Strafverteidigung

  • Besteht die Tat aus mehreren Einzelakten, so reicht es aus, dass die Waffe bei einem Einzelakt geführt wird.

    Der Angeklagte wurden wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt. Der Angeklagte handelte nach den Feststellungen des Landgerichts Mühlhausen in seinem Wohnzimmer mit Drogen. Dabei befand sich im gleichen Zimmer in einem Hängeschrank eine geladene Schrotflinte. Die Drogen wurden dagegen etwa 20 bis 25 Meter entfernt im Garten des Angeklagten gelagert. Die Revision des Angeklagten wehrte sich gegen die Verurteilung.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte jedoch die Einordnung des Tathergangs als bewaffnete Begehung. Denn es reicht für das Bei-sich-führen aus, dass sich die Waffe in Griffweite befinde. Sie müße jedoch nicht am eigenen Körper getragen werden. Auch sei es unerheblich, dass er im Wohnzimmer immer lediglich mit geringen Mengen an Drogen handelte. Denn es reiche aus, dass der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklich werde. Dabei ist es nicht relevant, dass die nicht unerhebliche Menge an Drogen an einem Ort gelagert wurde, bei der der Täter keinen unmittelbaren Zugriff auf die Waffe mehr hatte. Der BGH begründet dies mit dem Schutzzweck der Norm:

    „Grund für die erhöhte Strafandrohung ist die besondere Gefährlichkeit von Delikten der Betäubungsmittelkriminalität, bei denen der Täter eine Waffe bei sich führt. Bei Drogengeschäften, die sich auf eine nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln beziehen, ist stets damit zu rechnen, dass ein bewaffneter Täter seine Interessen, insbesondere an der Besitzerhaltung oder an dem Erwerb von Drogen oder Geld rücksichtslos durchsetzt, indem er von der Waffe Gebrauch macht“

    Aus diesem Grund hatte der Angeklagte mit seiner Revision keinen Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012, Az.: 2 StR 205/12


  • Vor acht Jahren kam ein Afrikaner in einer Dessauer Arrestzelle um sein Leben. Der Mann soll in der Zelle mit einem Feuerzeug eine Matratze entzündet haben und das, obwohl er an Armen und Beinen gefesselt war.
    Im Dezember 2008 wurde der Angeklagte vom Landgericht Dessau vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch auf und so wurde vor dem Landgericht Magdeburg erneut verhandelt. Die Anklage lautete zum Beginn des Verfahrens noch auf Körperverletzung mit Todesfolge, dieser Verdacht erhärtete sich im Prozess jedoch nicht.

    Konkret vorgeworfen wurde dem damaligen Dienstgruppenleiter, dass er den Feueralarm ausgeschaltet hatte, ohne in die Zelle vorher zu schauen. Die Nebenklage bezweifelte darüber hinaus, dass der eingesperrte Mann noch in der Lage war, selbst das Feuer zu legen. Für diese Theorie fand die Staatsanwaltschaft jedoch keine weiteren Anhaltspunkte. Ferner kam es dem Angeklagten zu Gute, dass er selbst beim pflichtgemäßen Handeln den Mann nicht mehr hätte retten können.
    Die Anklage plädierte auf eine Geldstrafe in Höhe von 6.300 Euro. Die Strafverteidigung sah dagegen eine Verkettung unglücklicher Umstände und einen Unglücksfall. Sie forderte für ihren Mandanten einen Freispruch. Das Landgericht Magdeburg verurteilte den Polizisten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro.


  • Weiß der Täter nichts von den Umständen, aufgrund derer die Geschädigte in eine hilflose Lage geraten ist, handelt er ohne Vorsatz.

    Das Landgericht Essen verurteilte den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.

    Die Geschädigte wurde von einem gesondert Verfolgten aus ihrer polnischen Heimat nach Deutschland gelockt. Er versprach ihr in Deutschland gut entlohnte Arbeitsmöglichkeiten. Tatsächlich musste die Frau jedoch im Haushalt der Familie aushelfen. Dabei soll der gesondert Verfolgte die Frau mehrfach vergewaltigt haben.

    Der Angeklagte lernte die Frau bei einem Besuch der Familie kennen. Dabei konnte das Landgericht jedoch nicht feststellen, dass der Angeklagte von den vorherigen sexuellen Übergriffen und Drohungen wusste.

    Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte lockten die Geschädigte in die Wohnung des Angeklagten. Dort gaben sie der Frau eine Marihuana-Zigarette, um später mit ihr den Geschlechtsverkehr durchzuführen. Obwohl sie auch anschließend erklärte, dass sie das nicht wolle, führten beide Männer gleichzeitig den Geschlechtsverkehr mit ihr durch. Die Frau wehrte sich nach ihrer anfänglichen Weigerung nicht weiter. Sie hielt es aufgrund ihrer Ortsunkundigkeit, der Anonymität in dem großen Wohnblock, ihrer herabgesetzten körperlichen Funktionstätigkeit und ihrer fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache für sinnlos, sich weiter zu wehren.

    Die Strafverteidigung wehrt sich mit der Revision gegen die Verurteilung wegen Vergewaltigung. Das Landgericht nahm an, dass sich die Frau in einer objektiv schutzlosen Lage befunden hätte, da sie keine effektiven Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten besaß. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jedoch bezüglich des Vorsatzes des Angeklagten erhebliche Bedenken:

  • Stimmen Spuren bei einer DNA-Reihenuntersuchung teilweise überein, dürfen die Behörden die Ermittlungen nicht auf den Verwandtenkreis ausweiten

    Nach einer Vergewaltigung einer 27-Jährigen führten die Ermittler eine molekulargenetische Reihenuntersuchung im Sinne des § 81h StPO durch. Ungefähr 2400 Männer gaben freiwillig DNA-Proben ab. Darunter auch der Vater und Onkel des späteren Angeklagten. Diese DNA-Proben zeigten einige Übereinstimmungen mit der Tatspur, stimmte jedoch nicht vollständig überein. Aufgrund dieses Fundes wussten die Ermittler, dass es ein Verwandter der beiden Männer sein könnte. Daraufhin wurde der jugendliche Angeklagte ermittelt, zwangsweise eine DNA-Entnahme angeordnet und später vom Landgericht Osnabrück wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt.

    Die Revision des Angeklagten richtet sich nun gegen dieses Vorgehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem mutmaßlichen Täter und den freiwilligen Spendern nicht als verdachtsbegründend gegen den Angeklagten verwendet werden durfte. Denn der § 81h Abs. 1 StPO erlaubt den Abgleich nur soweit, wie es für die Feststellung erforderlich ist, ob die Spende mit der Tatspur identisch ist. Die anschließende Anordnung, dass der nun Angeklagte seine DNA abgeben musste, war demnach rechtswidrig, weil sie sich auf den Verdacht durch die DNA-Spur der Verwandten stütze.

    In diesem konkreten Fall führt dies aber nicht zu einem Verwertungsverbot. Der Umgang mit sogenannten Beinahtreffern war rechtlich bisher ungeklärt. Daher haben die Ermittlungsbehörden die Gesetze nicht willkürlich missachtet. Aus diesem Grund wiegt der Verstoß nicht so schwer, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung zurücktreten muss.

    Damit untersagt der BGH zwar grundsätzlich das Verwenden von Beinahtreffern zur Ermittelung des Täters in der Verwandtschaft. In diesem konkreten Fall führt das Vorgehen aber ausnahmsweise nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

    BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012, Az.: 3 StR 117/12


  • Verfahrensfremde Untersuchungshaft ist auch dann anzurechnen, wenn auch nur potentielle Gesamtstrafenfähigkeit besteht.

    Der Angeklagte befand sich aufgrund des aktuellen Verfahrens seit dem 01.01.2012 in Untersuchungshaft. Der Angeklagte saß bereits zwischen dem 09.06.2008 und 11.12.2008 und dem 29.07.2009 und 11.09.2009 ebenfalls wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Untersuchungshaft. Von diesen zwei Taten wurde der Angeklagte jedoch rechtskräftig freigesprochen.

    Die Strafverteidigung wehrt sich nun vor dem Oberlandesgericht Naumburg (OLG Naumburg) gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft. Denn dem Angeklagten drohe lediglich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, dabei befindet er sich, unter hinzuziehen der beiden anderen Untersuchungshaftzeiträumen, bereits seit 16 Monaten in Untersuchungshaft.

    Das OLG Naumburg hält die Beschwerde der Strafverteidigung für berechtigt. Denn wäre der Angeklagte nicht freigesprochen worden, dann hätte man nun eine Gesamtstrafe gebildet, auf der die Untersuchungshaft anzurechnen gewesen sein wäre.

