Strafrecht Blog

  • Der Angeklagte war wegen Dienstahls verurteilt worden und wendet sich in der Revision mit seiner Sachrüge gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer. Diese hatte den Angeklagten unter anderem aufgrund einer Zeugenaussage nach wiederholtem Wiederkennen verurteilt. Seitens der Strafkammer wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass die Zeugin bei der Täteridentifizierung Unsicherheiten aufzeigte und in der Hauptverhandlung auch geäußert hatte, dass sie sich nicht ganz sicher sei, ob der Angeklagte der Täter wäre.

  • 5. Strafsenat des BGH, Az. 5 StR 242/09

    Der Angeklagte war vom Landgericht (LG) Hamburg wegen Beihilfe zum unerlaubten Handelstreiben mit Betäubungsmitteln (Btm) in nicht geringer Menge in insgesamt fünf Fällen zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das LG Hamburg den Verfall von 2350 Euro auf Seiten des Angeklagten angeordnet.

    In seiner Revision, mit welcher der Angeklagte ausschließlich die Verfallsanordnung angreift, hatte der Angeklagte nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen wesentlichen Erfolg.

    Das LG hatte in seinen Feststellungen angenommen, dass der Angeklagte 200gramm Crack im Auftrag des Mitangeklagten einer anderen Person übergab und im Gegenzug 2200 Euro hierfür erhielt. Von dieser Summe nahm sich der Angeklagte 50 Euro und leitete den Rest an den Mitangeklagten weiter.

    Das Gericht erklärte anschließend diesen Betrag für verfallen und begründete dieses mit §73 c StGB, wonach das LG von seinem Ermessen gebraucht mache, von der Anordnung des Verfalls nicht abzusehen.

    Der 5. Strafsenat des BGH führt hierzu aus:

    “Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Der kurzfristige Besitz des Gehilfen, der das Entgelt aus dem Rauschgiftgeschäft unverzüglich an den Verkäufer weiterleiten soll, reicht grundsätzlich nicht aus, um das Geld als an ihn zugeflossen anzusehen (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 366). Er erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den Besitz nur „gelegentlich“ seiner Tat (Fischer, StGB 56. Aufl. § 73 Rdn. 13) und übt ihn von Anfang an nur für den Verkäufer aus, an den er den Erlös absprachegemäß übergeben will (vgl. Winkler NStZ 2003, 247, 250). Die fehlende Tatherrschaft über die Geschäftsabwicklung unterscheidet ihn von einem Zwischenhändler, der mit dem Verkaufserlös seinerseits seinen Lieferanten bezahlt (vgl. BGHSt 51, 65, 68 Tz. 14 f.). Die Verfallsanordnung des Landgerichts war deshalb dahingehend zu korrigieren, dass nur das, was der Angeklagte als Lohn für seine Gehilfentätigkeit erhalten hat (viermal 50 €), dem Verfall unterliegt.“

    Demgemäß unterliegt nur der durch die Geschäftsabwicklung eingestrichene Lohn in Höhe von 200 Euro dem Verfall. Das Urteil ist bezüglich der Verfallsanordnung somit dahingehend zu korrigieren, dass der Verfall in Höhe von 200 Euro statt der vom LG Hamburg angenommenen 2350 Euro anzuordnen ist. Das Urteil ist daher auf diese Weise abzuändern.

  • Der Angeklagte ist wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge vom Landgericht Aachen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Zusätzlich wurde die Unterbringung des Angeklagten in eine Erziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte in seiner Revision, die sich auf eine allgemeine Sachrüge stützt und sich gegen die Versagung der Bewährung durch das LG Aachen richtet.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Revision statt. Nach Auffassung des 2. Strafsenats hält die Versagung der Bewährung durch das LG der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

  • OLG München Az. 5 St RR 101/09

    Der Angeklagte war vom AG München wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Die Berufung gegen das Urteil blieb erfolglos. Nun rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts mit seiner Revision am OLG München.
    Im Zentrum der Sachrüge steht die Frage, ob der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem AG München „nicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet hatte (§302 Abs. 1 StPO)“.

