BGH: Zur Anwendung von Zwangsmitteln nach § 70 StPO – Zeugnisverweigerungsrecht

Das Landgericht Limburg an der Lahn hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und angeordnet, dass drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte in drei Fällen jeweils ein Kilogramm Amphetamin an den deshalb bereits rechtskräftig verurteilten Zeugen veräußert. Der Zeuge gab an, er habe die Betäubungsmittel in allen Fällen von demselben Veräußerer erworben, allerdings nicht vom Angeklagten. Eine Aussage zur Identität der Lieferanten verweigerte der Zeuge, obwohl das Gericht ihm kein Auskunftsverweigerungsrecht zusprach. Das Landgericht ist dem Zeugen dahingehend nicht gefolgt, sondern ist von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt gewesen.

Die Revision rügt, dass das Landgericht nicht mit Zwangsmitteln auf die Beantwortung der Frage der Identität des Lieferanten nach § 70 StPO hingewirkt hat. Damit habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge unter Anordnung von Zwangsmitteln den Lieferanten benannt hätte.

Dazu der BGH:

„§ 70 StPO dient allerdings nicht der Erzwingung wahrheitsgemäßer Aussagen, sondern nur der Beantwortung der offenen Frage. Eine Konstellation, in der es alleine um die Korrektur einer bereits gemachten Äußerung geht, die das Gericht für unzutreffend hält, liegt hier jedoch nicht vor. Dies ließe sich allenfalls unter Vorwegnahme des Beweisergebnisses annehmen, dass der Zeuge die Unwahrheit gesagt habe, als er angab, der Angeklagte sei nicht der Verkäufer der Amphetaminportionen gewesen. Eine solche Vorwegnahme des Beweisergebnisses war hier aber nicht zulässig. Dann bleibt es dabei, dass die Frage nach der Identität des Drogenverkäufers nicht beantwortet worden ist.“

„Hat die Aussage eines in der Hauptverhandlung erschienenen, aber grundlos die Aussage verweigernden Zeugen für die Überzeugungsbildung des Gerichts erhebliche Bedeutung, so gebietet es die Aufklärungspflicht, Anstrengungen zu unternehmen, den Zeugen zu einer Auskunft zu bewegen (BGH, Beschluss vom 6. September 1983 – 1 StR 480/83, StV 1983, 495 f.).“

Damit stellt der BGH klar, dass das Landgericht hier seine Aufklärungspflicht verletzt hat. Es hätte wegen der Beweisbedeutung der Aussage des Zeugen auf die Beantwortung der Frage hinarbeiten und gegebenenfalls auch Zwangsmittel anwenden müssen. Dies gebiete schon § 70 StPO.

BGH, Beschluss vom 28.12.2011, Az.: 2 StR 195/11

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