    „Wäre der Angeklagte für jene Taten verurteilt worden, wäre aus den dann verhängten Strafen und derjenigen, die vom Amtsgericht Magdeburg ausgesprochen und vom Landgericht Magdeburg mit Urteil vom 12. September 2012 bestätigt wurde, eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen (§§ 55 Abs. 1 StGB, 460 StPO). Die im Fall der rechtskräftigen Verurteilung von der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren vorzunehmenden Anrechnung muss sich daher auch auf die in den Jahren 2008 und 2009 erlittene Untersuchungshaft erstrecken.“

    Da die Untersuchungshaft mit 16 Monaten die zu erwartende Freiheitsstrafe von einem Jahr übersteigt, hebt das OLG Naumburg den Haftbefehl auf.

    OLG Naumburg, Beschluss vom 11. Oktober 2012, Az.: 2 Ws 198/11


  • Der Verurteilte wurde vom Landgericht Kassel wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

    Die Strafverteidigung richtet dagegen die Revision.

  • Wurde dem Angeklagten keine angemessene Frist eingeräumt, um Stellung zu nehmen, ist der Pflichtverteidiger auch ohne wichtigen Grund auszuwechseln.

    Dem Angeklagten wurde im Falle der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Pflichtverteidiger beigeordnet.

    Da dem inhaftierten Angeklagten keine angemessen Frist zur Stellungnahme eingeräumt werden konnte, braucht es für die Auswechslung des Pflichtverteidigers keinen wichtigen Grund, entschied das Landgericht Bochum:

    Nachdem die Beiordnung des ersten Pflichtverteidigers im unmittelbaren Zusammenhang mit der Inhaftierung des Angeklagten erfolgte, ohne dass dem Angeklagten eine angemessene Frist eingeräumt werden konnte, um hierzu Stellung zu nehmen, erfolgt die Auswechslung des Pflichtverteidigers auf einfachen Antrag des Angeklagten hin, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedarf (vgl. BGH StraFo 2010, 199; Nr.2g der gemeinsamen Empfehlung der Strafverteidigervereinigungen StV 2010, 109, 110).

    Damit reichte ein einfacher Antrag des Angeklagten aus.
    (LG Bochum, Beschluss vom 1. Dezember 2010, Az.: 11-21 KLs-36 Js 370/10-25/10)

  • Möchte die Polizei zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Personalien feststellen, muss sie die Person zuvor belehren.

    Der Angeklagte wurde wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB vom Amtsgericht zu 50 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Die Strafverteidigung rügt das Urteil mittels Sprungrevision vor dem Oberlandesgericht Hamm.

  • Eine ungeladene Schreckschusspistole ist keine Waffe iSd § 250 StGB.

    Das Landgericht Hanau verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Die Strafverteidigung wehrte sich mit der Revision gegen das Urteil.
    Das Landgericht ging davon aus, dass eine ungeladene Schreckschusspistole eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt dagegen klar, dass es sich lediglich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit b StGB handele.

    Darüber hinaus versagte das Landgericht eine Strafrahmensenkung gemäß § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB für die versuchte schwere räuberische Erpressung. Dabei wertete das Gericht zu Lasten des Angeklagten, dass er die Einnahmen aus der Tat für seine eigenen persönlichen Bedürfnisse verwenden wollte. Dies kann aber laut BGH nicht strafschärfend gewertet werden:

    „Die Verwendung von Tatbeute für eigene Bedürfnisse des Täters ist regelmäßiges Erscheinungsbild der räuberischen Erpressung und enthält kein zur Strafschärfung berechtigendes schulderschwerendes Element.“

    Im Umfang der Aufhebung muss sich eine andere Strafkammer des Landgerichts mit der Sache erneut beschäftigen. Die Revision hatte damit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 26. September 2012, Az.: 2 StR 262/12


  • Steht ein Bandenmitglied bei einer Bandentat nur „Schmiere“, ist es lediglich Gehilfe.

    Der Angeklagte war Mitglied einer Bande, die in wechselnder Besetzung mehrere Diebstähle beging. Dabei beschränkte sich der Tatbeitrag des Angeklagten häufig lediglich auf das Absichern des Tatorts und leichte Aufgaben, wie das Auskundschaften oder Abtransportieren der Ware.

    Das Landgericht verurteilte den Angeklagten in allen Fällen als Mittäter. Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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