    Im Wege der Klärung der Zulässigkeit der Sachrüge hat das Revisionsgericht von Amts wegen die Prüfung von Prozessvoraussetzungen und Verfahrensfehlern wie beispielsweise die Zulässigkeit der Berufung zu vollziehen. Eine solche erfolgt im Freibeweis, „sofern nicht die Beweiskraft des Protokolls (§274 StPO) entgegensteht“. Der Rechtsmittelverzicht genießt die Beweiskraft nach §274 StPO, sofern er nach der Urteilsverkündung erklärt und nach §273 Abs. 3 S. 3 StPO beurkundet worden ist.

    Wird das Protokoll nachträglich durch beide Urkundspersonen übereinstimmend berichtigt oder für unrichtig erklärt, verliert es an Beweiskraft. Aber auch eine andere Konstellation ist nach Ansicht des Senats denkbar.

    Wortlaut des Beschlusses des OLG München:

    „In der Rspr. ist anerkannt, dass – auch ohne Protokollberichtigung – die Beweiskraft des Protokolls entfällt, wenn sich eine Urkundsperson nachträglich vom Protokoll distanziert und sich dies zugunsten des Angeklagten auswirkt (BGHSt 51, 298, 308 m.w.N, BGH NStZ-RR 2006, 112, 115; BayObLGSt 1973, 200, 2001).“

    Der dienstlichen Stellungnahme des Amtsrichters ist zu entnehmen gewesen: „Ich meine mich zu erinnern, dass ein Rechtsmittelverzicht nicht erfolgt ist, bin mir jedoch nach so langer Zeit nicht mehr sicher“. Dieser Äußerung ist zu entnehmen, dass der Amtsrichter nicht mehr davon überzeugt sei, dass der im Protokoll festgehaltene Rechtsmittelverzicht stattgefunden hat.

    Die distanzierende dienstlichen Erklärung des zuständigen Amtsrichters der Hauptverhandlung vor dem AG München als eine der Urkundspersonen führt dazu, dass der Senat in dem Freibeweisverfahren über die hier vorliegende Frage zur Erklärung des Rechtsmittelsverzichtes zu entscheiden hat. Da es sich hierbei nicht um den Beweis gegen die Richtigkeit des Protokolls handelt, sondern vielmehr nur um die nachträgliche dienstliche Äußerung des Amtsrichters, entfallen die Voraussetzungen der Beweisregeln im Sinne des §274 StPO.

    Vor dem Hintergrund der dienstlichen Äußerung des Amtsrichters „sowie der vom Revisionsgericht eingeholten Stellungnahme des Sitzungsstaatsanwaltes, der ebenfalls meint sich zu erinnern, dass weder vom Angeklagten noch vom Verteidiger ein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde“, erscheint es nach Auffassung des Senats als wahrscheinlich, dass kein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde. Demnach gehen alle Prozessbeteiligten grundsätzlich davon aus, dass kein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde.

    Folglich hätte das Berufungsgericht die Berufung des Angeklagten nicht ohne Sachprüfung als unzulässig zurückweisen dürfen. Die Revision hatte in insoweit Erfolg.

  • Am 2.März 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die derzeitige Ausgestaltung des so genannter „Vorratsdatenspeicherung“, also die Speicherung der Telekommunikationsdaten der Bürger zur Gefahrenabwehr  für verfassungswidrig. Weitere Informationen zu dem Urteil finden Sie in dieser News.

    Wortlaut aus dem Urteil:

    „Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrnehmung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammensätzen einsetzen muss.“

    Bundesverfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier in der Urteilsbegründung zu Vorratsdatenspeicherung in Karlsruhe.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 458/09

    Der Angeklagte war wegen unerlaubten Handelstreibens nach dem BtMG und tateinheitlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln (Drogen) in nicht geringer Menge in 11 Fällen, davon in 9 Fällen tateinheitlich mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vom Landgericht Duisburg unter Hinzuziehung zweier früherer Entscheidungen zu einer einheitlichen Jugendstrafe von 6 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden.

    Die hiergegen gerichtete Revision mit einer allgemeinen Sachbeschwerde hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) teilweise Erfolg.

    Der BGH begründet den Teilerfolg damit, dass die Verurteilung in den Fällen der Einfuhr der Betäubungsmittel aufgehoben und das Verfahren eingestellt werden muss, weil diesbezüglich ein Strafklageverbrauch eingetreten sei.

