

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