Strafrechtliche Einordnung des Kannibalen-„Mords“

Mord, Totschlag oder Tötung auf Verlangen? Welche Straftat liegt vor, wenn der Geschädigte die Tötung und Verspeisung wünscht? Stimmt das „Opfer“ einer möglichen Straftat zu, geht der Täter grundsätzlich straffrei aus. Ein typischer Fall einer Einwilligung ist beispielsweise die Zustimmung zu einer Operation bei einem Arzt oder aber auch die Teilnahme an einem Boxkampf. Diese Einwilligung kennt jedoch Grenzen.

Im konkreten Fall wird einem Polizisten vorgeworfen, eine Internetbekanntschaft getötet, zerstückelt und anschließend verspeist zu haben. Gefunden haben sollen sich der mutmaßliche Täter und der Geschädigte in einem Kannibalen-Forum. Der Beschuldigte gesteht die Tat und gab bei der Vernehmung an, der Geschädigte habe die Tötung gewünscht. Dass der Tote bereits seit seiner Jugend die Fantasie getötet und verspeist zu werden hatte, bestätigten mehrere Zeugen aus seinem Umfeld.

Einwilligung zur Tötung

Dieser Umstand ist für die rechtliche Einordnung bedeutend. Die strafbefreiende Einwilligung wirkt hier jedoch nicht. Einerseits ist bereits der freie Wille des Getöteten fraglich, andererseits könnte auch der Verstoß gegen die guten Sitten dagegen sprechen. Demnach ist die Einwilligung in einer Tötung nicht möglich nach dem Rechtsgedanken des § 228 StGB.
Grundsätzlich kann somit eine Bestrafung wegen Totschlags (§ 212 StGB), Mordes (§ 211 StGB) oder Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) erfolgen.

Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB)

Die Tötung auf Verlangen setzt ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen voraus. Damit ist nach der Rechtsprechung eine höhere Stufe als die Einwilligung gemeint (BGH, Urteil vom 22. April 2005, Az.: 2 StR 310/04). Darüber hinaus liegt bei dem Wunsch getötet und verspeist zu werden der Verdacht nahe, dass es sich um ein psychisch krankes Opfer handelt und es daher an der Ernstlichkeit fehlt.

Irrtum nach § 16 Abs. 2 StGB?

Möglicherweise konnte der Beschuldigte jedoch irrig davon ausgehen, dass er lediglich die Tötung auf Verlangen begeht. Gemäß § 16 Abs. 2 StGB erfolgt in diesen Fällen lediglich eine Bestrafung aus dem milderen Gesetz. In ähnlichen Fällen urteilten die Gerichte jedoch dahingehend, dass die Einwilligung nicht in qualifizierter Form kausal für die Handlung gewesen wäre. Hier müsste somit im konkreten Fall die Motivlage des Beschuldigten erforscht werden. Was genau trieb ihn zur Handlung und wie weit hielt er es für möglich, dass er doch einen Totschlag oder Mord begeht?

Mord (§ 211 StGB)

Liegt kein Irrtum vor, droht eine Verurteilung wegen Totschlags oder Mords. Als Mordmerkmale kommen hier vor allem „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ und „um eine andere Straftat zu ermöglichen“ in Frage. Als Straftat käme die Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) in Betracht. Der BGH nimmt bei kannibalistischen Handlungen den Straftatbestand des § 168 StGB an, da es den Menschen auf eine Stufe mit einem Nutztier stellt. Auch eine mögliche Einwilligung des Getöteten ändert daran nichts, da der § 168 StGB auch das Pietätsempfinden der Allgemeinheit schützt und daher der Einzelne nicht vollumfänglich über das Schutzgut verfügen kann.
Der Beschuldigte bestreitet jedoch im konkreten Fall ein sexuelles oder kannibalistisches Motiv. Das Mordmotiv müssen die Ermittlungsbehörden aber nachweisen. Dies ist aber vor allem bei Motiven, die lediglich im Kopf des Täters vorhanden waren, äußerst schwierig. Auch in diesen Fällen kommt es dann ausschlaggebend auf die Einlassung des Beschuldigten an.

Totschlag (§ 212 StGB)

Liegen keine Mordmerkmale vor, bleibt lediglich die Strafbarkeit wegen Totschlags übrig. Wie bereits erläutert, kann die Einwilligung nicht zur Straffreiheit führen. Jedoch ist diese Einwilligung ein maßgeblicher Punkt in der Strafzumessung.
Möglicherweise kann dies sogar zu einem minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB führen. In diesem Fall droht dann lediglich eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren. Hier ist es vor allem Aufgabe eines guten Strafverteidigers, dem Gericht die Umstände deutlich zu machen, die für einen minder schweren Fall sprechen.

Fazit und ein juristischer Ausblick

Eine Tötung nach einer Einwilligung, möglicherweise sogar mit der Absicht den Getöteten anschließend zu verspeisen, ist ein strafrechtlich umfangreiches Problemfeld. Problematisch ist auch, dass es zu diesen Fällen wenig Urteile gibt. Das wohl prominenteste Urteil ist im Kannibalenmord von Rotenburg ergangen.
Ein verfassungsrechtliches Problem entsteht darüber hinaus in den Fällen, in denen ein Mordmerkmal bejaht wird. Der § 211 StGB hat eine absolute Strafandrohung, dies bedeutet, dass zwingend eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ausgesprochen werden muss. Einen minder schweren Fall des Mordes gibt es nach dem Gesetz nicht.
Daher bedarf der Tatbestandes des Mordes eine verfassungskonforme Auslegung (BVerfG, Urteil vom 21. Juni 1977, Az.: 1 BvL 14/76). In der Wissenschaft, und für den Heimtücketatbestand auch in der Rechtsprechung, wurden unterschiedliche Lösungen entwickelt. Durchgesetzt hat sich bisher keine, wobei der BGH wohl weiterhin zu einer Rechtsfolgenlösung neigt. Spannend bleibt somit, wie der BGH die lebenslange Freiheitsstrafe umgehen würde, wenn zwar ein Mordmotiv vorliegt, jedoch gleichzeitig eine freie und selbstbestimmte Einwilligung des Geschädigten vorhanden ist. Vielleicht bietet dieser konkrete neue Fall eine Möglichkeit, diese Frage höchstgerichtlich klären zu lassen.

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