    Nach den Feststellungen des Senats organisierte der Angeklagte mit Hilfe eines Mitangeklagten die Einfuhr von ca. 20kg Marihuana im Kofferraum des durch den Mitangeklagten gesteuerten Fahrzeugs. Der Angeklagte selber hatte den Transport organisiert, begleitete diesen jedoch in einem anderen Fahrzeug und überschritt zuerst und kurz vor der eigentlichen Lieferung die Grenze nach Deutschland. Bei den hierbei durchgeführten Grenzkontrollen wurden einige „Joints“ beim Angeklagten gefunden und sichergestellt. Einen Zusammenhang zum später kontrollierten und festgenommenen Mitangeklagten konnten die Strafverfolgungsbehörden zu diesem Zeitpunkt nicht feststellen.

    Das AG Duisburg verurteile sodann den Angeklagten am 25.03.2008 aufgrund der mitgeführten „Joints“ wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu einer Jugendstrafe.

    Aufgrund dieses rechtskräftig gewordenen Urteils ist die Strafklage verbraucht und der Angeklagte kann nicht aufgrund einer später bekannt gewordenen Tatmodalität wegen derselben Handlung erneut verurteilt werden. Die Verurteilung durch das AG Duisburg „erstreckt sich auch auf die im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht bekannt gewesene, durch dieselbe Handlung begangene Einfuhr der weiteren Betäubungsmittel“.

    Demgemäß ist das Strafurteil bezüglich dieses Teils aufzuheben und die Revision der Verteidigung war erfolgreich.

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit der Revision des Beschwerdeführers zu beschäftigen, mit welcher er rügt, dass die die Strafkammer seine Hilfsbeweisanträge nicht mehr beschieden hat, da sie nicht fristgerecht erhoben worden seien.

    Im konkreten Fall hatte die Strafkammer des Landgerichts Bochum dem damals wegen diverser Betrugsfälle und einer Urkundenfälschung Angeklagten durch einen am 14.05.2008 in der Hauptverhandlung ergangenen Gerichtsbeschluss eine abschließende Frist zur Stellungnahme weiterer Beweisanträge bis zum 28.05.2009 gesetzt.

    Dieses hält der Auffassung des. 1. Senats des BGH einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

  • 1. Strafsenat des BGH, Az. 1 StR 218/09

    Die Angeklagten worden vom Landgericht Landshut wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren  bzw. wegen sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wanden sich beide Angeklagte mit ihrer Revision, über die der Bundesgerichtshof (BGH) nun zu entscheiden hatte.

    Während der Hauptverhandlung hatten beide Angeklagten beantragt, den Vater der Betroffenen als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu hören, dass er von der  Mutter gegen 5:03 Uhr zu seiner Arbeitsstelle gefahren worden sei und sie daher nicht zu diesem Zeitpunkt am heimischen PC gewesen sein könne.

    Das Landgericht lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, dieses Beweismittel sei völlig ungeeignet, und führte dazu aus: Es widerspreche „der gesicherten Lebenserfahrung, dass der Zeuge im Hinblick auf den langen Zeitablauf und das Fehlen einer früheren Vernehmung noch eine Erinnerung an die präzise zeitliche Einordnung der in sein Wissen gestellten Tatsachen haben könnte“.

    In der Revision rügen Beide über Ihre Strafverteidiger daher einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO – mit Erfolg: Nach Auffassung des 1. Strafsenats durfte das LG Landshut mit dieser Begründung die Beweisanträge nicht ablehnen.

    So heißt es im Wortlaut des Beschlusses:

    „Als völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel nur dann einzustufen, wenn das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis sagen kann, dass sich mit diesem Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht wird erzielen lassen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 12 und 15). Die absolute Untauglichkeit muss sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Bei der Annahme, die Erhebung eines Beweises erscheine von vornherein gänzlich nutzlos, ist ein strenger Maßstab anzulegen.“

    Des Weiteren trifft dieses nur dann zu, wenn Umstände vorliegen, welche eindeutig dagegen sprechen, dass der Zeuge bei seiner Aussage vor Gericht etwas zur Sachaufklärung beitragen könnte. Entscheidend ist hier, ob der Vorgang für den Zeugen bedeutsam gewesen ist oder er sich lediglich auf Erinnerungshilfen stützen kann. Sollte bei dieser Prüfung nur ein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert herauskommen, darf dieser dennoch nicht von vornherein als völlig ungeeignet angesehen werden.

