Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in acht Fällen, Betruges in drei Fällen und versuchten Betruges in sieben Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und wegen überlanger Verfahrensdauer sechs Monate dieser Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Der Angeklagte hatte in mehreren Fällen Verkehrsunfälle provoziert, um sich danach an die Haftpflichtversicherung zu wenden.
Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.
Der BGH gab der Revision in wesentlichen Punkten statt, sowohl hinsichtlich des nicht ausreichend geprüften Rücktritts vom Versuch als auch hinsichtlich des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr:
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte zwar die Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs durch einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteile vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, und vom 22. Juli 1999 – 4 StR 90/99, NJW 1999, 3132). Der Straftatbestand des § 315b Abs. 1 StGB setzt aber darüber hinaus voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Eine solche Gefährdung belegen die Urteilsgründe nicht.
Die zu den einzelnen Unfällen getroffenen Feststellungen geben keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass in den genannten Fällen Leib und Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind. Das Urteil enthält insbesondere keine Angaben zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Kollision (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09, NStZ 2010, 216), die Intensität des Aufpralls wird nicht mitgeteilt bzw. – im Fall 3 – als gering bezeichnet (UA 26: „leichter Anstoß“), und Verletzungen bei unfallbeteiligten Dritten sind ersichtlich nicht eingetreten.
Auch die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist nicht hinreichend belegt. Hierbei ist über den Gesetzeswortlaut hinaus erforderlich, dass der Sache von – im Urteil bereits nicht eindeutig festgestelltem – bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, StV 2008, 580; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 315b Rn. 16), dessen Höhe nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215). Der maßgebliche Grenzwert lag im Tatzeitraum bei 1.500 DM (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BHGSt 48, 119; Beschluss vom 27. September 2007 – 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83).
Damit liegt hier nach Ansicht des BGH keine objektive Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert vor. In vier Fällen konnte das Landgericht nicht feststellen, dass der Schaden mindestens 1500 DM betrug. Vielmehr war der Schaden jeweils „sehr gering“. Die Schadensbilder – „geringfügiger Farbabrieb“, „Lackabschürfungen und kleine Blechverformungen“, „Schaden am Kotflügel und der Stoßstange“ – lassen auch nicht darauf schließen, dass ein erheblicher Schaden entstanden ist. Zwar könne nach Auffassung des BGH dennoch eine Strafbarkeit gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB gegeben sein, dafür müsse es nach der Vorstellung des Täters aber zumindest möglich sein, dass ein erheblicher Schaden entstanden ist.
Zum Betrug führte der BGH ferner aus, dass das Landgericht den Rücktritt vom Versuch nicht ausreichend geprüft hat.
BGH, Beschluss vom 12.04.2011, Az.: 4 StR 22/11