    Angesichts dieser Grundsätze gebietet die Annahme des Gerichts, der benannte Zeuge könne sich nicht mehr genau erinnern an den Vorgang, keine ausreichende Grundlage zur Ablehnung des Beweismittels und insbesondere der Begründung des Beweismittels als „völlig ungeeignet“.

    Im vorliegenden Fall lag die Tag zum Zeitpunkt der Verhandlung lediglich rund 8 Monate zurück, so dass die Zeitspanne nicht derart lang ist, als dass die Erinnerungen des Zeugen als von vornherein als ausgeschlossen anzusehen wäre. Zudem hatte der Ehemann an diesem Tag Geburtstag, was auch die Mutter bei ihrer Zeugenaussage als Erinnerungsbrücke angab. Des Weiteren ist es auch möglich, den Fahrtenschreiber des Ehemannes auszulesen und so die Erinnerungen aufzufrischen.

    Anbetracht dessen ist die Ablehnung des Beweisantrages als „völig ungeeignet“ rechtswidrig

    Es ist daher nicht auszuschließen, dass von diesen Festestellungen ausgehend die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin bei ordnungsgemäßer Beweisaufnahme anders beurteilt hätte werden können und dies insgesamt zu einem für den Angeklagten günstigeren Schuldspruch oder zu einer Freisprechung geführt hätte. Aus diesem Grund kann das Urteil auf diesen Verfahrensfehler beruhen. Der Revision war daher erfolgreich  und das Verfahren zwecks erneuter Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

  • Wiederaufnahme
    von Dr. Böttner, Strafverteidiger aus Hamburg

    Die Arbeitsgruppe 6 warf einen Blick auf das (bisher zu wenig genutzte) Instrument der Wiederaufnahme in Strafsachen. Trotz der nicht ganz unbeachtlichen Funktion dieses Rechtbehelfs findet die Wiederaufnahme in der Praxis zu wenig Aufmerksamkeit. Dem gilt es langfristig entgegenzuwirken und bereits im frühen Stadium der Juristenausbildung durch eine gezielte Ausbildung und Beschäftigung mit dem Thema für weitere Grundlagen zu sorgen.

    Wichtig für ein rechtsstaatliches Verfahren: Der Verurteile muss auch nach seiner Verurteilung die Chance und Möglichkeit haben, asservierte Spuren bei der Kriminalpolizei oder bei der Staatsanwaltschaft fachkundig untersuchen zu lassen. Vorraussetzung hierfür ist, dass die neuen Tatsachen zu einer Erschütterung der Urteilsgründe führten könnten und die neuen Tatsachen und Beweise somit von einer hohen Relevanz für das (abgeschlossene) Verfahren als solches, aber auch seiner persönlichen Verurteilung sind.

    Dass ein solches Verfahren in ähnlicher Form zu Erfolg führen kann für den unschuldig Verurteilten, zeigten bereits die in den USA angewandten „Innocence-Projects“, in dessen Rahmen 220 rechtskräftig verurteilte Straftäter aufgrund der neuen Erkenntnisse freigelassen worden sind.

    Die Arbeitsgruppe begrüßt ein solches Projekt und empfiehlt die Einführung eines vergleichbaren Projekts in Deutschland. In Zusammenarbeit mit einer Stiftung oder einem Lehrstuhl an einer Universität könnte somit eine neue Plattform erschaffen werden, die Kontakte zu Sachverständigen zu knüpfen ermöglicht und dem Verurteilten und dessen (früheren) Strafverteidiger bei den neuen Schritten zum Wiederaufnahmeverfahren begleitet.

    Ferner ist nach Auffassung der Teilnehmer der AG dem Verurteilten bei einer möglichen Wiederaufnahme nach §§ 359 Zif. 2 und 3 StPO und § 364 StPO des Verfahrens das Beteiligungsrecht als Nebenkläger einzuräumen.  Auch soll ein Wiederaufnahmegrund bei einer Beteiligung des (früheren) Strafverteidigers an einem prozessordnungswidrigen „Deal“ ohne Veranlassung durch den Verurteilten eingeräumt werden.

    Die AG macht allerdings auch deutlich, dass eine effektive Verteidigung in Wiederaufnahmesachen auch eine angemessene Honorierung erfordert. Hier sollten die geltenden Vorschriften des RGV entsprechend angepasst werden.

    Zudem sollten vor allem vor dem Hintergrund des Informationsbedürfnisses der Beteiligten die technischen Möglichkeiten eines Inhaltsprotokolls in der Hauptverhandlung eingesetzt werden.

    Zum Schluss stellen die Teilnehmer der Arbeitsgruppe abschließend fest, dass eine Verkürzung der Rechtskraft bei unschuldig Verurteilten unangemessen und so der Rechtsfrieden gestört ist.


  • (Mehr) Transparenz im Strafverfahren
    von Dr. Böttner, Strafverteidiger aus Hamburg

    In der 5. AG des 34. Strafverteidiger-Tage in Hamburg wurde sich primär mit dem Gesetzentwurf des Strafrechtsausschusses der BRAK zur Verbesserung der Wahrheitsfindung im Strafverfahren vom 18.02.2010 auseinandergesetzt, der den verstärkten Einsatz von Bild-Ton-Technik mit sich bringt. Doch ist die Videoaufzeichnung ein sinnvoller und vor allem zeitgemäßer Schritt zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder führen solche Methoden der Videovernehmung zu einer Totalüberwachung?

    Für die Polizeibehörde bedeutet die Videovernehmung eine neue Art der Kontrolle, die sich der vernehmende Polizeibeamte im späteren Verfahren ausgesetzt sehen könnte und eine konkrete Überprüfung der Vernehmung und dessen rechtstaatlicher Durchführung ermöglicht. Diese hat auch für einen bewusst täuschenden oder lügenden Vernehmungsbeamten Folgen.

    Anders sehen es jedoch die Teilnehmer der AG. Die Überprüfung der Glaubwürdigkeit einer Aussage und insbesondere eines Geständnisses bedeutet für den Strafverteidiger, sich zwar auf der einen Seite über Risikofaktoren und Begleitumstände zu informieren und auch sein persönliches Geschick zu nutzen, jedoch ist die Verwendung von authentischen Protokollen unabdingbar. Der Einsatz von Videovernehmungen erschafft darüber hinaus nicht nur ein solches Wortprotokoll, sondern bietet deutlich mehr Platz für die Überprüfung des tatsächlichen Ablaufes der Vernehmung.

    Aus diesem Grund begrüßen die Teilnehmer der AG den BRAK-Entwurf zur Videodokumentation und führen noch einige Ergänzungen an:

    Das Video als Protokollbefehl sollte nach Vorstellung der Teilnehmer nach jedem Hauptverhandlungstag zu den Akten genommen werden. Zusätzlich müsste das Video noch in der laufenden Hauptverhandlung gemäß §147 StPO für die Verteidigung einsehbar sein, so dass weitere Unklarheiten in der Beweisaufnahme und sonstige fehlerhafte Abläufe aufgeklärt werden könnten. Hierzu weisen die Teilnehmer der 5. AG darauf hin, dass eine Videoaufnahme der Hauptverhandlung – wie sich in anderen Rechtskreisen bereits zeigte – einen „gewissen Disziplinareffekt auf die Verfahrensbeteiligten“ hat.

    Des Weiteren bietet die Videodokumentation auch die nahe liegende Erweiterungsmöglichkeit, sich auch auf das Ermittlungsverfahren auszudehnen und beispielsweise bei Beschuldigtenvernehmungen durch die Videoaufzeichnung Manipulationen und Fehler aufzuzeigen, jedenfalls durch diese Kontrolle zu minimieren.

    Interessant ist ferner, inwiefern der Einsatz von Videoaufzeichnungen das Aussageverhalten der Beschuldigten verändert und dieser durch eine solche technische Kontrolle einer (auch subjektiv empfundenen) anderen Situation ausgesetzt wird. Empirische Studien und eine wissenschaftliche Begleitung über das eventuell geänderte Aussageverhalten sind wünschenswert.

    Allerdings kritisieren die Teilnehmer der 5. AG, dass der neue Entwurf zur Videodokumentation in § 136 StPO nF nicht die Belehrungspflicht über die Videovernehmung vorsieht. Es wird aufgrund der eventuell bedeutsamen Rolle der Videoaufzeichnung für das spätere Verfahren eine zwingende Verteidigerbeiordnung bei der geplanten Videovernehmung des Beschuldigten gefordert, um bei dem Beschuldigten zu keinem (späteren) Nachteil zu sorgen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Strafverteidiger)

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